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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Equisetaceen

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Equisetaceen.

in einem Kreis (Fig. 2) und stimmen in Stellung und Zahl mit den oberflächlichen Riefen und den Blattzähnen überein. Sie bestehen, wie bei den Phanerogamen, aus einem dem Mark angrenzenden Bündel von Ring- und Spiralgefäßen und aus einem gegen die Rinde gekehrten Bastteil. Jedes einzelne Gefäßbündel oder alle insgesamt werden von einer Schutzscheide umgeben. Das Mark der Stammglieder ist nur im jüngsten Zustand vorhanden; später zerreißt es und bildet eine geräumige Höhle (Fig. 2), nur an den Gelenken bleibt es erhalten; die erwachsenen Stengel haben daher röhrenartig hohle Glieder. Auch in der Rinde findet sich meistens ein Kreis kleinerer lufthaltiger Hohlräume (Fig. 2), welche mit den Fibrovasalsträngen alternieren, also den Furchen der Stammoberfläche entsprechen. Die Rinde besteht aus chlorophyllhaltigen Zellen; eine äußere Zone bildet ein subepidermales Gewebe von gestreckten, chlorophylllosen Zellen mit stark verdickten Membranen, welches in den Riefen am stärksten entwickelt ist. In den Furchen finden sich Spaltöffnungen mit doppeltem Schließzellenpaar in der Epidermis, welche in Längsreihen geordnet sind und entweder im Niveau der benachbarten Oberhautzellen oder in einer Senkung liegen. Der Stamm wächst, wie der der Farne, mittels einer großen tetraedrischen Scheitelzelle, und auch der Bau der Wurzeln stimmt im wesentlichen mit dem der Farnwurzeln überein. Die Fortpflanzung geschieht, wie bei allen Kryptogamen, durch Sporen. Die Fruktifikationsorgane der E. sind an der Spitze der Stämme stehende ährenförmige Vereinigungen eigentümlich metamorphosierter kleiner, schildförmiger Blattzipfel (Fig. 3), auf deren unterer Seite 5-10 Sporangien, kleine, mit Sporen erfüllte Säckchen, aufgewachsen sind. Bei den meisten Schafthalmen stehen diese Fruchtstände auf den gewöhnlichen grünen Stämmen, bei einigen Arten aber auf einer zweiten Form von Stengeln, welche chlorophylllos sind, sich nicht verzweigen und im Frühling vor den grünen Stengeln erscheinen. Die Sporangien öffnen sich mit einer Längsspalte, um die Sporen zu entlassen. Letztere entstehen in den Sporangien, wie bei den Farnen, in Spezialmutterzellen, die zu je vier in den Sporenmutterzellen gebildet werden; ihre Haut besteht aus mehreren differenten Schichten, von welchen die äußerste zu einer Bildung Veranlassung gibt, die allein den E. eigentümlich ist. Sie zerreißt nämlich später in zwei in der Mitte kreuzartig verbundene Schraubenbänder, die sogen. Schleudern oder Elateren (Fig. 4), welche vermöge ihrer Hygroskopizität im feuchten Zustand die Spore völlig umwickeln, bei Trockenheit sich aufrollen und dies bei jedem Wechsel des Feuchtigkeitsgrades wiederholen, wodurch die Sporen in Bewegung kommen. Die Sporen enthalten in ihrem Protoplasma einen Zellkern, Chlorophyll und fettes Öl. Bei der Entwickelung der E. aus der Spore wird wie bei den Farnkräutern aus der keimenden Spore zunächst ein Vorkeim (Prothallium) entwickelt, auf welchem Geschlechtsorgane, Antheridien und Archegonien, sich bilden. Der Vorkeim ist ein kleines, bandförmiges, durch lappige Auszweigungen krauses, grünes Gebilde, welches entweder nur Antheridien oder nur Archegonien trägt. Die beiden Geschlechtsorgane sind in ihrer Entwickelung, in ihrem Bau und in ihren Funktionen denen der Farne wesentlich gleich. Auch die Entstehung des Embryos aus der befruchteten Eizelle und die Entwickelung desselben zur neuen Schafthalmpflanze entsprechen durchaus den analogen Vorgängen bei den Farnkräutern.

Die E. sind gegenwärtig über die ganze Erde, in allen Zonen verbreitet und wachsen meist auf feuchtem Boden oder im Wasser; sie treten aber immer nur als untergeordnete Bestandteile der Vegetation auf und bilden nur eine einzige Gattung, Equisetum L. (s. d.). Dagegen haben sie in den vorweltlichen Perioden ihre größte Verbreitung, sowohl in Reichtum der Formen als in Zahl der Individuen, gehabt; gegen die Großartigkeit ihrer damaligen Erscheinung sind die heutigen Formen nur zwerghafte Nachkommen. Man kennt einige 90 Arten fossiler E., deren Überreste als Bruchstücke von Stämmen und als Fruchtstände gefunden werden und am häufigsten in der Steinkohlen- und Keuperformation vorkommen. Der Steinkohlenflora gehörten die Kalamiten an, baumförmige Schafthalme von beträchtlicher Höhe, mit gegliederten Stämmen und wirtelig gestellten Ästen. Die Glieder sind von feinen Längsrippen durchzogen; an den Gelenken finden sich keine Scheiden, sondern nur kleine Knötchen, welche von abgefallenen Blättchen herrühren. Bruchstücke solcher Stämme sind vielfach gefunden und als besondere Spezies bezeichnet worden, z. B. als Calamites Cistii Brongn. (Fig. 5), C. Suckowii Brongn. (Fig. 6), die beide über das ganze Steinkohlengebiet Europas und Amerikas verbreitet sind und stellenweise massenhaft auftreten, und C. Meriani. Mit den Kalamiten, aber getrennt von ihnen, kommen eigentümliche beblätterte Zweige vor, welche bisweilen schafthalmartige Frucht-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fruktifikationsorgane der Equisetaceen.]

^[Abb.: Fig. 2. Querschnitt eines Rhizoms.]

^[Abb.: Fig. 3. Schuppe des Fruchtstandes]

^[Abb.: Fig. 4. Spore (Schleuder)]

^[Abb.: Fig. 5. Calamites Cistii. ]

^[Abb.: Fig. 6. Calamites Suckowii.]

^[Abb.: Überschrift Equisetaceen aus der Steinkohlenflora.]