Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Harnruhr der Pferde; Harnsäure; Harnsäureinfarkt; Harnsedimente; Harnsteine

174

Harnruhr der Pferde - Harnsteine.

drohen. Nur selten scheint die Krankheit an sich, ohne daß eine Komplikation hinzutritt, durch Erschöpfung zu töten; meist schließt sich ihr eine Lungenschwindsucht oder Lungenentzündung an, manche Kranke sterben an Krebsgeschwülsten. Ebenso muß es aber auch als eine Ausnahme angesehen werden, wenn einmal eine vollständige und dauernde Heilung der geschmacklosen H. erfolgt. Unter den vielfachen, meist erfolglos angewandten Mitteln gegen die geschmacklose H. stehen das Opium und der Baldrian in erster Linie. In den meisten Fällen suchen die Kranken überhaupt keine ärztliche Hilfe nach. Vgl. Willis, Krankheiten des Harnsystems (deutsch, Eisenach 1841); Strauß, Die einfache zuckerlose H. (Tübing. 1870); Seegen, Der Diabetes mellitus (2. Aufl., Berl. 1875); Frerichs, Über den Diabetes (das. 1884); Hertzka, Die Zuckerharnruhr (Karlsb. 1884); Cl. Bernard, Leçons de physiologie expérimentale (neue Ausg., Par. 1865); Derselbe, Vorlesungen über den Diabetes (deutsch von Posner, Berl. 1878); Pavy, Researches on the nature and treatment of Diabetes (2. Aufl., Lond. 1868).

Harnruhr der Pferde, s. Lauterstall.

Harnsäure C5H4N4O3^[C_{5}H_{4}N_{4}O_{3}] findet sich frei oder an Basen gebunden im Harn des Menschen, der fleischfressenden Säugetiere, der noch saugenden Kälber und der Vögel (daher im Guano), in den Exkrementen der Reptilien und vieler Insekten, ferner in Harnsteinen, Gichtknoten, auch im Blut, in der Milz, Lunge, Leber etc. Zur Darstellung behandelt man Guano zweimal mit warmer verdünnter Salzsäure, um Ammoniak, phosphorsaure, kohlensaure und oxalsaure Salze zu entfernen, wäscht den unlöslichen Rückstand aus, behandelt ihn mit verdünnter siedender Natronlauge, welche die H. löst, fällt Verunreinigungen durch Kalkmilch und dann aus dem Filtrat die H. mit Salzsäure. Zur Reinigung löst man die H. in Kalilauge, setzt 5 Proz. chromsaures Kali zu, filtriert durch Tierkohle, fällt die H. mit Salzsäure und kocht sie mit konzentrierter Salzsäure, bis sie farblos geworden ist. H. bildet ein farb-, geruch- und geschmackloses kristallinisches Pulver, löst sich sehr schwer in Wasser, nicht in Alkohol und Äther, leicht in konzentrierter Schwefelsäure (und daraus durch Wasser unverändert fällbar), auch in kohlensauren, phosphor- und milchsauren Alkalien, reagiert sauer und gibt bei Einwirkung chemischer Agenzien zahlreiche Umwandlungsprodukte. Beim Erhitzen zersetzt sie sich in Blausäure, Harnstoff etc. Unter dem Einfluß oxydierender Stoffe, wie Salpetersäure etc., liefert sie Harnstoff und Alloxan. Letzteres gibt mit Ammoniak Murexid, und wenn man daher eine kleine Menge H. mit einigen Tropfen Salpetersäure befeuchtet und erhitzt, so färbt sich der trockne Rückstand mit Ammoniak purpurrot. Die H. bildet im allgemeinen nicht leicht lösliche Salze (Urate), aus den Lösungen der neutralen fällt Kohlensäure saure Salze. Saures harnsaures Ammoniak C5H3N4O3.NH4^[C_{5}H_{3}N_{4}O_{3}.NH_{4}] ist der Hauptbestandteil der Schlangenexkremente und findet sich auch in Fiebersedimenten, der saure harnsaure Kalk (C5H3N4O3)2Ca^[(C_{5}H_{3}N_{4}O_{3})_{2}Ca] in Harnsteinen, Harnsedimenten, besonders in Gichtknoten. Auch das saure harnsaure Natron C5H3N4O3Na^[C_{5}H_{3}N_{4}O_{3}Na] kommt in Fiebersedimenten vor. Harnsaures Lithium ist in Wasser leicht löslich, und deshalb trinkt man lithiumhaltige Mineralwässer, um gichtische Ablagerungen von Harnsäuresalzen zu lösen. Die H. ist eins der letzten Produkte, in welche die stickstoffhaltigen Substanzen durch den Stoffwechsel im tierischen Körper zerfallen; der größte Teil der im Organismus gebildeten H. wird aber alsbald weiter zersetzt, und ihr Stickstoff verläßt schließlich den Körper in der Form von Harnstoff. Jede Anhäufung von H. im Harn ist als ein Symptom der Störung des normalen Stoffwechsels zu betrachten. Technisch benutzt man die H. zur Darstellung von Murexid, welches aber durch die Anilinfarben in den Hintergrund gedrängt ist.

Harnsäureinfarkt, die Verstopfung der geraden Harnkanälchen der Nieren mit Harnsäure bei drei- bis achttägigen Kindern, gilt bei Leichen als Beweis des Lebens nach der Geburt.

Harnsedimente, die aus dem Harn nach dessen Entleerung sich bildenden Ausscheidungen, welche am Boden des Gefäßes sich absetzen. Die H. bestehen entweder aus organisierten Körpern, z. B. Schleim, Eiter, Faserstoffcylindern, Samenfäden, Epithelzellen der Harnwegeschleimhaut, Geschwulstfragmenten, welche dem Harn auf seinem Weg von den Nieren bis zum Austritt aus der Harnröhre zufällig beigemischt worden sind, oder aus nicht organisierten Stoffen, welche gelöst im Harn enthalten waren oder sich durch chemische Umsetzung aus jenen gebildet haben, z. B. Harnsäure, harnsaurem Natron, phosphorsaurem Kalk und Ammoniakmagnesia, oxalsaurem Kalk etc. Zur Erkennung der organisierten Sedimente ist das Mikroskop unbedingt erforderlich; die nicht organisierten Sedimente dagegen verlangen eine physikalisch-chemische Untersuchung, obschon man auch hier durch mikroskopische Bestimmung der Kristallformen etc. zum Ziel kommen kann. Aus sauer reagierendem Harn scheidet sich, zumal wenn er sehr konzentriert ist, beim Erkalten ein reichliches, meist ziegelrot gefärbtes sogen. Uratsediment (sedimentum latericium der alten Medizin, harnsaures Natron) ab. Dasselbe ist ein amorphes Pulver. Das Sediment verschwindet (d. h. löst sich auf), wenn man den betreffenden Harn erwärmt. Ebenso löslich ist der in sehr mannigfachen Kristallformen auftretende Harnsäureniederschlag. Wenn im sauren Harn ein weißlicher oder blaßgelber amorpher Niederschlag vorhanden ist, der sich beim Erwärmen nicht löst, dagegen bei Zusatz von etwas Essigsäure ohne Aufbrausen verschwindet, so hat man es in der Regel mit phosphorsaurem Kalk zu thun. Im sauren Harn kommen ferner kleine, glänzende Kristalle (Quadratoktaeder) in Briefkouvertform vor, welche in Essigsäure unlöslich sind; diese Kristalle sind oxalsaurer Kalk. Selten kommen reguläre sechsseitige Tafeln vor, welche aus einem organischen Körper, dem sogen. Cystin, bestehen. Geht der Harn in alkalische Gärung über, so findet man phosphorsaure Ammoniakmagnesia. Alle diese Stoffe sind normale Ausscheidungsprodukte des Körperhaushalts, ihre Bedeutung wurde früher sehr überschätzt, während wir heute in dem reichlichen Auftreten von Niederschlägen nur eine starke Konzentration des Harns, in einer absoluten Vermehrung der festen Bestandteile den Ausdruck eines gesteigerten Stoffverbrauchs erblicken. Wichtiger für die Diagnose der Krankheiten der Harnorgane selbst sind die alkalische Reaktion des frisch entleerten Harns und namentlich die organisierten Beimischungen des Harns.

Harnsteine (Calculi urinosi, Urolithi), harte, steinähnliche Körper, verschieden nach Gestalt, Größe und Farbe wie nach ihrer chemischen Konstitution, welche sich in den Harnwegen, namentlich im Nierenbecken und in der Harnblase, vorfinden und hier entstanden sind. Sie bestehen der Hauptsache nach aus verschiedenen Harnbestandteilen, welche sich um einen kleinen Kern herum abscheiden, so daß der Stein durch schichtenartige Auflagerungen wächst. Der Kern, welcher