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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Käse

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Käse (als Nahrungsmittel, im Handel).

Der K. ist ein wertvolles Nahrungsmittel. Kleine Mengen von K. befördern die Verdauung, reizen den Appetit und vermehren den Durst; große Quantitäten können bei sonst guter Beschaffenheit schädlich werden, indem sie Verdaungsbeschwerden ^[richtig: Verdauungsbeschwerden] mehrfacher Art erzeugen. Für Kinder ist K. kein passendes Nahrungsmittel. Um den im Handel vorkommenden K. zu prüfen, hat man sogen. Käsestecher oder Käsebohrer, mit welchen man ein cylindrisches Stückchen von 1,3 cm Durchmesser aus der Mitte des Käses herausholen kann. Nach vorgenommener Probe steckt man den Cylinder wieder sorgfältig in das Loch, so daß die Rinde wieder geschlossen wird. Um den K. möglichst lange zu erhalten, bewahrt man ihn an einem kühlen, feuchten, aber nicht dumpfigen Ort auf, bestreut ihn wiederholt mit Salz oder umhüllt ihn mit Lappen, welche mit Wein oder Rum befeuchtet werden. Der Rum tötet auch die Käsemilbe, welche besonders in allem harten K. häufig vorkommt und ihn stellenweise vollständig in ein lockeres Pulver, aus ihren Hautbälgen und Exkrementen bestehend, verwandelt. Die im K. vorkommenden Maden sind die Larven der Käsefliege, seltener der Stubenfliege. Unter gewissen, noch nicht ermittelten Verhältnissen bringt der Genuß des Käses Vergiftungserscheinungen hervor. Man hat dies namentlich bei Handkäse beobachtet und glaubt, daß das Käsegift sich besonders dann bildet, wenn man den Quark, ehe man ihn salzt, längere Zeit mit überschüssiger saurer Molke durchfeuchtet liegen läßt, um die spätere Reife zu beschleunigen. Über die Natur des Käsegiftes ist nichts Näheres bekannt, vielleicht ist es dem Wurstgift verwandt. Der K. spielt im Handel eine große Rolle, und besonders der englische Chester-, der holländische Kugelkäse und die Schweizer Käse haben für den Welthandel hohe Bedeutung. Die Käsefabrikation der Schweiz, früher mehr eine Eigentümlichkeit der Alpen und des westlichen Jura, hat sich jetzt über die ganze ebene Landschaft zwischen beiden Gebirgszügen ausgebreitet. Dies wurde nur möglich durch Association der kleinern Viehbesitzer. Die sogen. Gemeindekäsereien bestehen in zwei Formen: entweder liefern die Viehbesitzer ihre Milch vertragsmäßig an einen Unternehmer, der die Fabrikation und den Verkauf des Käses für eigne Rechnung betreibt, oder es besteht ein Gesellschaftsvertrag, der die Vergütung der Teilnehmer für gelieferte Milch, ihre Beitragspflicht zu den Betriebskosten und ihre Ansprüche an den Erlös für den erzeugten K. regelt, dessen Fabrikation durch Gesellschaftsangestellte betrieben wird. Der Vorteil, welchen diese Gemeindekäsereien gewähren, liegt auf der Hand: die Milchproduktion wird durch sie gehoben, die Bereitung des Käses wird billiger, und für die Güte desselben ist mehr Garantie geboten als im kleinen Einzelbetrieb. Die bevorzugten und in überwiegender Menge dargestellten Schweizer Käse sind die Emmenthaler aus dem Emmenthal und andern Thälern des Kantons Bern, der noch feinere K. aus dem Bezirk der Stadt Gruyères im Kanton Freiburg (welcher besonders in den Vogesen, der Franche-Comté und der Dauphiné gut nachgeahmt wird). Ihnen am nächsten steht der Simmenkäse. Halbfette und magere K. werden meist nur für den Konsum im Land hergestellt, z. B. die wohlschmeckenden Schweizer Weichkäse, der Bellelay und der Vacherin, haben für den Handel nur geringe Bedeutung, während der Schabzieger sehr weit verschickt wird. Von besonderer Wichtigkeit ist auch die Käsefabrikation Englands. In der Grafschaft Chester und einigen nahe gelegenen Orten von Shropshire beträgt die jährliche Produktion 11-12 Mill. kg, und es werden 92,000 Stück Kühe ausschließlich behufs der Käseproduktion gehalten. Die wichtigsten englischen K. sind außer dem Chester- der Cheddar- und Stiltonkäse. Frankreich zeigt eine größere Mannigfaltigkeit in seinen Käsen als irgend ein andres Land und liefert namentlich die feinsten Weichkäse, wie den Roquefortkäse, den K. von Brie, den Neufchâtelkäse, den Gex (fromage persilié) aus dem Departement Ain, der vielfach als Roquefort in den Handel kommt. Languedoc, Forez, Auvergne und Dauphiné liefern den meisten K.; aber auch hier übersteigt die Einfuhr bedeutend die Ausfuhr. Dagegen exportiert Holland, dessen K. sich durch große Dauerhaftigkeit auszeichnen (Edamer, d. h. der gesamte nordholländische und friesische K.), viel mehr als es einführt. Ein vortrefflicher Weichkäse Hollands ist der Goudaer. Belgien liefert den bekannten Limburger K., der in der Gegend von Hervé (Provinz Lüttich) dargestellt wird. In Italien ist die Käsefabrikation besonders in der Lombardei von Wichtigkeit. Der Parmesankäse, welcher in der Gegend von Bergamo, Pavia und Cremona verfertigt wird, erlangt seine volle Güte erst in 2-4 Jahren, während der Stracchino- oder Schachtelkäse, welcher in derselben Gegend im September und Oktober, wenn die großen Schwyzer Kühe gekalbt haben, dargestellt wird, nur von kurzer Dauer ist. Er wird nur im Winter versandt; die Sorte in größern runden Stücken heißt Gorgonzola. Die Lombardei liefert auch viel Schafmilchkäse. Deutschland hat für den Großhandel mit K. wenig Bedeutung. Am Niederrhein werden die verschiedenen auf dem Markt beliebten Sorten holländischer K. gerade so gut wie in Holland selbst erzeugt. Diese seit langer Zeit heimisch gewordene Industrie setzt auch bereits ihre Produkte an größere Käsehandlungen ab und hat in den letzten Jahrzehnten bedeutend an Ausdehnung und an Qualität der erzeugten Ware gewonnen. Auch Ostfriesland liefert eine große Menge schöner K. für den Export, Emden allein versendet jährlich für mehr als 30,000 Mk. Im Algäu findet man eine Käseindustrie, die derjenigen der Schweiz sehr nahe kommt. Sie macht der schweizerischen erfolgreiche Konkurrenz und hat die belgischen K. bereits verdrängt. Der Hauptgrund, weshalb bei uns die Käsefabrikation noch so wenig Verbreitung gefunden hat, liegt nicht im Mangel geeigneten Materials, sondern in der Unkenntnis der Fabrikation. Denn wenn auch die Milch des Weideviehs besser und käsereicher ist als die der im Stall gefütterten Tiere, so liegt doch der Unterschied in der Feinheit und dem Geschmack der einzelnen Käsesorten hauptsächlich in der Methode der Käsebereitung, bei welcher eine dem Anschein nach nur leichte Modifikation dem Produkt eine wesentlich verschiedene Beschaffenheit erteilt. In Amerika sind durch den Genossenschaftsbetrieb sehr günstige Resultate erzielt worden. New York, Ohio, Vermont, Connecticut, Maine, New Hampshire, Massachusetts, Pennsylvanien, Michigan und Illinois produzieren den meisten K., welcher nach England, Westindien und Südamerika exportiert wird. K. wurde bereits im Altertum dargestellt und zwar besonders Schaf- und Ziegenkäse. Zur Zeit des Plinius unterschied man viele Sorten. Aristoteles spricht von der Verwendbarkeit verschiedener Labsorten, Varro behandelt den Einfluß des Futters und andrer Umstände auf die Beschaffenheit des Käses, und Columella erörtert spezielle Fragen der Technik. Römische Schriftsteller erwähnen bereits die Käsebereitung in manchen Gegenden des