Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Genteles Grün; Genthin; Genthius; Gentiana

113

Genteles Grün - Gentiana.

ihm gegen Anerkennung ihrer Herrschaft einige Abtretungen anzubieten, ließen die Bürger beide Männer nach ihrer Rückkehr in Gegenwart der Fürstin und trotz flehentlicher Bitten derselben enthaupten. Nach Marias Tod empörten sich die Genter gegen deren Gemahl, den Erzherzog Maximilian, welcher Vormund seines Sohns Philipp war, und zwangen ihn zu dem für ihn und die Niederlande so verderblichen Frieden von Arras (23. Dez. 1482). Doch mußte sich G. nach neuer Empörung dem kaiserlichen Feldherrn, Herzog Albrecht von Sachsen, 1489 ergeben. Unter Karl V. begann der Glanz der Stadt zu sinken. Als derselbe 1539 der Grafschaft Flandern eine neue Steuer auferlegte, weigerten sich die Genter, auf Grund ihrer Privilegien, dieselbe zu zahlen, errichteten eine eigne Regierung, vertrieben den Adel und alle Anhänger der Statthalterin Maria, der Schwester Karls V., und drohten, den König Franz I. von Frankreich als ihren Herrn anzuerkennen. Karl V. bezwang aber 1540 die Stadt, nahm ihr alle ihre Privilegien, ihr Geschütz und alle Waffen, zog die öffentlichen Gebäude ein, ließ 26 der vornehmsten Bürger hinrichten, verwies andre Hauptschuldige aus dem Land und legte der Stadt eine Geldbuße von 150,000 Goldgulden auf, wovon zur Bändigung der Genter die Citadelle erbaut wurde. In G. wurde im November 1576 die Genter Pazifikation zwischen Holland und Zeeland einerseits und den südlichen Provinzen der Niederlande anderseits zur gemeinschaftlichen Abwehr der spanischen Gewaltherrschaft geschlossen. Überhaupt nahm G. an dem Freiheitskrieg der Niederlande gegen Spanien den lebhaftesten Anteil. 1584 wurde es aber von dem Herzog von Parma für Philipp II. von Spanien erobert und die zerstörte Citadelle wiederhergestellt. 1678 eroberte Ludwig XIV. die Stadt, trat sie aber im Frieden von Nimwegen wieder an Spanien ab. 1706 wurde G. von Marlborough, 1708 wieder von den Franzosen erobert. 1714 kam G. durch den Frieden von Rastatt und Baden mit sämtlichen spanischen Niederlanden an Österreich. Im österreichischen Erbfolgekrieg wurde die Stadt 1745 von den Franzosen erobert. Auch im französischen Revolutionskrieg fiel sie 1793 und 1795 den Franzosen in die Hände und ward Hauptstadt des Departements Schelde. Im Februar 1814 ward G. von den Russen besetzt, 26. März d. J. aber von den Franzosen zurückerobert. Am 24. Dez. 1814 wurde hier der Friede zwischen Großbritannien und der nordamerikanischen Union unterzeichnet. Nach dem Frieden von Paris (1814) kam G. mit Belgien an das Königreich der Niederlande. Ludwig XVIII., König von Frankreich, flüchtete sich bei der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba (1815) hierher. Nach der Trennung Belgiens von Holland (1830) war G. längere Zeit der Mittelpunkt der organisierten Umtriebe in dem neuen belgischen Staat. In neuester Zeit ist dort der Sitz der sozialistischen Bewegung der belgischen Arbeiter. Vgl. de Potter, G. van den oudsten tijd tot heden (Gent 1882-1885, 2 Bde.); van Duyse, Gand monumental et pittoresque (Brüssel 1886).

Genteles Grün, aus zinnsaurem Kupferoxyd bestehende grüne Farbe, wird durch Fällen von Kupfervitriol mit zinnsaurem Natron dargestellt.

Genthin, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, Hauptort des Kreises Jerichow II, am Plaueschen Kanal und an der Linie Berlin-Magdeburg der Preußischen Staatsbahn, hat ein Amtsgericht, eine evang. Kirche, ein Progymnasium und (1885) 4042 Einw.; fast unmittelbar dabei das Dorf Altenplatow mit Zichorien- und Schrotfabrik und 1981 Einw. G. ist wendischen Ursprungs und kommt schon 1171 als Stadt vor.

Genthius (oder Gentius), König von Illyrien, verband sich mit König Perseus von Makedonien 168 v. Chr. gegen die Römer, ließ zwei römische Gesandte gefangen setzen und verwüstete die Gegend von Apollonia und Dyrrhachium, wurde jedoch, nachdem er von Perseus um die versprochenen 300 Talente betrogen worden, von dem römischen Prätor Anicius binnen 30 Tagen besiegt und zur Übergabe seiner Hauptstadt Scodra gezwungen. Später wurde er zu Rom im Triumph aufgeführt und starb in der Gefangenschaft.

Gentiana L. (Enzian, Bitterwurz), Gattung aus der Familie der Gentianaceen, einjährige Kräuter oder Stauden mit gegenständigen, meist sitzenden, ganzrandigen Blättern, end- oder achselständigen, einzeln, gehäuft, in Doldentrauben oder Rispen stehenden Blüten und einfächeriger, zweiklappiger, vielsamiger Kapsel. Etwa 180 Arten in den gemäßigten Klimaten und auf den Gebirgen der nördlichen Halbkugel und den Andes Südamerikas, wenige Arten in Neuseeland. Die meisten Gentianen blühen blau, doch kommen auch gelb, weiß und rot blühende Arten vor; letztere sind auf die Andes beschränkt, blau blühende steigen im Himalaja bis 5000 m hoch; die große Mehrzahl findet sich in hügeligen und bergigen Gegenden, doch dringen manche auch bis in die Tropen vor. Die Gentianen zeichnen sich durch eleganten Habitus und Schönheit der Blüten aus und bilden einen Hauptschmuck der Alpen. G. lutea L. (gemeiner oder großer Enzian, Fieberwurzel, Bitterwurz), ausdauernd, wird 1,25 m hoch, hat halbumfassende, elliptische Blätter und gelbe Blüten in reichblütigen, achselständigen Trugdolden, findet sich im mittlern und südlichen Europa, auf Alpenmatten von 950-2000 m, von Spanien und Portugal bis zum Thüringer Wald und Kroatien. Die wenig ästige, bis 60 cm lange, meist zolldicke Wurzel ist als Radix gentianae offizinell. Sie ist außen gelblich oder rötlichbraun, innen rot oder orangebräunlich, schmeckt zuerst etwas süß, dann stark und anhaltend bitter, riecht schwach eigentümlich und enthält als besondere Bestandteile Gentiansäure (Gentisin) C14H10O5 ^[C<sub>14</sub>H<sub>10</sub>O<sub>5</sub>], welche in geschmacklosen, blaßgelben Nadeln kristallisiert, in Wasser sehr schwer löslich ist und über 300° sublimiert, sowie Gentiopikrin C20H30O12 ^[C<sub>20</sub>H<sub>30</sub>O<sub>12</sub>], welches in farblosen Nadeln kristallisiert, leicht löslich in Wasser, nicht flüchtig ist und beim Kochen mit Säuren in Zucker und Gentiogenin gespalten wird. Die Enzianwurzel wird häufig bei Dyspepsie gebraucht; früher schrieb man ihr auch erhebliche Wirkung als Fiebermittel zu, doch hat sich diese nicht bestätigt. Die Wurzel enthält kein Stärkemehl, aber gärungsfähigen Zucker; ein wässeriger Auszug derselben gärt und gibt dann bei der Destillation den Enzianbranntwein, welcher in der Schweiz und Süddeutschland dargestellt wird. G. acaulis L., ein ausdauerndes Gewächs mit einblütigem Stengel, am Schlund nackter, prächtig blauer Blumenkrone und rosettenartig ausgebreiteten, steilen, weißlich geränderten Blättern, wächst auf den Alpen und Voralpen Mitteleuropas bis in die Ebenen hinab und wird in Gärten auch mit weißen oder gefüllten Blumen kultiviert. G. amarella L. (Himmelsstengel, Gentianellenkraut), einjährig, mit fünfspaltigen, im Schlund gebarteten, dunkelblauen oder violetten Blüten in arm- oder reichblütigen Rispen und sitzenden Blättern, findet sich auf