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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Bodenbeschaffenheit).

nitinseln, Belle-Ile im S. die größte, Ouessant die westlichste, mit ihren fjordartigen Einschnitten an die Küste von Norwegen erinnert. Hier finden wir eine Fülle trefflicher, leicht zu verteidigender Buchten und Häfen (Morbihan, Quiberon, Lorient, Douarnenez, Brest, St.-Brieuc u. a.), hier lebte schon zu Cäsars Zeit eine seetüchtige Bevölkerung, welche seit dem Mittelalter F. die trefflichsten Fischer, Korsaren und Seehelden, die besten Matrosen der Kriegsflotte geliefert hat. Nur der Handel vermochte sich in dem verhältnismäßig armen, abgelegenen Land nicht allzusehr zu entwickeln. Brest, der große Kriegshafen Frankreichs am Ozean, ist von der Natur am besten ausgestattet, an einer tiefen Bucht mit engem Eingang, an der Nordwestspitze den ^[richtig: des] Landes selbst. Steile, klippenumstarrte Landtrümmer sind auch die Normännischen Inseln, welche den großen zwischen der Bretagne und der Halbinsel Cotentin eindringenden Golf schließen. Von hier an aber fehlt es an der französischen Küste, die bis gegen die Somme hin noch meist, wenn auch mäßig steil bleibt, recht im Gegensatz zur gegenüberliegenden englischen Küste, an guten Naturhäfen; es ist deshalb mit großen Kosten der Kriegshafen von Cherbourg England gegenüber geschaffen worden, während wiederum ein überwiegend durch Kunst geschaffener Flußhafen, der von Le Havre, den Verkehr in sich vereinigt, seitdem Rouen, ähnlich wie jetzt Nantes, für die großen Seeschiffe der Neuzeit nicht mehr zugänglich war. Von der Somme an beginnt die von Dünen begleitete Flachküste, welche der südlichen Nordsee eigen ist. Boulogne, Calais verdanken nur der Gunst der Lage am engsten Punkte des Kanals ihre Bedeutung; ihre Häfen, mit Hilfe kleiner Flüsse geschaffen, sind nur Schiffen mäßiger Größe zugänglich. Wir erkennen durch diesen flüchtigen Überblick über die Meeresbegrenzung Frankreichs, daß dieselbe eine mäßig günstige ist und die Bedeutung der vier großen Flüsse wie für den innern, so auch für den äußern Verkehr recht hervortreten läßt.

Bodenbeschaffenheit.

Die Reliefformen Frankreichs zeigen eine reiche, günstige Gliederung, einen Wechsel von Ebenen, Hügel- und Berglandschaften, der nirgends Einförmigkeit aufkommen läßt, ohne daß aber, außer an der Südost- und Südgrenze, unbewohnbare Hochgebirge vorhanden wären. Dem Verkehr stellen sich daher im Innern Frankreichs nirgends erhebliche Schwierigkeiten entgegen, ja die einzelnen Flußsysteme sind einander so nahe gerückt und durch so mäßige Höhen voneinander geschieden, daß sie alle durch Kanäle miteinander haben in Verbindung gesetzt werden können. Die größten Erhebungen Frankreichs liegen im S. und O., so daß die allgemeine Abdachung des Landes eine nordwestliche ist und demnach die Hauptflüsse, mit einer Ausnahme, zum Ozean gehen. Als den Kern und vielleicht den geologisch ältesten Teil von F. haben wir das sogen. Zentralplateau anzusehen, eine mächtige, sich in viele Unterabteilungen gliedernde Scholle von Granit, Gneis und kristallinischen Schiefern mit zahlreichen vulkanischen Durchbrüchen und umlagert von jüngern sedimentären Bildungen, welche die historischen Landschaften der Auvergne, Lyonnais, Bourbonnais, Marche, Limousin, Guienne und Languedoc ganz oder teilweise füllt. Es bildet mit ungefähr 80,000 qkm mehr als ein Siebentel von F. und ist sein wichtigstes Wasserreservoir, rings von Ebenen umschlossen, durch das Thal des Rhône und der Saône von Alpen und Jura, durch die Einsenkung von Castelnaudary, durch welche der Canal du Midi in einer Höhe von 190 m geführt ist, von den Pyrenäen getrennt und nur nach NO. mit den östlichen Grenzgebirgen, den Vogesen und Ardennen, in erkennbarem orographischen Zusammenhang. Die Abdachung dieses zentralen Hochlandes ist eine entschieden westliche und nordwestliche. Es läßt sich in zwei Unterabteilungen zerlegen: eine östliche, welche den gehobenen, steil zur Ebene von Languedoc und dem Rhône-Saônethal abfallenden Rand des Hochlandes bildet und hier und da, am deutlichsten in den Cevennen, den Charakter einer Gebirgskette trägt, und eine westliche, das Hochland von Auvergne. Ursprünglich war ganz Zentralfrankreich wohl eine Hochebene von ca. 1000 m Höhe, die ihr jetziges wechselndes Relief erst durch die Meteorwasser, welche tiefe Thäler erodiert und Einsenkungen ausgefüllt haben, sowie durch vulkanische Thätigkeit erhalten hat, welche dem granitischen Plateau zahlreiche trachytische und basaltische Kegel aufgesetzt und weite Flächen mit mächtigen Lavaschichten bedeckt hat.

Betrachten wir zunächst den östlichen Plateaurand, so wollen wir das Stück desselben von der erwähnten Einsenkung von Castelnaudary bis zu der kaum minder bedeutungsvollen von St.-Etienne, welche Rhône und Loire verbindet, mit dem Namen der Cevennen bezeichnen. Dem ganzen Zug ist eigen ein südlicher und östlicher Steilabsturz, von welchem zahlreiche kleine Flüsse in tiefen, kaskadenreichen Thälern zur Ebene von Languedoc oder zum Rhône hinabeilen. Von dieser äußern Seite ist das Gebirge schwer zu ersteigen, während es an der innern nur ausnahmsweise den Eindruck eines Gebirges, vielmehr den eines sanft ansteigenden Plateaus macht. Die Wasserscheide zwischen den zum Mittelmeer und den zum Ozean gehenden Flüssen ist eine vielgewundene Linie, welche nicht über die höchsten Gipfel geht. Kein einziger Fluß durchbricht das ganze Gebirge, aber die Quellen der westlichen Plateauflüsse liegen meist außerordentlich nahe am östlichen Absturz. In früherer Zeit machte dieses Hochfrankreich sich allerdings als ein scharf individualisiertes Gebiet geltend, es wurde von den Verkehrswegen umgangen, seine Bevölkerung nahm weniger an den großen Bewegungen teil, wie zum Teil auch noch heute; aber den modernen Verkehrsmitteln gegenüber beginnt seine Abgeschlossenheit zu schwinden, eine Eisenbahn zieht vom Allierthal mitten durch die Cevennen nach Nîmes, eine andre mitten durch den Cantalstock aus dem Allier- zum Lotthal. Wir unterscheiden in den Cevennen folgende Unterabteilungen: Zunächst erheben sich an der Senke von Castelnaudary die Montagnes Noires (s. d.), an diese schließen sich die Monts de l'Espinouse an, in denen der einseitige Steilabfall zuerst hervortritt, das Quellgebiet des Agout, eines Nebenflusses des Tarn, während sie wiederum das Thal des Orb von den Garriguesbergen trennt, in denen sich das System fortsetzt, um jenseit des Héraultthals in die Cevennen im engern Sinn überzugehen, denen sich hier nach W. im obern Lot- und Tarngebiet, ja südöstlich bis an die Abdachung des Gebirges selbst am mittlern Hérault heranreichend, die merkwürdige Jurakalkplatte der Causses (s. d.) anschließt. Die Cevennen (s. d.) im engern Sinn bestehen überwiegend aus Granit, von ihrem mächtigen südwestlichen Eckpfeiler, dem Mont Aigoual (1567 m) an bis zu dem noch mächtigern, dem Granit aufgesetzten Phonolithdom des Mézenc (1754 m). Die massigste Erhebung des ganzen Systems, aber nur im S. und O. als Gebirge erscheinend,