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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Magdeburg

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Magdeburg (Stadt).

Kirchen überragt sämtlich der erhabene Dom, ein Bauwerk gotischen Stils, aber noch erfüllt von romanischen Bildungen. Das jetzige Gebäude wurde nach dem Brande des von Otto d. Gr. erbauten Doms 1207 auf derselben Stelle begonnen; der älteste Teil, das hohe Chor, enthält noch antike Säulen aus dem frühern Dom. Traditionell wird als Baumeister Bonensack genannt. 1363 erfolgte die Einweihung durch Erzbischof Dietrich, aber erst 1520 waren auch die Türme vollendet. Der Grundriß des Gebäudes zeigt das von W. nach O. gerichtete lateinische Kreuz; die ganze Länge beträgt 120 m, die innere Länge 114,8 m. Mit den beiden je 9,4 m breiten Nebenschiffen beträgt die ganze lichte Breite 31,4 m, ebensoviel wie die Höhe des Hauptschiffs, welches von zwölf gewaltigen Pfeilern getragen wird und den erhabensten Eindruck von der Kapelle unter den Türmen aus gewährt. Die beiden westlichen Haupttürme haben eine Höhe von 104,6 m; der südliche entbehrt noch der 1540 vom Blitz herabgeworfenen, die Spitze bildenden steinernen Kreuzblume. Im Chor deckt eine Marmorplatte den Sarg Ottos d. Gr., ein steinernes Grabdenkmal des 15. Jahrh. bezeichnet die Ruhestätte seiner Gemahlin Editha; eine Hauptzierde der Kirche ist das Grabmal des Erzbischofs Ernst (gest. 1513), dessen Seitenwände die Gestalten der zwölf Apostel schmücken, eins der Meisterwerke Peter Vischers, von ihm noch bei Lebzeiten Ernsts in dessen Auftrag gegossen. Die Krypte des alten Doms unter dem hohen Chor ist bei der großen Restauration 1825-35 nicht wieder aufgesucht worden. Die übrigen protestantischen Kirchen: die Johanniskirche (älteste Pfarrkirche, davor das 1886 errichtete Standbild Luthers), die Ulrichs-, Heiligegeist-, Jakobi-, Katharinen-, Petri-, die reformierte und die Wallonerkirche, bieten baulich nichts Hervorragendes, das meiste noch die jetzt katholische Liebfrauenkirche. Früher gehörte sie zum Kloster gleiches Namens, dessen Räume jetzt ein Gymnasium (s. unten) beherbergen; von hier ist auch der schöne romanische Kreuzgang zugänglich. 1129 in ein Prämonstratenserkloster umgewandelt, hatte das Kloster neben dem Mutterkloster Prémontré den höchsten Rang unter allen Stiftungen dieses Ordens. Die Nikolaistiftskirche dient jetzt als Zeughaus, die Gertraudenkirche als Speicher; die Sebastiansstiftskirche (mit dem Grabmal Ottos v. Guericke) wird der katholischen Gemeinde eingeräumt werden. Von sonstigen öffentlichen Gebäuden verdienen Erwähnung: das 1691 erbaute Rathaus auf dem Alten Markt (die Stadtbibliothek bewahrend), das Regierungsgebäude, daran die Gangolphistiftskirche, das Fürstenhaus, die Börse, der prachtvolle Zentralbahnhof, das geschmackvoll eingerichtete neue Stadttheater. Ins Auge fallen die noch immer zahlreich vorhandenen stattlichen Häuser im Spätrenaissancestil am Breiten Weg und Alten Markt.

Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (2 Infanteriereg. Nr. 26 und 66, 2 Infant.-Bat. Nr. 27, eine Abteilung Feldartillerie Nr. 4, ein Pionier-Bat. Nr. 4 u. ein Train-Bat. Nr. 4) auf 159,520 Seelen (gegen 88,012 im J. 1875, Neustadt und Buckau abgerechnet). Darunter befinden sich 147,353 Evangelische, 8614 Katholiken, 1738 sonstige Christen und 1815 Juden. Die Industrie ist sehr bedeutend. M. besitzt außer vielen kleinern 5 große Eisengießereien, Maschinen- und Metallröhrenfabriken, darunter das Grusonsche Etablissement (mit 1328 Arbeitern) in Buckau, welches sich eines Weltrufs erfreut. Dasselbe produzierte 1886: 67,429 Doppelzentner Gußwaren, darunter 5998 Doppelztr. Panzerplatten, ferner Revolverkanonen, Panzerlafetten, Unterbauten zu Panzertürmen, Kräne, hydraulische Hebezeuge, Drehscheiben, Excelsiormühlen etc. Von großer Bedeutung sind ferner: die Spiritus- und Branntweinbrennerei, die Fabrikation von künstlichem Dünger, Zement, Zucker, Schokolade, Zichorie, Tabak und Zigarren, Lackfirnis, verschiedenen Chemikalien und Thonwaren (besonders Majolika- und Schamotteöfen). Ferner sind nennenswert: Baumwollspinnerei, Handschuhfabrikation, Holzbildhauerei, Fabrikation von Seiden- und Baumwollband, Geldschränken, Harmoniken, Harmoniums und Pianofortes, Seife, Leder, Metallwaren und Armaturgegenständen, Fettwaren etc., die Zuckerraffinerie und Bierbrauerei. Der Handel ist ebenfalls sehr bedeutend. Für Zucker ist M. der Hauptplatz ganz Deutschlands. Außerdem ist er vorzugsweise lebhaft in Getreide, Kolonialwaren, Zichorie, Kohlen, Eisenwaren, Sauerkohl, Fettwaren, Tuch, Holz etc. Nennenswert sind auch: der Buchhandel (18 Geschäfte) sowie der Garten-, Obst- und Gemüsebau. Zudem hat die Stadt besuchte Märkte, Pferdemärkte, eine 14tägige Messe im September und einen Wollmarkt. Unterstützt wird der Handel durch eine Handelskammer, eine Börse, eine Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1886: 1232 Mill. Mk.) sowie durch eine sehr große Zahl von Bankinstituten, Versicherungsanstalten etc. Der Verkehr nach den verschiedensten Richtungen hin ist der denkbar günstigste. M. ist Knotenpunkt der Linien Leipzig-Wittenberge, Berlin-M., M.-Öbisfelde, M.-Schöningen und M.-Halberstadt. Sämtliche Linien münden in den großartigen Zentralbahnhof. Sehr bedeutend ist der Verkehr auf der Elbe. 1885 kamen an zu Berg: 4253 Schiffe (darunter 151 Dampfer) mit 417,220 Ton. Ladung; zu Thal: 1854 Schiffe und 20,809 Flöße mit 329,477 T. Ladung. Es gingen ab zu Berg: 2064 Schiffe (darunter 49 Dampfer) mit 19,354 T. Ladung; zu Thal: 3243 mit 325,914 T. Ladung. Ein zweckmäßig angelegter Hafen dient dem Winterschutz der Schiffe. Die Verbindung der innern Stadt mit den Vorstädten vermittelt eine Pferdebahn.

An Bildungsanstalten und ähnlichen Instituten besitzt M. ein pädagogisches Seminar, 3 Gymnasien, ein Progymnasium, ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, eine Handelsschule, ein Lehrerinnenseminar, ein Reichswaisenhaus (errichtet aus Sammlungen des Reichsfechtvereins), viele milde Stiftungen, ein Stadttheater, ein Zuchthaus, ein großes, musterhaft eingerichtetes Krankenhaus, eine Hebammenlehranstalt, ein orthopädisch-chirurgisches Institut, wissenschaftliche Vereine, eine Wetterwarte etc. Die "Magdeburgische Zeitung", ein Blatt nationaler Richtung, ist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus wohlbekannt. An Behörden befinden sich in M.: das Oberpräsidium, Konsistorium, Provinzialschulkollegium, die Generalsteuerdirektion und das Staatsarchiv der Provinz Sachsen, dessen großer Urkundenschatz bis in das 10. Jahrh. zurückreicht, eine Oberpost- und eine Eisenbahndirektion, ein königliches Polizeipräsidium, Forstinspektionen, ein Hauptsteueramt, ein Landgericht etc., ferner: das Generalkommando des 4. Armeekorps, das Kommando der 7. Division, der 13. und 14. Infanterie-, der 7. Kavallerie- und der 4. Feldartilleriebrigade. Das Wappen der Stadt (s. Figur) zeigt ein geöffnetes Festungsthor, über demselben rechts und links zwei Türme und zwischen diesen, auf der Mauer, eine Jungfrau mit hoch gehobenem Lorbeerkranz. Zu den umfangreichen Festungswerken gehören die Citadelle und 13 Forts in weitem Umkreis um die