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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Finanzen).

Der Staat erhob in folgenden Perioden durchschnittlich pro Kopf (wie oben, ohne Einnahmen des Postamtes): 1821-30: 48 Schill.; 1831-40: 39 Schill.; 1841-50: 38 Schill.; 1851-60: 43 Schill.; 1861-70: 44 Schill.; 1871-1880: 40 Schill.; 1881 bis 1884: 41 Schill.

Die Quellen, aus welchen die britischen Staatseinnahmen fließen, sind von der verschiedensten Art, werden aber im wesentlichen unter Zöllen, Accise (excise), Stempelgebühren, direkten Steuern (taxes), dem Ertrag vom Post- und Telegraphendienst und den Einnahmen der Kronländereien zusammengefaßt. Die Kronländereien waren ursprünglich von großer Ausdehnung, wurden aber durch die Könige unter ihre Günstlinge verteilt oder veräußert, so daß jetzt, abgesehen von den Herzogtümern Cornwall und Lancaster, deren Einnahmen in den Säckel des Königs, bez. des Prinzen von Wales fließen, nur etwa 48,000 Hektar übrig sind, die jährlich nur 380,000 Pfd. Sterl. abwerfen. Die von Heinrich VIII. eingezogenen Kirchengüter allein warfen schon damals 273,000 Pfd. Sterl. ab. Die Grundsteuer (Land tax), die ursprünglich von allen Lehnsleuten (tenants in capite) entrichtet werden mußte, wurde 1660 durch das Parlament Karls II. mit 151 gegen 149 Stimmen beseitigt und an deren Stelle eine Brau- und Brennsteuer und ein Zoll auf Korn eingeführt. Im J. 1692 ward dieselbe jedoch wieder eingeführt und zwar im Betrag von 20 Proz. auf die Roheinnahmen von liegendem Eigentum. Gleichzeitig wurde die Ablösung dieser Steuer zugestanden. Sie trug damals in England und Schottland 2,037,627 Pfd. Sterl. ein und würde jetzt an 40 Mill. eintragen, wenn nicht noch immer die ursprüngliche Einschätzung Kraft hätte und fast die Hälfte der Steuer abgelöst worden wäre. So belief sich der Ertrag 1883-84 auf nur 1,044,858 Pfd. Sterl. Eine Haussteuer ist seit 1851 an Stelle der ältern Fenstersteuer getreten und wird von allen Häusern erhoben, deren jährlicher Mietswert 20 Pfd. Sterl. übersteigt. Wohnhäuser zahlen 9 Pence, Geschäftslokale und Pachterhäuser 6 Pence auf das Pfund Sterling Miete. Eine Einkommensteuer wurde zuerst 1798 von W. Pilt eingeführt und bis 1815 als Kriegssteuer bezahlt; 1843 wurde sie von Sir R. Peel erneuert und ist seither in wechselndem Betrag beibehalten worden. Sie beträgt jetzt 8 Pence pro Pfund Sterl. (3 1/3 Proz.) für alle Einkommen, gleichviel ob von Land, Kapital oder Erwerb. Doch sind Einkommen von unter 150 Pfd. Sterl. steuerfrei, solche von 400 Pfd. Sterl. oder weniger zahlen auf die ersten 120 Pfd. Sterl. keine Steuer. Auch Landwirte erfreuen sich einer Ermäßigung. Eine Accise ist seit 1660 von Bier und Spirituosen und 1694-1824 auch von Salz, 1712-1861 von Papier erhoben worden. Jetzt beschränkt sich dieselbe auf: Bier 6 Schill. 3 Pence pro Faß von 36 Gallons (3 Mk. 82 Pf. pro Hektoliter) bei 1,057° Würze und Spirituosen 10 Schill. pro Gallon (2 Mk. 26 Pf. pro Liter), wird aber eventuell auch auf Tabak erhoben werden, sollte dessen Anbau, der jetzt untersagt ist, gestattet werden. Lizenzen (zum Betrieb von Gewerben etc.) müssen gelöst werden von Brauern, Brennern, Tabaksfabrikanten, Essigfabrikanten, Seifensiedern, Wirten jeder Art, Tabakshändlern, Hausierern, Wildbrethändlern, Hundebesitzern, Jägern, Wagenbesitzern, Bankiers, Versteigerern u. v. a. Eisenbahngesellschaften haben 5 (für städtische Bahnen nur 2) Proz. von allen Passagierbillets zu zahlen, für welche die Fahrt 1 Penny für die engl. Meile (5,4 Pf. pro Kilometer) übersteigt.

Die Zölle beschränken sich auf wenige Artikel, und es steht ihnen entweder eine Accise oder entsprechende Stempelgebühr gegenüber. Schutzzölle kennt man nicht. Zölle werden erhoben von Bier (4 Mk. pro Hektoliter und mehr, je nach Stärke); Spirituosen (2 Mk. 26 Pf. pro Liter); Kölnischem Wasser etc. (3½ Mk. pro Liter); Wein (2 Mk. pro Liter bis zu 30°, 5 Mk. für stärkere Weine); Tabak (roh 3½ Mk. pro Pfund, Zigarren 5½ Mk. etc.); Thee (50 Pf. pro Pfund); Kakao (8 Pf. pro Pfund); Kaffee (14 Mk. pro Zentner); Zichorien (13¼ Mk. pro Zentner); Goldwaren (54 Mk. 80 Pf. pro 100 g); Silberwaren (4 Mk. 80 Pf. pro 100 g); Spielkarten (3¾ Mk. pro Dutzend Pack); getrockneten Früchten (7 Mk. pro Zentner); ferner von Chloroform, Kollodium, Chloral, Äther, Seife und Firnis, wenn sie Alkohol enthalten.

Die Stempelgebühren sind insgemein vielfältig, aber wirklich einträglich sind unter ihnen nur die Erbschaftssteuern, die als Probate, Legacy und Succession duties erhoben werden und nach dem Grade der Verwandtschaft 1-10 Proz. von der Hinterlassenschaft betragen. Nur wenn Eheleute sich beerben, wird keine Steuer bezahlt, während Erben von Realitäten (d. h. Fideikommissen) eine unverhältnismäßig niedere Steuer aufgelegt ist.

Die Einnahmen für das Jahr 1884/85 setzten sich wie folgt zusammen:

Einnahmen Pfd. Sterl. Pfd. Sterl.

Zölle:

Tabak 9376093

Spirituosen 4313837

Thee 4795843

Wein 1235200

Verschiedenes 834846 20557819

Accise:

Branntweinsteuer 13987472

Biersteuer 8554749

Gewerbesteuern etc. 3570165

Etiketten für Kaffee und Zichorienmischung 6827

Eisenbahnbillets 392397 26511612

Stempel:

Erbschaftssteuer 7720194

Wechselstempel 689950

Quittungsstempel 934381

Apothekerwaren 169968

Verschiedenes 2362692 11886185

Taxen:

Grundsteuer 1044858

Häusersteuer 1855292

Einkommensteuer 11922770 14822920

Post- und Telegraphenamt - 9638497

Kronländereien - 483306

Zinsen von Anleihen und den Suezkanalaktien - 1027350

Verschiedenes - 3145366

Zusammen: - 88073055

Direkte und indirekte Steuern, abgesehen von den Einnahmen des Post- und Telegraphenamtes, beliefen sich somit auf 72,868,000 Pfd. Sterl. (40½ Schill. pro Kopf der Bevölkerung), und dazu trugen England und Wales 58,340,000, Schottland 8,005,000 und Irland nur 6,523,000 Pfd. Sterl. bei oder bez. 43,41 und 26 Schill. auf den Kopf der Bevölkerung. Irland scheint demnach leicht besteuert, ist es aber im Verhältnis zu seinen Hilfsquellen nicht. Was indes von Irland im ganzen gilt, das gilt auch von der großen Masse der Bevölkerung Großbritanniens, und die bevorstehende Verteilung der Steuerlast wird sicherlich darauf Bedacht nehmen, die wohlhabenden