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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kerbholz - Kerguelenland.

seinem Bellen erzitterte die Unterwelt. Orpheus besänftigte ihn jedoch durch die Macht seiner Leier, und Herakles bezwang ihn durch seine Kraft und schleppte ihn gefesselt auf die Oberwelt. Diese Szene findet sich mehrfach auf Vasenbildern, welche die Unterwelt darstellen, z. B. auf einer Amphora der Münchener Sammlung (s. Abbildung). Aus dem seinem Rachen entströmenden Giftschaum erwuchs hier die Pflanze Aconitum. Vgl. auch die Abbildung bei "Pluton".

Kerbholz (Kerbstock), ehedem weitverbreiteter Notbehelf für Erinnerungen aller Art, als Seitenstück der Knotenknüpfung (s. d.), namentlich aber für gegenseitige Abrechnung im Geschäftsverkehr. Es bestand aus zwei gleich großen Holzstäbchen, deren eins dem Gläubiger, das andre dem Schuldner gehörte, und die jedesmal, wenn ein Posten zu notieren war, genau aneinander gelegt und gemeinschaftlich eingekerbt wurden, um nach der Zahl der Kerbschnitte die Abrechnung vornehmen zu können. Die Kerbhölzer galten bis im vorigen Jahrhundert in England als gerichtliche Beweisstücke und sind bei uns auf dem Lande, bei Müllern, im Bergbau etc. hier und da noch heute im Gebrauch. Daher die Redensart: "Bei einem etwas auf dem K. haben" u. a. Vgl. Hausmarke.

Kerbogha, türk. Emir, stürzte die Söhne Muslims des Ukeiliden, Ali und Mohammed, und bemächtigte sich der Herrschaft von Mosul. 1098 zog er im Auftrag des Seldschukkensultans Barkijarok mit einem großen Heer zur Befreiung Antiochias von den Kreuzfahrern aus, versäumte jedoch mit einer vergeblichen Belagerung Edessas so viel Zeit, daß Antiochia unterdessen fiel (,3. Juni). Er schloß nun das Kreuzheer ein und brachte es durch Hungersnot in große Bedrängnis, wurde aber bei einem Ausfall 28. Juni völlig geschlagen und mußte nach Mosul zurückkehren.

Kerbschnitt, eine sehr alte, mit dem Messer ausgeführte Art der Flächenverzierung in Holz, welche sich selbst bei Völkern der niedrigsten Kulturstufen (Südseeinsulanern) vorfindet. Man unterscheidet dabei einen Drei- und Vierschnitt, einen mandelförmigen Zweischnitt und einen furchenförmigen Schnitt. Zur höchsten Ausbildung gelangte der K. an den Küstengegenden des nördlichen Europa, wo er schon seit dem frühen Mittelalter betrieben wurde. Die ältesten erhaltenen Kerbschnittarbeiten gehören dem 13. Jahrh. an. Neuerdings ist die Technik wieder belebt worden und findet unter Anwendung von mehreren Werkzeugen (Schnitzmesser, Hohleisen, Stechbeutel etc.) zur Dekoration von Rahmen, Deckeln, Kästchen u. dgl. Verwertung. Die Arbeiten werden gebeizt. Die Muster sind meist geometrische. Vgl. Grunow, Kerbschnittvorlagen (Leipz. 1884).

Kerbtiere, s. v. w. Insekten (s. d.).

Kercha (der Choaspes der Alten), Fluß im westlichen Persien, entspringt am Dalahogebirge, fließ in südwestlicher, dann südlicher Richtung, indem er in wilden Felsklüften das Gebirgsland von Luristan durchbricht, tritt, nachdem er links den Karasu und den Chaschgun aufgenommen, in die große Ebene Chusistans und mündet auf türkischem Gebiet links in den Schatt.

Kerckhoven, Petrus Frans van, vläm. Dichter und Schriftsteller, geb. 11. Nov. 1818 zu Antwerpen, studierte zuerst Medizin, widmete sich dann dem Handel und ward 1849 Beamter bei der Gemeindeverwaltung seiner Vaterstadt, wo er 1. Aug. 1857 starb. Er gründete 1840 den "Noordstar", redigierte später das "Kunst- en Letterblad" und von 1847 bis 1857 "De Vlaemsche Rederyker" und lieferte zahlreiche Dichtungen, Lust- und Trauerspiele, novellistische Arbeiten und Romane, von denen mehrere, z. B. "Daniel" und "Ferdinand, der Seeräuber", auch wiederholt ins Deutsche übertragen worden sind. Seine "Volledige werken" erschienen in 13 Bänden (Antwerpen 1869-73).

Kerckringsche Falten, die nach dem Hamburger Arzt Theodor Kerckring (gest. 1693) benannten halbmondförmigen Schleimhautfalten, welche quer in die Höhle des Dünndarms hineinragen und die Oberfläche der Schleimhaut um etwa die Hälfte vergrößern.

Kerékgyártó, Árpád, namhafter ungar. Geschichtschreiber, geb. 19. Juni 1818 zu Jászberény, gegenwärtig Professor an der Universität in Budapest; schrieb (in ungarischer Sprache): "Kulturgeschichte Ungarns" (Pest 1859-65, 2 Bde.; neu bearbeitet 1880); "Handbuch der Geschichte Ungarns" (das. 1866-1874, 7 Bde.); eine Übersicht der Geschichte Ungarns, von 884 bis 1849 ("Hazánk évlapjai", das. 1875); "Die wichtigsten Tage Ungarns" (das. 1882); "Stephan Széchényis Leben" (Preßb. 1883).

Keren (griech.), bei den griech. Dichtern die Göttinnen des Verhängnisses, besonders des im Krieg erlittenen Todes, die mit Ares, Enyo, Kydoimos und Eris das Schlachtfeld durcheilen, die Gefallenen mit ihren Krallen ergreifen und in den Hades liefern. Sie sind die Töchter der Nacht und die Schwestern des Todes, oft auch identisch mit diesem, und dienen dann überhaupt zur Bezeichnung alles Furchtbaren und Vernichtenden. Abzehrende Sorgen und Leiden; verderbliche Seuchen u. dgl. heißen bei den Dichtern ebenfalls K.

Keren, Hauptort der Boaos (s. d.) in Abessinien.

Kerensk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Pensa, an der Kerenka und am Wad, mit 5 Kirchen, einem Nonnenkloster und (1880) 12,423 Einw.

Keretj, See im russ. Gouvernement Archangel, Kreis Kem, 404 qkm (7,34 QM.) groß. Sein Ausfluß, der Fluß K., mündet nach einem Laufe von 52 km ins Weiße Meer und ist bekannt durch die in ihm vorkommenden schönen Perlen.

Kerfe, s. v. w. Insekten.

Kerguelenland (spr. kerghlen-), unbewohnte Insel im Südindischen Ozean, unter 48° 30'-49° 44' südl. Br. und 68° 46'-70° 33' östl. L. v. Gr., umfaßt etwa 3414 qkm (62 QM.), wird von zahlreichen Inseln (130) und Klippen (160) umgeben, hat zahlreiche, tief ins Land einschneidende Buchten (Christmas Harbour mit dem merkwürdigen Arched Rock, Cumberland-, White-, Rhodes-, Whalo-, Hillsboroughbai, Royal Sound u. a.), die vortrefflichen Ankergrund darbieten, und ist durchweg gebirgig. Die größten Erhebungen, vulkanische Berge, liegen im S., wo der Mount Roß, mit ewigem Schnee bedeckt, bis zu 1865 m sich erhebt. Zahlreiche Gletscher steigen von den Bergen in die Schluchten und Thäler herab und überdecken das basaltische oder porphyrische Gestein, aus welchem K. größtenteils besteht. Auffallend ist das Vorkommen von fossilem Holz und jüngern Kohlen in 1,5 m starken Lagen. Bäume fehlen; die größte Pflanze ist der eßbare, nur hier allein vorkommende Kerguelenkohl (Pringlea antiscorbutica), eine riesige Krucifere. Im ganzen kennt man 1500 verschiedene Arten, von denen 2 Phanerogamen und 20 Kryptogamen einheimisch sind. Landtiere besitzt K. nicht; die Meeresfauna ist trotz der großen Abnahme der Wale und Robben (früher waren hier 200 Fahrzeuge beschäftigt, jetzt kaum ein halbes Dutzend) noch immer sehr bedeutend, und Scharen von Seevögeln beleben die Küsten. Die Meeresfauna zeigt Verwandtschaft mit der von Tasmania und der Magelhaensstraße.