Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

873

Estinto - Estrées.

auf einer Reise in Lyon und starb dort Anfang März 1598 im Spital unter Spuren völliger Geisteszerrüttung. E. besaß eine seltene Kenntnis des Griechischen. Seine Ausgaben, darunter nahe an 30 editiones principes, umfassen fast die gesamte griechische Litteratur. Ausgezeichnet durch umfangreiche Benutzung von Handschriften und allerdings oft zu weit gehende Konjekturalkritik, sind sie zum Teil bis in die neuere Zeit die Grundlage des Textes geblieben. Seine lateinischen Ausgaben treten an Zahl und Bedeutung dahinter zurück. Sein Hauptwerk ist der schon von seinem Vater vorbereitete "Thesaurus linguae graecae" (Genf 1572, 5 Bde.; 2. Ausg., Lond. 1815-25, 8 Bde.; 3. Ausg. von Hase, W. und L. Dindorf, Fix, v. Sinner, Par. 1831-65, 9 Bde.). Auch in seiner Muttersprache zeichnete er sich als eleganter Schriftsteller aus; wir nennen: "Traité de la conformité du langage français avec le grec" (1565); "L'introduction au Traité de la conformité des merveilles anciennes avec les modernes, ou Traité préparatif à l'Apologie pour Hérodote" (1566); "Discours mervellieux de la vie, actions et départements de Catherine de Médicis" (1575). Seine lateinischen und griechischen Poesien hat er meist auf seinen Reisen zu Pferde sitzend niedergeschrieben. Vgl. Feugère, Essai sur la vie et les ouvrages de Henri E. (Par. 1853); Grautoff, Henricus Stephanus (Programm, Glogau 1862).

5) Paul, Sohn des vorigen, geb. 1566 zu Genf, übernahm 1598 das väterliche Geschäft, druckte sehr geschätzte Ausgaben des Euripides (1602) und Sophokles (1603), mußte aber 1605, politischer Umtriebe verdächtig, aus Genf fliehen und starb um 1627.

6) Antoine, ältester Sohn des vorigen, geboren im Juni 1592 zu Genf, wirkte seit 1618 als Buchdrucker zu Paris, ward 1623 Buchdrucker des Königs, druckte besonders für die Oratorianer, so den Chrysostomos, die Septuaginta u. a., und starb verarmt und erblindet 1674 im Hôtel-Dieu zu Paris. Er ist der letzte berühmte Buchdrucker der Familie; diese selbst starb erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts aus. Vgl. Renouard, Annales de l'imprimerie des E. (2. Aufl., Par. 1843, 2 Bde.); Dupont, Histoire de l'imprimerie (das. 1854, 2 Bde.); Bernard, Les E. et les types grecs de François I (das. 1856).

Estinto (ital., "erloschen"), musikal. Vortragsbezeichnung für das äußerste Pianissimo.

Estiva (span., franz. Estive, spr. estihw), die gehörige Stauung der Schiffsgüter; estivieren, Schiffsgüter verladen, stauen.

Est modus in rebus, sunt certi denique fines, lat. Spruch: "Es ist ein Maß in den Dingen, es gibt mit Einem Wort bestimmte Grenzen" (aus Horaz' Satiren, I, 1, 106 entnommen).

Esto, Längenmaß in Benkulen, = 0,457 m.

Estoc (franz., v. deutschen "Stock"), im 16. Jahrh. gebräuchlicher Stoßdegen mit drei- oder vierkantiger Klinge, aus dem das Rapier entstand.

Estocade (franz.), Stoß mit dem Degen; übertragen s. v. w. zudringliche Bitte um ein Darlehen.

Estocq, Hermann l', s. Lestocq.

Esto mihi (lat., "Sei mir"), Bezeichnung des Sonntags Quinquagesima (s. d.) oder siebenten Sonntags vor Ostern, hergenommen von dem aus Psalm 71, 3 entlehnten Anfang der Messe.

Estompe (franz., spr. -óngp, v. deutschen "stumpf"), Wischer zum Verreiben der Pastellfarben, der schwarzen Kreide etc.; à l'e., mit dem Wischer gearbeitete (gewischte) Zeichnung; estompieren, die Farben mit dem Wischer verreiben und verbreiten.

Estoquieren (franz., spr. -kie-), in der Büchsenmacherei s. v. w. stauchen, vernieten.

Est quaedam flere voluptas, lat. Spruch: "Im Weinen liegt eine gewisse Wonne" (aus Ovids "Tristien", IV, 3, 37 entnommen).

Estrade (franz.), der um eine oder einige Stufen erhöhte Teil des Fußbodens vor einem Fenster, Thron, Katafalk; beim Schleusenbau der erhöhte Teil der Schleusenkammer oder des Raums zwischen beiden Schleusenthoren.

Estragon (Dragunbeifuß), s. Artemisia.

Estrangelo ("Evangelienschrift"), Name der ältern syrischen Schrift, die sich von der neuern, jetzt üblichen durch weniger zierliche Form, aber größere Stärke der Züge unterscheidet.

Estrapade (franz.), das Wippen; der Wippgalgen; daher Place de l'E., ein Platz in Paris, auf dem früher ein Wippgalgen stand, an dem man besonders viele Protestanten folterte; auch das gleichzeitige Bäumen und Ausschlagen der Pferde, Bockssprung; estrapieren, Bockssprünge machen (von Pferden).

Estrées (spr. estreh, seltener etreh), uraltes franz. Adelsgeschlecht, das seinen Namen von einem Landgut in der Nähe von Arras führt. Ausgezeichnet sind:

1) Gabrielle d', die berühmte Geliebte Heinrichs IV. von Frankreich, Tochter des Großmeisters der Artillerie, Antoine d'E., des tapfern Verteidigers von Noyon 1593, geboren um 1570, schön und geistreich, ward 1590, als König Heinrich IV. zufällig ihren Wohnort, Schloß Coeuvre, besuchte und sofort eine heftige Leidenschaft für sie faßte, dessen Geliebte. Des Scheins wegen vermählte sie der König mit d'Amerval de Liancourt, welche Ehe jedoch bald wieder getrennt wurde, da der König beabsichtigte, sich von Margarete von Valois scheiden zu lassen und Gabrielle auf den Thron zu erheben. Trotz des Widerspruchs des Ministers Sully zur Herzogin von Beaufort ernannt, war sie bei Hof ihrer Bescheidenheit wegen beliebt, während ihr die leidenschaftliche Liebe des Königs einen unbegrenzten Einfluß gestattete, den sie jedoch keineswegs mißbrauchte. Schon war die Scheidung des Königs eingeleitet, als Gabrielle 10. April 1599 zu Paris im Haus eines im Vertrauen des Königs stehenden Juden, Namens Zamet, nach dem Genuß einer Orange plötzlich starb. Sie hinterließ dem König drei Kinder, César und Alexandre von Vendôme und Henriette Katharina, an den Herzog von Elboeuf vermählt. Ihre nach einer Handschrift der königlichen Bibliothek zu Paris erschienenen "Mémoires" (Par. 1829, 4 Bde.; neue Ausg. 1852) sind wahrscheinlich unecht. Vgl. Loiseleur, Ravaillac et ses complices (Par. 1873).

2) François Annibal d', Bruder der vorigen, geb. 1573, hatte schon 1594 das Bistum Noyon erhalten, als er, seiner Neigung folgend, unter dem Namen eines Marquis de Coeuvres Kriegsdienste nahm, in denen er bald zum Generalleutnant emporstieg. Unter Maria von Medicis wurde er zu mehreren diplomatischen Missionen verwendet; 1624 erhielt er das Kommando der vereinigten Truppen von Frankreich, Venedig und Savoyen, um den Graubündnern das Veltlin zu sichern, wofür er 1626 den Marschallstab empfing. 1630 versuchte er Mantua den Kaiserlichen zu entreißen, mußte aber kapitulieren und erhielt sodann den Oberbefehl über die Rheinarmee, an deren Spitze er 1632 Trier nahm. Von 1636 bis 1648 war er außerordentlicher Gesandter in Rom. Bei Ludwigs XIV. Thronbesteigung wurde das Marquisat Coeuvres zum Herzogtum E. erhoben und er zum Gouverneur von Isle de France und