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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lippe

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Lippe (Fluß) - Lippe (Grafen zur).

an. 1819 gab sie dem Land eine Repräsentativerfassung, in welcher alle Klassen der Unterthanen zur Wahl der 21 Landtagsabgeordneten konkurrieren sollten. Diese Verfassung fand jedoch bei der Ritterschaft und bei Schaumburg-L., welches seine agnatischen Rechte bei dieser Frage für interessiert erklärte, heftigen Widerspruch; sie sträubten sich gegen Vertretung des Bauernstandes. Nachdem Paul Alexander Leopold 4. Juli 1820 die Regierung selbst übernommen, wurde nach langen Verhandlungen 1836 eine neue Verfassungsurkunde vereinbart und 6. Juli publiziert. 7 Abgeordnete der Ritterschaft bildeten die erste Kurie, 14 von den Städten und dem platten Lande die zweite. Der Landtag erhielt nur das Recht der Steuerbewilligung und Aufsicht über die Landeskasse. Bei der Gesetzgebung wurde dem Landtag die entscheidende Stimme vorenthalten; dennoch sind unter seiner Mitwirkung segensreiche Gesetze zu stande gekommen, wie 1843 die Städte- und Landgemeindeordnung und ein Kriminalgesetzbuch. Der definitive Anschluß an den Zollverein erfolgte 1842. Die Bewegung von 1848 ließ auch L. nicht unberührt, doch erfolgte die Neugestaltung des Staatswesens meist in friedlicher Weise. Ein neues demokratisches Wahlgesetz und ein Gesetz über Vereinigung der beiden Kurien zu einem Landtag wurden unterm 16. Jan. 1849 vollzogen. Hinsichtlich der Reichsverfassung sprach sich L. für die Übertragung der Kaiserkrone an Preußen aus. Nach dem Tode des Fürsten (1. Jan. 1851) folgte dessen Sohn Paul Friedrich Emil Leopold. Der in Deutschland herrschenden reaktionären Strömung nachgebend, führte er ohne Zustimmung des Landtags die Verfassung von 1836 wieder ein (März 1853). Als der oldenburgische Staatsrat Hannibal Fischer 1853 das Ministerium übernahm, wurden im Verordnungsweg eine Menge der 1849-51 vereinbarten Gesetze aufgehoben. Dasselbe System behielt der Minister v. Oheimb (seit 1854) bei. Zwar kamen seit 1856 die Stände wenigstens regelmäßig jedes Jahr zusammen, allein von einer Einigung mit der Regierung und gedeihlichem Zusammenwirken dieser letztern und der Stände war keine Rede. Am entschiedensten richtete sich der Unwille der liberalen Partei gegen ein Gesetz vom Jahr 1867, welches die Staatsdomänen für ein Familienfideikommiß des jeweiligen Landesherrn erklärte. Beim Ausbruch des deutschen Kriegs im Sommer 1866 stand L. von vornherein zu Preußen. Das lippesche Bataillon war mit der Mainarmee vereinigt und kämpfte bei Kissingen tapfer an der Seite der Preußen. Nach dem Abschluß der am 1. Okt. 1867 in Kraft getretenen Militärkonvention mit Preußen ward Oheimb entlassen. Am 1. April 1872 übernahm der bisherige (preußische) Landesdirektor des Fürstentums Waldeck, v. Flottwell, das Ministerium und versuchte, da das Land auf seiner Weigerung, nach dem Wahlgesetz von 1836 zu wählen, beharrte, einen Landtag auf Grund des Gesetzes von 1849 zu berufen. Als auch dieser Versuch scheiterte, griff er wieder auf das Gesetz von 1836 zurück; doch auch dies war vergeblich. Mißmutig legte er 1. Jan. 1875 sein Amt nieder. Als Fürst Leopold 8. Dez. d. J. kinderlos starb, folgte ihm sein Bruder Günther Friedrich Woldemar. Dieser war aufrichtig bestrebt, dem verfassungslosen Land endlich zu einer Konstitution zu verhelfen. 1876 fand nach einer provisorischen Wahlordnung die Neuwahl eines Landtags statt, welcher 17. Mai fast einstimmig das Wahlgesetz genehmigte, worauf dasselbe 3. Juni publiziert wurde. Damit war der Konflikt vorläufig beendet. Die liberale Mehrheit des Landtags hielt aber die Wünsche des Landes noch nicht für erfüllt und verlangte eine neue, freiere Verfassung. Noch wichtigere Ereignisse aber stehen dem Land für den Fall des Todes des Fürsten Woldemar bevor, da mit ihm die fürstliche Linie des Hauses L. erlischt und die Erbfolgefrage zweifelhaft ist. Vgl. Falkmann, Beiträge zur Geschichte des Fürstentums L. (Lemgo 1847-69, 3 Hefte); Derselbe, Lippesche Regesten (Detmold 1861-63, Bd. 1 u. 2); Derselbe, Graf Simon zur L. und seine Zeit (das. 1882-87); Piderit, Die lippeschen Edelherren im Mittelalter (das. 1876); Weerth und Anemüller, Bibliotheca lippiaca (das. 1886).

Lippe (Luppia), rechter Nebenfluß des Rheins in Westfalen, entspringt bei Lippspringe am Osning oder Lippeschen Wald, 127 m ü. M., fließt zwischen flachen, oft überschwemmten Ufern gegen W., nimmt im obern Lauf bei Neuhaus die Alme und die Pader, weiterhin links die Ahse (bei Hamm) und die Seseke (bei Lünen), rechts die Stever auf und mündet, 60 m breit, bei Wesel in 16 m Höhe. Von Boke an ist der Fluß mit Hilfe von acht Schleusen schiffbar; seine Länge beträgt 255 km.

Lippe, 1) Leopold, Graf zur, aus der Linie L.-Biesterfeld-Weißenfeld, preuß. Justizminister, geb. 19. März 1815 zu See bei Görlitz, besuchte 1828-1836 das Joachimsthalsche Gymnasium, 1836-39 die Universität in Berlin, wo er die Rechte studierte, trat in den preußischen Justizdienst, ward 1849 Staatsanwalt erst in Friedeberg in der Neumark, dann in Kottbus, 1851 in Potsdam, im März 1860 Rat beim Appellationsgericht in Glogau, unmittelbar darauf aber wieder erster Staatsanwalt beim Stadtgericht in Berlin und 1861 Oberstaatsanwalt beim Kammergericht. Nach dem Sturz der "neuen Ära" trat er 17. März 1862 als Justizminister in das Ministerium Hohenlohe und ward 17. Mai zum Kronsyndikus und Mitglied des Herrenhauses ernannt. Obwohl er für den Richterstand in Preußen mancherlei that, auch eine Ermäßigung der Gerichtskosten herbeiführte, war er neben Mühler das am meisten angegriffene, ja verspottete Mitglied des Konfliktsministeriums, da er, der Vertreter der Justiz, sich zum willigen Werkzeug der Bismarckschen Gewaltmaßregeln hergab, den Obertribunalsbeschluß gegen die Redefreiheit der Abgeordneten durch willkürliche Berufung von Hilfsarbeitern ermöglichte, gegen die Unabhängigkeit des preußischen Richterstandes mit brutalen Maßregeln vorging, sich sehr ungeschickt im Abgeordnetenhaus bei der Verteidigung seiner Verwaltung benahm und die notwendigen Justizreformen nicht förderte. Als daher Bismarck 1866 Frieden mit der liberalen Majorität des Abgeordnetenhauses schloß, suchte er sich des höchst unpopulären L. zu entledigen, was ihm aber erst 5. Dez. 1867 gelang. Seitdem war L. ein erbitterter Gegner der Bismarckschen Politik und trat im Herrenhaus der Begründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs sowie der kirchenpolitischen Gesetzgebung als eifriger Vertreter partikularistischer und konservativer Interessen entgegen.

2) Armin, Graf zur L.-Biesterfeld-Weißenfeld, Landwirt, geb. 15. Okt. 1825 zu Oberlößnitz bei Dresden, erlernte die Landwirtschaft auf dem Rittergut Steudach bei Eisfeld, studierte seit 1847 in Jena Land- und Volkswirtschaft, administrierte dann mehrere Güter im sächsischen Vogtland, pachtete nach fünf Jahren zwei derselben und kaufte nach