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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Igel - Iglau.

rollt er sich aber sofort auf. Sein Gesicht ist schwach, sein Gehör aber vortrefflich ausgebildet, er ist sehr scheu und furchtsam, aber ein gewandter Jäger; bei Tage schläft er, in der Dämmerung geht er auf die Jagd und erbeutet besonders Insekten, Regenwürmer, Nacktschnecken, Wald- und Feldmäuse, Frösche, Blindschleichen, Nattern, auch kleine Vögel und selbst Junge von größern; außerdem frißt er Obst. Er bewältigt Kreuzottern, ohne daß ihm deren Bisse schaden, und frißt Spanische Fliegen, welche bei andern Tieren fürchterliche Schmerzen hervorrufen. Wohl mit Unrecht ist behauptet worden, daß der I. auch gegen Arsenik, Sublimat und Blausäure giftfest sei. Der I. paart sich im April und Mai; nach sieben Wochen wirft das Weibchen in einem wohl ausgefütterten Lager 3-6, selten mehr Junge, welche im zweiten Sommer fortpflanzungsfähig werden. Zum Winter schleppt er Stroh, Heu, Laub und Moos zusammen, indem er sich darauf wälzt und es auf seine Stacheln spießt, und bereitet aus diesen Materialien einen wirren Haufen, in welchem er bis März einen sehr tiefen Winterschlaf hält. Er ist leicht zähmbar und zur Mäusejagd zu benutzen sowie zur Vertilgung der Küchenschaben. Sein bisamartiger Geruch und das beständige nächtliche Poltern machen ihn aber zu einem lästigen Hausgenossen. Seine Hauptfeinde sind Füchse und Uhus. Sein Fleisch wird von Zigeunern gegessen, früher war es in Spanien während der Fasten gebräuchlich; man benutzte sonst auch mehrere Teile des Igels als Arzneimittel. Den alten Römern diente die Stachelhaut des Igels zum Karden der wollenen Tücher und als Hechel. Das nützliche Tier sollte überall geschont werden, ist aber infolge abergläubischer Vorstellungen manchen Verfolgungen ausgesetzt.

Igel, volkstümliche Bezeichnung der gevierten oder runden Haufen der Pikeniere gegen Reiterangriffe, wobei die langen Spieße, mit dem Schuh in die Erde gestemmt, allseitig nach außen gefällt wurden; der I. kam durch die Schweizer in Gebrauch und erhielt sich bis ins 16. Jahrh. In der Technik nennt man I. die mit Stahlspitzen besetzte Walze der Streck- und Krempelmaschinen sowie einer Art Hechelmaschinen.

Igel, Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Trier, an der Mosel und an der Linie Karthaus-Wasserbillig der Preußischen Staatsbahn, hat (1885) 457 kath. Einwohner. Dabei die Igeler Säule, ein 21½ m hohes, aus rötlichem Sandstein gebautes und mit vielen Reliefs bedecktes altrömisches Grabdenkmal der Familie der Secundiner, das schönste Römermonument diesseit der Alpen. Das Dach, welches die Form einer steilen, in geschwungener Linie ausgeschweiften Pyramide zeigt, wird von einer Art Kapitäl gekrönt, das an den vier Ecken mit menschlichen Gestalten geziert ist, und auf welchem eine von kleinen Sphinxgestalten getragene Kugel ruht. Vgl. Kugler, Kleine Schriften, Bd. 2 (Berl. 1854).

Igelbraten (schwedische, farcierte Lende, falscher Hase, Alliancebraten, ungarisches Rebhuhn), ein aus einer Mischung von gehacktem Rind-, Kalb- und Schweinefleisch hergestellter Braten, dem man die Form einer gebratenen Lende gibt.

Igelföhre, s. Kiefer.

Igelfuß (Straubfuß), ein zuweilen nach sehr bösartiger oder unzweckmäßig behandelter Mauke zurückbleibender Krankheitszustand an den Füßen der Pferde, welcher in einer schwieligen Verdickung der Haut am Fessel, selbst bis über das Fesselgelenk hinaus, besteht. Auf der verdickten Haut stehen die Haare igelborstenartig empor; es bilden sich auch oft oberflächliche Risse oder Geschwüre, die eine rötliche oder gelbliche, klebrige Flüssigkeit absondern. Behufs der Heilung werden die geschwürigen Stellen täglich einigemal mit Bleiwasser oder mit Kalkwasser oder, bei übelriechender Absonderung, mit einer 2proz. Karbolsäurelösung befeuchtet; die Verdickung der Haut wird am sichersten durch einen zweckmäßigen Druckverband (festes Bandagieren) beseitigt.

Igelkaktus, s. Echinocactus.

Igelkraut, s. Geum.

Igelshieb, Dorf im meiningischen Kreise Sonneberg, das höchste in Norddeutschland, 835 m ü. M., auf dem Thüringer Wald, hat 4 Fischperlenfabriken, eine Kartonagenfabrik, Sandsteinbrüche und (1885) 758 evang. Einwohner.

Igelskolben, s. Datura.

Igidi, Dünenregion der westlichen Sahara, die südwestliche Fortsetzung des algerischen El Areg, wurde von Caillié 1828, von Lenz 1880 durchzogen.

Igilgilis, Ort, s. Dschidschelli.

Iglau (tschech. Jihlava), Stadt mit eignem Gemeindestatut in Mähren, liegt 519 m ü. M., unweit der böhmischen Grenze, an der Iglawa, über welche eine 16 m hohe, 30 m lange steinerne Brücke mit einem einzigen Bogen führt, und an der Österreichischen Nordwestbahn, von welcher hier die Böhmische Transversalbahn nach Wessely und Tabor (noch im Bau) ausläuft. I. ist nach Brünn die größte Stadt Mährens, hat drei Vorstädte: Frauen-, Pirnitzer und Spitalvorstadt, einen großen Marktplatz mit 2 Springbrunnen und einer Mariensäule. Die bemerkenswertesten Gebäude sind: die St. Jakobskirche (mit einer 6440 kg schweren Glocke), die sehr alte Minoriten-, die Ignazkirche, die Kirche St. Johann am Hügel (799 gegründet), die 1875 erbaute protestantische Kirche, der alte Frauenthorturm etc. I. hat mit der Garnison von 771 Mann (1880) 22,378 meist kath. Einwohner (darunter fünf Sechstel Deutsche). Die Industrie der Stadt erstreckt sich von alters her vor allem auf die Tuch- und Schafwollwarenerzeugung mit Spinnerei und Appretur (zusammen über 500 Unternehmer, in der Umgebung von I. daneben mehrere große Schafwollwarenfabriken). Außerdem hat I. eine ärarische Tabaksfabrik, Dampfmühlen, Bierbrauerei, Leder-, Thon- und Glasindustrie etc. Auch treibt es ansehnlichen Handel mit Getreide, Flachs, Wolle und Tuch sowie mit Bauholz aus der waldreichen Umgebung. I. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung), eines Kreisgerichts, einer Finanzbezirksdirektion und hat ein Obergymnasium, eine Landesoberrealschule, einen Minoritenkonvent, eine Sparkasse, 2 Spitäler u. 3 Armenversorgungshäuser. Auf dem nahen Franz Karls-Berg befinden sich Parkanlagen. - I. (slaw. Iglawa, Jihlawa, mutmaßlich nach dem gleichnamigen Fluß benannt) wird schon 1174 als Sitz eines Kastellans oder Präfektus angeführt und war ein Sitz der mährischen Teilfürsten des Přemyslidenhauses. Für seine Bedeutung als alter Bergort spricht das um 1247-48 verliehene Stadt- und Bergrecht, welch letzteres weithin mustergültig ward und I. zum Oberhof in Bergsachen stempelte. Zu dieser Bedeutung gelangte der deutsche Kolonistenort Stadt- oder Neu-I. seit dem Schluß des 12. Jahrh., während Alt-I. verfiel. 1328 litt der Bergbetrieb durch ein großes Erdbeben, 1376 durch große Wasserflut. In der Hussitenzeit wehrten sich die katholischen Deutschbürger mutvoll gegen den Ansturm der Hussiten, doch verfiel seither das Bergwesen. Hier ward 5. Juli 1436 der Iglauer Vergleich abgeschlossen, worin Kaiser Siegmund die Prager Kompaktaten beschwor und als König von Böhmen anerkannt ward. In den Tagen