Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kapillation; Kapillitium; Kapital

482

Kapillation - Kapital.

Stoff bei verschiedenen Flüssigkeiten verschieden; sind die Querschnitte der Röhrchen Kreise, so verhalten sich die Erhebungen oder Herabdrückungen unter sonst gleichen Umständen umgekehrt wie die Durchmesser der Röhrchen. Zwischen zwei parallelen Platten beträgt die Höhe nur die Hälfte von derjenigen in einem cylindrischen Röhrchen, dessen Durchmesser der Entfernung der beiden Platten gleich ist. Zwischen zwei in einer vertikalen Linie sich berührenden und einen sehr kleinen Winkel einschließenden Glasplatten erhebt sich eine die letztern benetzende Flüssigkeit so, daß die Oberfläche eine Hyperbel bildet. Zieht man ein Röhrchen aus einer es benetzenden Flüssigkeit heraus, so bleibt darin eine doppelt so hohe Flüssigkeitssäule hängen, als die Erhebung der Flüssigkeit in dem eingetauchten Röhrchen betrug. Ragt ein in eine es benetzende Flüssigkeit eintauchendes Kapillarrohr aus derselben weniger hoch hervor, als die Kapillarsäule sich darin zu erheben vermag, so tritt diese gleichwohl nicht aus der obern Öffnung aus, sondern steigt nur bis zum Rande derselben und verflacht dann ihren Meniskus, bis das Gleichgewicht eingetreten ist. Ein Tropfen in einem kegelförmigen Haarröhrchen oder zwischen zwei geneigten Platten bewegt sich, wenn er die Wandung benetzt, nach den engern Raumteilen hin; denn der weitere Meniskus hat weniger Krümmung als der engere, übt daher einen größern Druck als dieser aus. Für nicht benetzende Flüssigkeiten gilt überall das Gegenteil. Die neuesten Untersuchungen über die K. haben ergeben, daß der Randwinkel, d. h. der Winkel, unter welchem die Flüssigkeit sich gegen den Rand absetzt, sehr veränderlich ist, daß Gestalt und Dicke der Wand Einfluß auf die Steighöhe und Senktiefe haben, und daß die Art der Wand selbst bei bester Benetzung Einfluß äußert. Der Kapillaritätskoeffizient wird ausgedrückt entweder durch die Steighöhe (Senktiefe) in cylindrischen Röhren von 1 mm Halbmesser: a², oder durch das von 1 mm Begrenzungslinie gehobene (niedergedrückte) Flüssigkeitsgewicht: ^[img] (wenn s das spezifische Gewicht bedeutet), oder durch die Höhe des Ansteigens (Niedersinkens) an vertikaler Wand: a, oder durch das Gewicht des größten an einer Fläche vom Umfang U hängen bleibenden Tropfens G = U·α. Auf die Größe des Kapillaritätskoeffizienten hat die Reinheit (besonders die oberflächliche) der Flüssigkeit und der Wand, die Anwesenheit leicht kondensierbarer Dämpfe den größten Einfluß. Mit steigender Temperatur (t) nimmt der Kapillaritätskoeffizient ab; so ist die Steighöhe für Wasser a² = 15,3321 - 0,0280396 t. Lange glaubte man, das Wasser habe den größten Kapillaritätskoeffizienten; aber Salmiaklösung und Chlorlithiumlösung haben einen etwas größern, und sehr bedeutend ist er bei Metallen, Salzen und andern Körpern bei deren Schmelztemperatur. Die Kapillarattraktion erklärt das Aufsteigen von Flüssigkeit in porösen Körpern (Ackererde, Mauern, Schwämmen, Papier, Tüchern, Dochten etc.).

Kapillation (lat.), haarfeiner Spalt.

Kapillitium (lat.), das wollige Haargeflecht, welches bei den Bauchpilzen das Sporenpulver der Fruchtkörper durchsetzt (s. Pilze).

Kapital, ein erst seit dem Mittelalter in der deutschen Sprache eingebürgertes Wort, unter welchem man eine zum Ausleihen bestimmte, eine Einnahme von Zinsen versprechende Geldsumme verstand (capitale, caput pecuniae als Übersetzung des griechischen Wortes kephaleion ^[κεφαλειον] früher im Deutschen "Hauptgeld"; als Gegensatz hierzu: tokos ^[τοκος] "das Geborne", usurue, "die Zinsen"). Der Sprachgebrauch hält an dieser Auffassung noch vielfach fest und betrachtet die Begriffe K., Geldkapital, Leihkapital als gleichbedeutend.

Man nennt einen Kapitalisten denjenigen, dessen Einnahmen ganz oder überwiegend aus Zinsen bestehen. Unter Kapitalisierung versteht man die Umrechnung von Renten, welche in verschiedenen Zeitpunkten eingehen, in eine auf einmal fällige Summe (Diskontierung von zeitlich begrenzten oder von ewigen Renten). Doch kapitalisiert man auf diese Weise nicht allein Leihzinsen und feste Geldrenten, sondern auch Erträge von Grund und Boden, Häusern etc. Die durch die Rechnung gefundene Summe stellt dann die Kapitalgröße dar, zu welcher der die Rente abwerfende Gegenstand zu veranschlagen ist. Auch wendet man den Ausdruck Kapitalisierung (oder Kapitalisation) oft dann an, wenn eine Geldsumme erspart und durch zinsbare Anlegung nutzbar gemacht wird. Und infolge davon, daß im Geld als Preismaßstab alle Vermögensgegenstände wirtschaftlich beziffert werden, hat man sich auch daran gewöhnt, die Begriffe Geld und K. als einander schlechthin deckend zu betrachten. In der Nationalökonomie ist es üblich geworden, unter Kapitalien, als Gegensatz zur Arbeit, alle preiswürdigen Güter zu bezeichnen, welche als Hilfsmittel des Wirtschaftsbetriebs dienen. In diesem Sinn wären Roh- und Hilfsstoffe, Werkzeuge, Geräte, Maschinen etc. Kapitalien und zwar nur, wenn sie wirklich produktiv verwertet werden. Über die Frage des Kapitalseins würde dann teils die Beschaffenheit des Gegenstandes (als Genußmittel sind manche Dinge überhaupt nicht zu benutzen, wie z. B. Guano, oder sie lassen nur eine unvernünftige, unwirtschaftliche Verwertung zu), teils auch der Wille des Besitzers (der Ochs kann als Zugtier verwendet, aber auch verzehrt werden) entscheiden. In erweiterter Bedeutung nennt man auch Kapitalien alle Güter, welche einer produktiven Anwendung fähig sind, und spricht insofern von totem, brach liegendem K., von der Kapitalverzehrung etc. Die meisten Kapitalgegenstände sind unter Mitwirkung menschlicher Arbeit entstanden. Man hat deshalb auch, indem man gleichzeitig die Kapitalgröße durch die auf die Erzeugung verwendete Arbeit bemessen wissen wollte, das K. schlechthin "angesammelte Arbeit" genannt. Doch ist die Gesamtheit der Arbeitsleistungen, aus welchen ein Gut hervorgeht, keineswegs immer gleich der Summe, zu welcher wir letzteres beziffern. Auch können ohne menschliche Hilfe entstandene Naturobjekte als wertvolle Kapitalien Verwendung finden, wie z. B. Holz, landwirtschaftliches Gelände. Nach der erwähnten Auffassung ist auch Geld als K. zu betrachten und zwar sowohl von privatwirtschaftlichem (Erwerbs-, Zahlmittel) als auch von volkswirtschaftlichem Standpunkt aus, indem dasselbe für Erhaltung des Tauschgetriebes und des ganzes Ganges der gesamten Produktion unentbehrlich ist. Oft spricht man auch vom Kapitalwert des Menschen, indem man darunter die Summe seiner Erziehungs- und Bildungskosten begreift; doch ist der Ausdruck unzutreffend, weil die Kapitalien nicht immer nach ihren Herstellungskosten bemessen werden. Allerdings kann je nach Sitte und Recht auch der Mensch als Sklave und Handelsartikel den sachlichen Mitteln des Wirtschaftsbetriebes ganz gleichgestellt sein; doch sind für unsre heutigen Anschauungen und Rechtszustände die Begriffe Mensch und Arbeiter auf der einen, Maschine und Arbeitsvieh auf der andern Seite voneinander streng gesondert zu halten.