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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Herbart

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Herbarium - Herbart.

Abänderungen zeigt, so sind auch diese besonders zu sammeln. Ist eine Pflanze in ihrem Vorkommen weit verbreitet, so ist es sehr wünschenswert, sie aus verschiedenen Ländern zu besitzen. Zur ersten Aufbewahrung der aus Exkursionen oder Reisen gesammelten Pflanzen dienen blecherne Kapseln, oder man legt die Pflanzen auch gleich an Ort und Stelle zwischen Löschpapierbogen, welche man zwischen zwei aus starkem Draht geflochtenen Netzen in ein Paket zusammengebunden tragen kann. Algen sammelt man in Glasbüchsen, in welchen man diese Pflänzchen, bez. das Wasser, in dem sie leben, vorläufig aufbewahrt. 2) Die Zubereitung der Pflanzen für das H. beginnt mit dem Einlegen und Trocknen. Nasse Pflanzen werden mit Löschpapier abgetrocknet, sehr saftige Pflanzen und Pflanzenteile in kochendem Wasser abgebrüht oder mit einem heißen Plätteisen zwischen Papier geplättet. Zum Einlegen dient trocknes Löschpapier, zwischen dessen Bogen die Pflanzen einzeln zu liegen kommen und zwar so, daß immer einige leere Bogen aufeinander folgen, deren Zahl um so größer sein muß, je dicker oder saftreicher die Pflanze ist. Die eingelegten Pflanzen müssen dann so stark gepreßt werden, daß die Bogen die Pflanzenteile verhindern, sich zu krümmen oder zu schrumpfen, ohne den Zutritt der Luft vollständig zu hindern und die Pflanzen zu quetschen. Man erreicht dies mittels einer Presse oder unter einem mit Steinen beschwerten Brett. Nach 2-3 Tagen müssen die Papierbogen durch andre ersetzt werden, wenn die Pflanzen bis dahin noch nicht völlig trocken geworden sind, und dies ist je nach Erfordernis zu wiederholen. Die vollkommen trocknen Pflanzen legt man lose in zusammengebrochene Bogen von weißem Papier oder befestigt sie auf einzelnen halben Bogen mittels dünner, gummierter Papierstreifchen. Jedes Exemplar ist mit einer Etikette zu versehen, auf welcher der vollständige botanische Name, der Fundort, die Zeit des Einsammelns und wohl auch der Sammler angegeben sein müssen. Sehr kleine Pflanzen, wie Moose, oder Pflanzenteilchen und Stückchen andrer Körper, auf denen Flechten, mikroskopische Pilze u. dgl. sich befinden, befestigt man entweder mit einem Tropfen dicken Gummischleims auf dem Papier, oder steckt sie in Papierhülsen, auf denen man die Etikette anbringt, und die man dann lose zwischen die Bogen legt oder auch auf denselben mit Stecknadeln befestigt. Die kleinen im Wasser lebenden Algen müssen mit Wasser auf Papierblättchen gebracht werden, so daß sie auf denselben auftrocknen, wenn das Wasser verdunstet, oder man bringt sie mit dem Wasser in einen flachen Teller und fängt sie auf einem Papierblatt auf, welches man auf den Boden des Tellers schiebt, oder man fixiert sie auch auf Glasplättchen, was sich für die mikroskopische Untersuchung empfiehlt. Aus den großen, fleischigen Hutpilzen muß der größte Teil ihrer innern Fleischmasse entfernt werden; man klebt dann die auf solche Weise erhaltene Haut der einen Hälfte des Hutes und der einen Längshälfte des Stiels auf Papier so übereinander, daß der Pilz gleichsam natürlich vor dem Beschauer steht. Außerdem ist aber auch noch ein dünner Längsschnitt durch einen ganzen Hut mit aufzukleben, um Gestalt und Farbe des auf der Unterseite des Hutes befindlichen Hymeniums zu zeigen. 3) Die Anordnung des Herbariums muß nach wissenschaftlichen Prinzipien erfolgen. Alle Bogen mit Exemplaren, die zu einer und derselben Spezies gehören, kommen in einen gemeinsamen ganzen Umschlagbogen, welcher auswendig an der einen untern Ecke den Speziesnamen trägt. Alle Spezies einer und derselben Gattung werden wieder in einen Umschlagbogen vereinigt, auf welchem der Gattungsname angegeben ist. Enthält eine Gattung zahlreiche Arten, so kann man die letztern behufs leichterer Auffindung alphabetisch legen. Die Gattungen aber werden nach einem allgemein anerkannten Pflanzensystem geordnet, die so erhaltenen Pakete legt man in geeignete Regale, deren Fächer man so niedrig macht, daß ein Paket von mäßiger Dicke noch bequem hinein- und herausgeschoben werden kann. Die Vorderseite der Regale verschließe man mit einer Holzthür oder schütze sie durch Vorhänge. Bei solcher Einrichtung müssen die Pakete in Pappmappen mit Bändern eingebunden sein. An der Außenseite der Mappe muß ein Schild angebracht sein, auf welchem der Inhalt nach Gattung oder Familie angegeben ist. Zur Aufstellung der Regale wähle man trockne Zimmerwände. 4) Schutz vor Zerstörung durch Insekten ist unerläßlich, wenn das H. nicht in kurzer Zeit verdorben sein soll. Kleine Herbarien geht man fleißig durch und vernichtet die etwa anzutreffenden Insekten. In größern Herbarien werden die Pflanzen mit alkoholischer Quecksilberchloridlösung vergiftet, indem man sie nach dem Trocknen darin eintaucht oder damit anstreicht, wieder zwischen Löschpapier trocknet und dann erst in das H. einlegt. Größere Herbarien kann man nicht durch eignes Sammeln zusammenbringen, sondern es ist dazu Verkehr in Tausch und Kauf nötig. Zu diesem Zweck bestehen unter den Botanikern Tauschvereine, und zahlreiche geographisch und systematisch begrenzte Sammlungen, zumal die Ausbeute botanischer Reisen in ferne Länder, sind käuflich zu erwerben. Berühmte große öffentliche Herbarien sind das von Kew bei London, das des Britischen Museums und der Linnéschen Gesellschaft zu London, die Herbarien De Candolles und Boissiers in Genf, diejenigen in Paris, Leiden, Berlin, Wien, Leipzig u. a. Vgl. Kreutzer, Das H. (Wien 1864); Mylius, Das Anlegen von Herbarien (Stuttg. 1885); Saint-Lager, Histoire des herbiers (Par. 1886).

Herbart, Johann Friedrich, berühmter Philosoph, geb. 4. Mai 1776 zu Oldenburg, wo sein Vater Thomas Gerhard H. (gest. 1809) Justizrat war, wurde hauptsächlich von seiner Mutter Lucie Margarete, geborne Schütte, einer "seltenen und merkwürdigen Frau" (gest. 1802), erzogen, am Gymnasium seiner Vaterstadt unterrichtet und bezog, 18 Jahre alt, von Fichtes Ruf angezogen, die Universität Jena. Schon als Knabe hatte er Hang zum philosophischen Nachdenken, Sinn für Naturwissenschaften, insbesondere Physik und Mathematik, und musikalisches Talent als fertiger Klavier- und Violoncellspieler (in späterer Zeit auch als Komponist) an den Tag gelegt, Eigenschaften, welche auf die Gestalt seines nachherigen Systems von Einfluß gewesen sind. Gegen Fichtes Wissenschaftslehre, deren erste Darstellung in dasselbe Semester fiel, in welchem H. (1794) nach Jena kam, legte er diesem persönlich "Bemerkungen" und in der Folge "Beurteilungen" der ersten Schellingschen Schriften vor, in welchen seine Abwendung von dem nachkantischen Idealismus deutlich erkennbar ist. Die Grundzüge eines eignen Systems, zunächst die Anwendung der Mathematik auf Psychologie, entwarf er 1798 während seines Aufenthalts als Hauslehrer in Bern im v. Steigerschen Haus, wo er pädagogische Erfahrungen sammelte und sich mit Pestalozzis Unterrichtsmethode vertraut machte. Im J. 1802 habilitierte er sich zu Göttingen, wurde 1805 außerordentlicher Professor daselbst und folgte 1809 dem Ruf als