Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Indigo

919

Indigo (Bestandteile, Handelssorten, Benutzung, künstliche Darstellung).

schwimmen auf dem Wasser, solange sie sich noch nicht vollgesogen haben. Der I. klebt an der Zunge wie Thon, ist geruch- und geschmacklos, nicht giftig, völlig indifferent, unlöslich in allen gewöhnlichen Lösungsmitteln und zersetzt sich beim Erhitzen, ohne zu schmelzen, unter widerwärtigem Geruch und Entwickelung prächtig purpurroter Dämpfe. Beim Erhitzen an der Luft brennt er mit Flamme, und beim Einäschern hinterläßt er 4-21, in der Regel 7-9,5 Proz. weißgraue Asche. I. ist ein Gemisch verschiedener Stoffe und enthält als wesentlichen Bestandteil Indigblau, Indigotin C16H10N2O2 ^[C_{16}H_{10}N_{2}O_{2}] (bis 90, gewöhnlich 40-50 Proz.). Dieser Körper tritt bisweilen auch pathologisch im Harn, Schweiß, Eiter und in der Kuhmilch auf und kann aus Toluol künstlich dargestellt werden. Beim vorsichtigen Erhitzen kleiner Mengen von Indigopulver sublimiert das Indigblau in purpurfarbigen, kupferglänzenden Kristallen; es ist geruch- und geschmacklos, unlöslich in den gewöhnlichen Lösungsmitteln, aber löslich in Anilin, Terpentinöl, heißem siedenden Paraffin, Petroleum, Rizinusöl etc., gibt bei 300° purpurroten Dampf, bei Destillation mit Kalihydrat Anilin, mit Salpetersäure Isatin, mit konzentrierter Salpetersäure zuerst Nitrosalicylsäure, dann Pikrinsäure. Konzentrierte Schwefelsäure löst Indigblau in der Kälte zu Indigosulfosäure und Phönicinsulfosäure; durch Eisenvitriol, arsenige Säure, Schwefelwasserstoff, Schwefelarsen, Zink, Eisen, Zinn, Traubenzucker, Harn und andre leicht faulende Stoffe wird es bei Gegenwart von Alkalien zu Indigweiß C16H12N2O2 ^[C_{16}H_{12}N_{2}O_{2}] reduziert, und so entsteht eine farblose Lösung, aus welcher Indigweiß durch Salzsäure als farb-, geruch- und geschmackloses kristallinisches, in Alkohol und Äther, nicht in Wasser lösliches Pulver gefällt wird, welches durch den Sauerstoff der Luft schnell wieder in Indigblau verwandelt wird, so daß man dieses auch durch Reduktion des Indigos, Filtrieren der Lösung und Oxydation rein erhalten kann. Im Handel findet sich Indigblau als Indigextrakt oder präparierter I. Neben Indigblau enthält I. als unwichtigere Beimengungen noch Indigrot, Indigbraun, Indigleim, Spuren eines gelben Farbstoffes, kohlensauren Kalk und kohlensaure Magnesia, Thonerde und Eisenoxyd. Das Indigblau, welches, wie angegeben, in den Pflanzen nicht fertig gebildet vorkommt, entsteht wahrscheinlich aus Indikan C26H31NO17 ^[C_{26}H_{31}NO_{17}], welches den I. liefernden Pflanzen durch kalten Alkohol entzogen wird. Es bildet einen gelbbraunen Sirup, der ekelhaft bitter schmeckt, in Wasser und Alkohol löslich ist, sauer reagiert und bei Behandlung mit verdünnten Säuren in süß schmeckendes Indiglucin C6H12O6 ^[C_{6}H_{12}O_{6}] (welches den Zuckerarten sehr nahesteht) und Indigblau zerfällt.

Man benutzt I. fast ausschließlich in der Färberei, und er gibt ein sehr echtes Blau, wenn man ihn zu Indigweiß reduziert, die Garne oder Gewebe in dessen Lösung eintaucht und dann zur Oxydation an die Luft hängt, so daß sich der Farbstoff im Moment seiner Bildung mit der Faser vereinigen kann (Küpenblau). Zur Ausführung dieser Küpenfärberei reduziert man den I. mit Eisenvitriol und Kalk (Vitriolküpe), mit Operment und Kalilauge (Opermentküpe), auch wohl mit Zinkstaub oder warm mit leicht vergärenden Substanzen, wie Kleie, Krapp, Waid, Harn (warme Waid-, Pastellküpe). Die Opermentküpe benutzt man hauptsächlich in der Zeugdruckerei und erhält sie durch Auflösen von Operment (Schwefelarsen) und I. in Kalilauge. Die Lösung, welche den I. als Indigweiß enthält, wird, mit Gummi verdickt, auf das Gewebe gedruckt. Ebenfalls in der Zeugdruckerei benutzt man die Zinnküpe, welche durch Einwirkung einer Lösung von Zinnoxydul in Kalilauge oder durch Kochen von I. mit Ätznatron und Zinn erhalten wird. Man druckt auch den I. mit reduzierenden Mitteln auf das Gewebe, vervollständigt die Reduktion durch Ätzkalk-, Eisenvitriol- und alkalische Bäder und oxydiert dann das Indigweiß (Fayenceblau, Englischblau).

Auch die Löslichkeit des Indigos in konzentrierter Schwefelsäure wird technisch benutzt. Man erhält aus 1 Teil zerriebenem I. u. 9 Teilen konzentrierter Schwefelsäure (von mindestens 66° B.) oder 4 Teilen rauchender Schwefelsäure eine tiefblaue Lösung (Indigkomposition, Indigotinktur, Solutio Indici), aus welcher sich beim Verdünnen mit Wasser Indigomonosulfosäure (Sulfopurpursäure, Purpurschwefelsäure, Phönicinschwefelsäure, Indigpurpur) C16H9N2O2.SO3H ^[C_{16}H_{9}N_{2}O_{2}.SO_{3}H] abscheidet. Dies Präparat bildet ein blaues Pulver, welches sich in Wasser und Alkohol, nicht in verdünnten Säuren löst, purpurfarbene, in Wasser mit blauer Farbe schwer lösliche Salze bildet und Wolle ohne vorausgegangene Beize schön violett färbt. Bei Einwirkung konzentrierter Schwefelsäure geht die Indigomonosulfosäure in Indigodisulfosäure (Indigoschwefelsäure, Sulfindigosäure, Cöruleinschwefelsäure) C16H8N2O2.(SO3H)2 ^[C_{16}H_{8}N_{2}O_{2}.(SO_{3})_{2}] über. Diese entsteht daher auch direkt bei stärkerer Einwirkung der Schwefelsäure auf I. und bleibt beim Verdünnen der Indigkomposition mit Wasser gelöst. Aus dieser Lösung schlägt sie sich auf Wolle nieder und kann von derselben durch kohlensaures Ammoniak wieder abgezogen werden (abgezogenes Blau). Eine solche Lösung von indigodisulfosaurem Alkali dient zum Färben von Wolle und Seide (Sächsischblau), gibt aber kein so echtes Blau wie die Küpe. Die Salze der Indigodisulfosäure sind amorph, kupferfarben, in Lösung blau; die Alkalisalze sind in Wasser schwer, in salzhaltigem Wasser nur sehr wenig löslich. Wird die Lösung des Indigos in Schwefelsäure mit Wasser verdünnt, durch Absetzen geklärt, mit Soda neutralisiert und mit Kochsalz gemischt, so scheidet sich indigodisulfosaures Natron C16N2O2(SO3Na)2 ^[C_{16}N_{2}O_{2}(SO_{3}Na)_{2}], gemengt mit indigomonosulfosaurem Natron, ab, welches als Indigkarmin, blauer Karmin, lösliches Indigblau, gefällter I., Cörulein (Indigotin), Chemischblau, Wunderblau im Handel ist. Zieht man das Präparat mit Alkohol aus, so erhält man beim Verdampfen der Lösung die Salze als blaue, kupferglänzende Masse. Feiner Indigkarmin geht unter dem Namen Penseelack. Man benutzt ihn zur Woll- und Seidenfärberei, zum Färben von Elfenbein, Federn, Holz, Leder, Konditorwaren, zur Aquarellmalerei, zu blauer Tinte, mit Stärke vermischt als Neu- oder Waschblau. Die mit Indigkarmin erhaltenen Farben stehen den Küpenfarben an Haltbarkeit weit nach. I. ist auch als Arzneimittel gegen Epilepsie empfohlen worden.

Künstlich kann man Indigblau aus Steinkohlenteer darstellen, indem man nach Baeyer Toluol in Benzolchlorid verwandelt, aus diesem durch Behandlung mit Essigsäure Zimtsäure darstellt und letztere mit Salpetersäure in Orthonitrozimtsäure verwandelt. Aus letzterer stellt man mit Hilfe von Brom Orthonitrodibromhydrozimtsäure dar, welche mit alkoholischer Kalilösung Orthonitrophenylpropiolsäure liefert. Diese gibt dann bei weiterer Behandlung mit Alkali und reduzierenden Substanzen Indigblau. Das Verfahren ist bereits im großen ausgeführt worden und