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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kahal; Káhira; Kahla; Kahlberg; Kahle; Kahlengebirge; Kähler; Kahler Astenberg; Kahlköpfigkeit

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Kahal - Kahlköpfigkeit.

Kahal (Kagal, hebr., "Versammlung"), bei den polnisch-russischen Juden, wie bei den deutschen K'hilla, eine Gemeinde, die, zu rein religiösen Zwecken verbunden, ein geordnetes Gemeindewesen, Kultusbeamte, Schule, Synagoge, Friedhof, Frauenbad und ähnliche Institutionen besitzt. Diesem K. wurde von der russischen Regierung ein gewisses Selbstverwaltungsrecht eingeräumt, und er hat derselben solidarisch für seine Verpflichtungen zu haften. Seine Machtbefugnis hat der K., wie nicht zu zweifeln, manchmal mißbraucht und im zelotischen Eifer hin und wieder die ihm gesetzten Grenzen überschritten. Die ihm von Braphmann ("Der K.", Wilna 1870, und "Die hebräischen Lokal- und allgemeinen Vereine", Petersb. 1872) untergeschobenen national-religiösen Tendenzen beruhen indessen auf Mangel an genauer Kenntnis der den Juden der slawischen Länder noch anhaftenden Eigentümlichkeiten. Vgl. Schwabacher, Drei Gespenster (Stuttg. 1883).

Káhira, Stadt, s. Kairo.

Kahla, Stadt im sachsen-altenburg. Westkreis, an der Saale und an der Linie Großheringen-Saalfeld der Saalbahn, hat ein Amtsgericht, Wollspinnerei, Maschinen-, Pappe- und bedeutende Porzellanfabrikation und (1885) 3323 evang. Einwohner. In der Nähe der Berg Dohlenstein, welcher 1780 teilweise einstürzte, 1828 und 1880 merklich vorwärts rückte, und die Bergfeste Leuchtenburg, ehemals eine Strafanstalt, jetzt ein vielbesuchter Vergnügungsort.

Kahlberg, Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Danzig, auf der Frischen Nehrung, hat ein besuchtes Seebad, im Sommer täglich Dampfschiffsverbindung mit Elbing und (1885) 432 evang. Einwohner. Vgl. Fleischer, Das Ostseebad, mit besonderer Rücksicht auf K. (3. Aufl., Elbing 1873).

Kahle, Richard, Schauspieler, geb. 21. Juni 1842 zu Berlin, besuchte die Universität daselbst, wo er vorzugsweise ästhetische und philosophische Kollegien hörte, und wurde Vorleser bei dem Prinzen Friedrich von Preußen, welche Stellung er bis zum Tode desselben (1863) bekleidete. Von den Meistern der Bühne zog ihn vornehmlich Dessoir an, während er sich selbst auf dem Liebhabertheater Urania praktisch versuchte, bis er 1865 als Sprecher in der "Braut von Messina" zuerst in Pest öffentlich auftrat. Von Laube 1869 für das Leipziger Stadttheater engagiert, übte sich K. hier in den größten Aufgaben des Charakterfachs und spielte z. B. den Lear mit solchem Erfolg, daß er in Berlin nach seinem ersten Auftreten (1871) in dieser Rolle sofort engagiert wurde. Klein von Gestalt, weiß K. dieselbe durch sein ehernes Organ, hauptsächlich aber durch das klare Erfassen und die durchgeistigte Wiedergabe eines Charakters bald vergessen zu machen. Seine Vorzüge kommen am meisten in rhetorischen Rollen zur Geltung.

Kahlengebirge, der nordöstlichste, bis an die Donau reichende Ausläufer der Ostalpen in Niederösterreich, ein Teil des Wienerwaldes (s. d.). Die höchste Erhebung bildet der aussichtsreiche Hermannskogel, 542 m. Die äußersten Grenzpfeiler, zwischen Wien und Klosterneuburg an die Donau tretend, sind durch herrliche Waldszenerie und Aussichten berühmt; der eine heißt Josephs- oder Kahlenberg (mit der Kirche zum heil. Joseph und dem Örtchen Josephsdorf mit großem Hotel), 438 m hoch, der andre Leopoldsberg; letzterer steigt unmittelbar an der Donau 423 m hoch empor und trägt auf dem Grundgemäuer einer alten Burg eine Kirche, worin Johann Sobieski, Ludwig von Baden, Karl von Lothringen und andre Führer des verbündeten Heers vor der Türkenschlacht 3. Sept. 1683 den Sieg erflehten. Gegenwärtig führt von S. her eine Zahnradbahn auf die Höhe des Kahlengebirges, dessen südliche Abhänge von Weingärten bedeckt sind. Am Fuß desselben, 6 km oberhalb Wien, liegt an der Franz-Josephsbahn das Kahlenberger Dorf mit Kinderasyl und 548 Einw., wo um 1340 der durch seine lustigen Späße bekannte Pfarrer Wiegand von Theben, der sogen. Pfaffe vom Kahlenberg, Günstling Herzog Ottos des Erlauchten, lebte. Die Schwankdichtung vom "Pfaffen vom Kalenberg" ist von einem sonst unbekannten Verfasser, Namens Philipp Frankfurter, der gegen Ende des 14. Jahrh. in Wien lebte, und in mehreren alten Drucken des 15. und 16. Jahrh. vorhanden, auch in v. d. Hagens "Narrenbuch" (Halle 1811) abgedruckt. Das gleichnamige Gedicht von Anastasius Grün lehnt sich an die Volkssage an.

Kähler, Martin, protest. Theolog, geb. 6. Jan. 1835 zu Neuhausen bei Königsberg i. Pr., studierte hier Rechtswissenschaft und seit 1854 daselbst, in Heidelberg, Halle und Tübingen Theologie, habilitierte sich 1860 in der theologischen Fakultät zu Halle, wurde 1864 außerordentlicher Professor der Theologie in Bonn, 1867 zu Halle und daselbst 1879 ordentlicher Professor. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: "Das Gewissen. Ethische Untersuchung" (Halle 1878, Bd. 1); "Die Wissenschaft der christlichen Lehre" (Erlang. 1881, 2 Hefte); "Neutestamentliche Schriften in genauer Wiedergabe ihres Gedankenganges dargestellt" (Halle 1884 ff.).

Kahler Astenberg, der höchste Gipfel der Provinz Westfalen am Nordostende des Rothaargebirges, zwischen Lenne- und Ruhrquelle, neuerdings mit einem Aussichtsturm versehen, ist 830 m hoch.

Kahlköpfigkeit (Calvities) wurde von Celsus mit dem Namen der Alopecia (griech., "Fuchskrankheit") belegt und hat diese Bezeichnung in der Wissenschaft beibehalten, obgleich man darunter nicht allein die K., sondern das reichliche Ausfallen der Haare bei unvollständigem Ersatz überhaupt begreift. Man unterscheidet Phalacrosis (Kahlheit des Vorderkopfes), Ophiasis (quer über den Scheitel verlaufender kahler Strich), Opistophalacrosis (Kahlheit des Hinterkopfes), Hemiphalacrosis (halbseitige K.), Anaphalantiasis (Verlust der Augenbrauen), Alopecia areata (rundliche kahle Platte, fälschlich als Area Celsi bezeichnet). Die Ursachen der K. sind entweder erbliche Anlage, oder allgemeine Ernährungsstörungen, oder örtliche Erkrankungen der behaarten Haut. Unter den allgemeinen Störungen steht obenan das Alter mit seiner K. (Alopecia senilis), dann schwere Krankheiten, besonders Typhus, Blattern, Wochenbettfieber, dann Gemütseindrücke, heftiger Schrecken, Angst, endlich die Abzehrung infolge von Ausschweifungen, Tuberkulose und Syphilis. Als örtliche Ursachen sind zu nennen der Kopfgrind (s. d.), Bartfinne (s. d.), schwere Fälle von Kopfrose, überreichliche Talgbildung und schließlich Ernährungsstörungen, welche man in Ermangelung eines verständlichen Grundleidens als "trophisch" (d. h. Ernährungsstörung im besondern) bezeichnet hat. Die K. ist nur dann heilbar, wenn sie auf zeitweise mangelhaftem Nachwuchs beruht, wie bei Typhuskranken und Wöchnerinnen, bei leichtern Formen der Flechtenkrankheit (Herpes tonsurans) und des Kopfgrindes, kurz, sofern die Haarwurzel selbst noch erhalten ist; sobald diese zerstört oder abgestorben ist, wie im höhern Alter, so ist keins der vielen Reklamemittel im stande, einen einzigen Sproß hervorzubringen. Sorgfältige Pflege