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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glasmalerei

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Glasmalerei (im 15. und 16. Jahrhundert).

ebenfalls jenen manierierten Geschmack und sind auch in der Farbenzusammenstellung schon tief gesunken; ganz vorzüglich dagegen sind die Fenster im Chor der Kirche St.-Jacques zu Lüttich, bezeichnet 1525, und auch die Bildnisfiguren Karls V., Ferdinands I. und andrer Fürsten in der Gudulakirche zu Brüssel gehören dem frühern bessern Stil an; eine besondere Erwähnung verdient die in Belgien seit dem 15. Jahrh. ausgebildete G. grau in grau, von der sich noch viele kostbare Werke finden (vgl. auch Tafel, Fig. 4, 5, 6 u. 9). Die Zahl der Glasmalereien in Frankreich aus dieser Zeit ist außerordentlich groß, kaum eine Landkirche blieb ohne diesen Schmuck; wir nennen die 1552 und 1553 gefertigten Fenster der Kirche St.-Foy zu Conches, das große Fenster der Pfarrkirche St.-Nicolas zu Nantes und die besonders in der Farbenstimmung unvergleichlichen Malereien der Kathedrale von Châlons sur Marne. Auch Spanien hat in den Domen von Valencia, Toledo, Burgos, Malaga und Sevilla prächtige Muster der Technik aus dieser Epoche aufzuweisen; die 90 Fenster der letztgenannten Kathedrale, nach Kompositionen von Raffael, Michelangelo, Dürer u. a., bilden den Höhepunkt der dortigen Entwickelung. In Spanien waren besonders niederländische Glasmaler thätig. In Italien erlangte die G. erst seit dem 15. Jahrh. größere Bedeutung; zu den frühsten Denkmälern gehören das große Chorfenster in San Domenico zu Perugia (1441) und ein Teil der Glasmalereien im Dom zu Florenz (1436), deren Entwürfe dem Bildhauer Lorenzo Ghiberti zugeschrieben werden; ferner sind zu nennen das vordere Rundfenster mit der Kreuzabnahme in Santa Croce zu Florenz; das prachtvolle Fenster in der vierten Kapelle rechts in San Petronio zu Bologna, von Jakob Griesinger von Ulm (1407-91), sowie das Fenster der neunten Kapelle rechts in derselben Kirche mit Motiven, die an Bandinellis Stil erinnern; das große Fenster des rechten Querschiffs in San Giovanni e Paolo zu Venedig; die herrlichen Chorfenster des Doms zu Lucca; die schönen Glasgemälde der Kirche Santa Annunziata zu Arezzo (noch aus dem 15. Jahrh.; s. Tafel, Fig. 7) und die spätern des dortigen Doms; endlich das bereits manierierte vordere große Rundfenster der Kathedrale von Siena (1549). Merkwürdig sind die verschiedenen Spuren eines lebhaften Künstlerverkehrs zwischen Italien und Deutschland; teils arbeiten deutsche Meister, wie jener Jakob Griesinger von Ulm, für italienische Kirchen, teils wandern Italiener nach Deutschland, um hier die Kunst der G. zu lernen, wie z. B. Francesco Livi aus Gambassi bei Volterra, der in Lübeck sich zu dem "besten Meister der Welt" heranbildete und für die dortige Burgkirche drei jetzt in die Marienkirche versetzte Fenster malte. Die englischen Glasmalereien aus dieser Epoche, unter andern die der Kirche von Warwick und der Kapelle Heinrichs VIII. in der Westminsterabtei, nehmen keine hervorragende Stellung ein. Hier mögen endlich auch einige Proben orientalischer G. Erwähnung finden, welche beweisen, daß die G. auch in jenen Gegenden zu hoher Blüte gelangte. Die sogen. Omar-Moschee auf dem Berg Moria in Jerusalem ist in den aus dem Mittelalter stammenden spitzbogigen Fenstern mit Glasgemälden geschmückt, welche dem 16. Jahrh. zugeschrieben werden. Aus derselben Zeit stammen auch die schönen türkischen Glasmalereien in der Moschee Solimans II. zu Stambul. Selbstverständlich halten sich die Glasmalereien, der allgemeinen Richtung des Islam zufolge, ausschließlich innerhalb der dekorativen Sphäre. Neben dieser seither fast im ausschließlichen Dienste der Religion stehenden Malerei im großen Stil bildete sich seit dem Anfang des 16. Jahrh. eine Art Kabinettsmalerei aus, welche bald eine sehr verbreitete Aufnahme fand. Der allgemeine Geschmack an Glasmalereien, später die Glaubenswirren und ein mannigfaches Begehren nach kirchlichen Reformen, wodurch bis zur Ausgleichung der Zustände die Malerei für Kirchen mehr oder weniger sistiert wurde, förderten diese neue Richtung der G., welche nun hauptsächlich nur dem Luxus der Privaten diente. Das erste selbständige Auftreten der landschaftlichen Kunst in der Malerei überhaupt bestimmte nun auch zum Teil die Aufgabe dieser Kabinettsglasmalerei, doch wurden auch viele Wappen gemalt sowie allegorische und mythologische Darstellungen. Darin ward namentlich in der Schweiz Unvergleichliches geleistet, und es haben sehr häufig Meister, wie Holbein, Urs Graf, Niclas Manuel, die beiden Stimmer u. a., Kartons (Visierungen) geliefert (s. Tafel, Fig. 18). Als wichtigstes Denkmal sei der Gemäldecyklus im Großratssaal zu Basel genannt. Vgl. Meyer, Die schweizerische Sitte der Fenster- und Wappenschenkung vom 15. bis 17. Jahrhundert (Frauenf. 1884).

Die hervorragendsten Namen von deutschen und niederländischen Glasmalern dieser Periode und solchen Künstlern, welche den damaligen Glasmalern Zeichnungen lieferten, sind: Peter Acker, in Nördlingen, um 1452; Hans Brechtel von Nürnberg, gest. 1521; Peter v. Brüell, in Köln, um 1592; Cornelius van Dalen, in Antwerpen, namentlich wegen seiner technischen Fertigkeit im Einbrennen gerühmt; Veit Hirschvogel der ältere, in Nürnberg, geb. 1461, gest. 1525, einer der besten Glasmaler seiner Zeit, nebst andern Mitgliedern dieser bekannten Künstlerfamilie; Jan Haeck, in Antwerpen; Aertgen Claessoon, in Leiden, geb. 1498, gest. 1564; Walther und Theodor Crabeth, in Gouda; Johann Daucher, um 1561, in Nürnberg; Johann Goltzius, um 1550; Rudolf Henneberg, in Würzburg, um 1597; Nicolas Juvenel der ältere, gest. 1597 in Nürnberg; Lorenz van Cool, in Delft, um 1550; Kuffens oder Kuffeus, in Gouda, um 1599; Hans Schön, in Ulm, zwischen 1495 und 1514; Willem Thibaut, in Haarlem, um 1560; Theodor van Zyl, in Utrecht, um 1560. Als bekannte französische Glasmaler aus dieser Periode sind zu nennen: Enguerand le Prince, zu Beauvais, gest. 1530; Jean Cousin, wohl der beste und fruchtbarste französische Glasmaler; Jean und Lenard Gontier, zu Troyes; Claude Henriet, in Nantes, 1551-96; Robert Heruse, in Anet; Martin Hubert, in Caen; Madrain, in Troyes, um 1585, einer der bessern Meister seiner Zeit; Robert Pinaigrier, um 1520; Nicolas le Pot, in Beauvais, um 1540, besonders in Grisaillen geschickt. Erwähnenswerte englische Glasmaler sind: John Prudde, von Westminster; James Nicholson, malte unter Heinrich VII. die Kartons zu 18 neuen Fenstern für King's College. Bekannte schweizerische Künstler dieser Periode sind: P. Anton und Barbara Abesch, Vater und Tochter; Meister Anthoni, in Basel, um 1505; Hagerich, in Chur, um 1570; Hans Kempf, in Basel, um 1551; Josias Maurer, zu Zürich, geb. 1530, gest. 1581, ein vorzüglicher Meister; Theodor Meyer, in Zürich, geb. 1571, gest. 1628, Erfinder des sogen. weichen Ätzgrundes; Michael Müller; Jakob Springlin, in Nürnberg, um 1598, unter die besten Glasmaler der Schweiz gezählt; italienische: Jakob der Deutsche, eigentlich Jakob Griesinger (s. d.), geboren in Ulm, heilig gesprochen und in Paris als zweiter