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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (geologische Entwickelung; Flüsse).

würdigen Kontrast gegenüber den öden, kahlen Felsenhängen der spanischen Seite; aber auf beiden Seiten sind die Pyrenäen spärlich bewohnt und angebaut, selbst die Viehzucht ist dürftig, und auch Bergbau fehlt (s. Pyrenäen).

Wir sehen also, wenn wir einen zusammenfassenden Blick über Frankreichs Bodengestaltung werfen, daß die Ebenen, welche die einzelnen Gebirgssysteme und namentlich das zentrale Hochfrankreich von den begrenzenden Gebirgen scheiden und, miteinander in Verbindung tretend, das Land zugleich dem Mittelmeer (Rhôneebene und Languedoc), dem Ozean (Garonne- und Loirebecken) wie dem Verkehr mit dem Ozean und England (Seinebecken) erschließen, eine sehr wichtige Rolle spielen. Vom ganzen Areal Frankreichs kommen ca. 245,000 qkm auf Bergland und 285,000 qkm auf ebenes Land. Diese Ebenen sind, wenn wir von wenigen, wie der versumpften Camargue, der Sologne, der Champagne pouilleuse, den Landes, der Crau, welche aber mehr oder weniger jetzt der Kultur gewonnen werden, absehen, von wunderbarer Fruchtbarkeit, herrlich angebaut und dicht bevölkert, oft weiten Gartenlandschaften ähnlich.

Die Insel Corsica, die wie Nizza geographisch und ethnographisch zu Italien gehört, ist durchaus Gebirgsland, nur an der Ostseite finden sich flache Küstenebenen jüngerer Entstehung. (Genaueres s. unter Corsica.)

Wenn wir noch einen Blick auf die Geschichte der Entstehung desjenigen Teils des europäischen Festlandes werfen, der jetzt F. heißt, so erlaubt uns der geologische Bau des Landes, wie er jetzt ist, nur an wenigen Punkten sichere, nicht mehr hypothetische Schlüsse auf die Verteilung von Land und Wasser und das Anwachsen des erstern. Denn wenn wir auch wissen, in welcher Zeit die sedimentären Schichten entstanden sein müssen, so können wir doch nicht bestimmen, in welcher Ausdehnung dieselben früher vorhanden waren und seitdem wieder von den Wogen des Meers bedeckt oder durch die Meteorwasser, Gletscher etc. denudiert worden sind. Es ist durchaus noch nicht erwiesen, daß z. B. die granitischen Plateaus von Zentral- und Nordwestfrankreich, die ganz oder teilweise von jurassischen Zonen umschlossen sind, auch wirklich in der Jurazeit Inseln waren. Dagegen ist ziemlich sicher anzunehmen, daß in der Kreidezeit Hochfrankreich bereits mit der Bretagne sowie anderseits den Vogesen, Lothringen und den Ardennen zusammenhing; denn die nordfranzösische Grünsand- und Kreideformation des Seine-Loirebeckens, namentlich der Champagne, steht in engen Beziehungen zu den gleichalterigen englischen und deutschen Bildungen und gehört der nördlichen Kreidefacies an, während die Kreide des Rhône- und Garonnebeckens, der Alpen und Pyrenäen zur südlichen, mediterranen Kreidefacies gehört, deren paläontologischer Habitus ein wesentlich andrer ist. Sie zeichnet sich aus durch massige, harte Kalke und ihre mannigfaltige, großartige Entwickelung der Familie der Hippuriten, welche in der nördlichen Facies nur in seltenen Individuen auftritt. Die Meere, in welchen sich diese beiden Facies entwickelten, können daher kaum in direktem Zusammenhang gestanden haben. Bei Beginn der Tertiärzeit waren somit wohl schon die Züge Frankreichs im großen vorgezeichnet, nur drangen im N. und W. noch tiefe Golfe ein, die während dieser Zeit vorübergehend sich abschlossen und zu Süßwasserseen wurden, deren es auch mehrere (Limagne z. B.) im Innern gab. Gegen Ende der Tertiärzeit, aber noch weit in die Quartärzeit hinein fanden die vulkanischen Eruptionen Zentralfrankreichs statt, die dem Relief desselben im wesentlichen die Züge der Jetztzeit verliehen. Daß sich die Umrisse des Landes aber noch beständig ändern, sehen wir daraus, daß die Trennung von England erst nach der Eiszeit erfolgt sein muß, sowie daraus, daß an den Küsten der Normandie und Bretagne noch in historischer Zeit Landverlust (durch säkulare Senkung?), dagegen an der Küste von Aunis und Saintonge sowie an den Rhônemündungen und in Languedoc Landzuwachs stattgefunden hat. Die Spuren des Menschen sind in F. sehr weit zurück zu verfolgen, in den Diluvialschichten von Abbeville sind Reste menschlicher Kiefer und Feuersteinwaffen, in den Höhlen von Südfrankreich andre Erzeugnisse sehr alten menschlichen Kunstfleißes gefunden worden.

Bewässerung.

Die fließenden Gewässer Frankreichs gehören einerseits dem Gebiet der Nordsee, dem Kanal und dem Atlantischen Ozean, anderseits dem Mittelländischen Meer an. Diese beiden Wasserbecken zerfallen weiter in 42 Flußgebiete und zwar in 5 große Stromgebiete (Garonne, Loire, Seine, Rhein mit Maas und Schelde und Rhône), 8 Flußgebiete zweiten Ranges (Somme, Orne, Vilaine, Cherente, Adour, Aude, Hérault und Var) und 29 kleine Becken, welche durch Küstenflüsse gebildet werden. Auffallend ist dabei, aber für den Verkehr wichtig, daß alle zum Ozean gehenden Flüsse von der Mosel bis zum Adour sich mit ihren Quellen, dagegen alle zum Mittelmeer gehenden mit ihren Mündungen einander nähern, die einen also divergieren, die andern konvergieren. Häufig wird das ganze Land in die fünf oben genannten Hauptstromgebiete geteilt, indem denselben die kleinern Becken angereiht werden. Von diesen fünf Stromgebieten gehören dann die der Garonne, Loire und Seine ganz und ausschließlich F. an, während das des Rheins mit einem sehr kleinen Teil, das des Rhône mit dem größten Teil auf französisches Gebiet fallen. Die zwei erstern folgen der westlichen Abdachung in den Ozean, das dritte der des Kanals, das vierte der zur Nordsee, das fünfte der südlichen Abdachung zum Mittelländischen Meer. Wir sehen somit, wie außerordentlich günstig diese großen Stromsysteme für den Binnen- wie für den äußern Verkehr angeordnet sind. Sie setzen das Binnenland mit beiden Meeren und den Rheinlandschaften im NO. in Verbindung und hängen untereinander über ihre niedern Wasserscheiden durch Kanäle zusammen. Ein großartiges, freilich in den letzten Jahrzehnten durch das Monopol der großen Eisenbahngesellschaften zum Teil künstlich nutzlos gemachtes Kanalnetz, dessen Entwickelung noch ins 17. Jahrh. zurückreicht, bedeckt ganz F. Die Flüsse werden allerdings sämtlich in ihrem Wert dadurch beeinträchtigt, daß infolge maßloser Entwaldung ihr Wasserstand ein sehr wechselnder ist; auf sehr niedriges Wasser folgen furchtbare Überschwemmungen, namentlich im Garonne- und Loiregebiet, die Flußbetten versanden, und Seitenkanäle müssen sie ersetzen. Der Rhône hat überdies so starkes Gefälle, daß er nur schwer zur Bergfahrt benutzt werden kann. Die Garonne (im Unterlauf Gironde, 575 km lang, wovon 468 km schiffbar sind, im Mittel 200 m breit) nimmt als Nebenflüsse auf: rechts Ariége, Tarn, Lot, Dordogne (mit Vézère und Isle, letztere mit der Dronne); links Gers und Baise. Die Loire (1002 km lang, 822 km schiffbar), Frankreichs größter und längster Strom, empfängt als Nebenflüsse: rechts Aron, Nièvre, Maine (gebildet durch Mayenne, Sarthe und Loir) und