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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mandātsprozeß; Mandātum; Mande; Mandel; Mandelahorn; Mandelbaum

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Mandatsprozeß - Mandelbaum.

Mandātsprozeß (lat.), ein summarischer Prozeß, dessen Eigentümliches darin besteht, daß der Verklagte unter gewissen Voraussetzungen angewiesen wird, den Kläger zu befriedigen, ohne vorher gehört worden zu sein. Man unterschied im frühern Prozeßrecht zweierlei Arten von prozessualischen Mandaten, bedingte und unbedingte. Bedingt nannte man das Mandat dann, wenn zwar dem Beklagten (Implorat) befohlen ward, den Kläger (Implorant) zu befriedigen, aber doch mit dem ausdrücklichen Zusatz, daß es ihm gestattet sein solle, binnen einer gewissen Frist seine etwanigen Einwendungen vorzubringen. Unbedingt hieß das Mandat, wenn dieser Zusatz fehlte, ohne daß jedoch dem Beklagten damit alle Verteidigung abgeschnitten worden wäre. Dem M. entspricht in der deutschen Zivilprozeßordnung das Mahnverfahren (s. d.). Das österreichische Recht kennt dagegen neben dem Mahnverfahren auch noch einen M., wenn der thatsächliche Inhalt der Klage alsbald durch öffentliche Urkunden voll bewiesen wird, während das deutsche Prozeßrecht in solchem Fall die alsbaldige Zwangsvollstreckung eintreten läßt. Auch das moderne Strafprozeßrecht kennt eine Art M., insofern nämlich, als der Richter bei geringfügigen Straffällen ohne vorgängiges Gehör des Angeschuldigten ein sogen. Strafmandat (Strafbefehl) an denselben erlassen kann. Die deutsche Strafprozeßordnung statuiert den Erlaß von Strafbefehlen durch den Amtsrichter bei den sogen. Übertretungen und bei leichtern Vergehen, doch darf die angedrohte Strafe nicht über eine Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder über eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Wochen hinausgehen. Auch die Strafverfügungen der Polizeibehörden gehören hierher, in welchen jedoch keine andre Strafe als Haft bis zu 14 Tagen oder Geldstrafe oder Einziehung angedroht werden kann (s. Polizeistrafverfahren). Ebenso können in Poststrafsachen (s. d.) und wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle von den zuständigen Verwaltungsbehörden Strafbescheide erlassen werden. In allen diesen Fällen steht dem Beschuldigten das Recht des Einspruchs binnen einer Woche zu, in welchem Fall die Sache durch die Vermittelung der Staatsanwaltschaft an das zuständige Gericht zur Entscheidung abzugeben ist. Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 447 ff., 453 ff., 459 ff.; Parey, Das behördliche Polizei-Strafverordnungsrecht in Preußen (Berl. 1882); Reinecke, Die polizeiliche Strafgewalt (das. 1883).

Mandātum (lat.), s. Mandat; in der katholischen Kirche die Zeremonie der Fußwaschung am Gründonnerstag in Rom (s. Fuß waschen).

Mande, Negersprache, s. Mandinka.

Mandel, die Frucht des Mandelbaums (s. d.); bei stückweise verkäuflichen Gegenständen s. v. w. 15 Stück; eine große M. = 16 Stück; 4 M. = 1 Schock.

Mandel, Eduard, Kupferstecher, geb. 15. Febr. 1810 zu Berlin, bildete sich seit 1824 bei dem Kartenstecher Maré und von 1826 bis 1830 im Atelier Buchhorns. Sein erster Stich war das Porträt Friedrich Wilhelms III. nach eigner Zeichnung (1830). Nach Ausführung mehrerer Umrißstiche vollendete er 1835 sein erstes größeres Blatt: der Krieger und sein Kind, nach Th. Hildebrandt, welches solchen Beilall fand, daß er vom Preußischen Kunstverein mit der Ausführung eines Stichs nach Begas' Lurlei (1839 vollendet) beauftragt wurde. 1837 ernannte ihn die Berliner Akademie zu ihrem Mitglied. 1840 ging M. nach Paris, um sich nach Henriquel-Dupont, Desnoyers u. a. weiterzubilden, und stach dort den italienischen Hirtenknaben nach Pollack (1840). Nach seiner Rückkehr folgte eine Reihe von trefflichen Blättern, welche in Bezug auf Reinheit der Zeichnung, die Kraft plastischer Darstellung und die Genauigkeit in der Wiedergabe des Stils der Originale innerhalb der deutschen Kupferstecherkunst des 19. Jahrh. unerreicht dastehen. Wir nennen davon: Selbstbildnis A. van Dycks (Louvre, 1841), Selbstbildnis Tizians (Museum zu Berlin, 1843), die Porträte des Königs Friedrich Wilhelm IV. und der Königin Elisabeth von Preußen, Bildnis Karls I. von England (nach van Dyck, Galerie zu Dresden, 1850), mehrere Porträte Friedrichs d. Gr., Madonna Colonna (nach Raffael, Museum zu Berlin, 1855), Ecce homo (nach G. Reni, Galerie zu Dresden, 1858), Jünglingsporträt von Raffael (Louvre, 1860), Madonna della Sedia (nach Raffael, Galerie Pitti zu Florenz, 1865), La Bella di Tiziano (Galerie Pitti, 1868), Madonna Panshanger (nach Raffael, 1872), Maria und Johannes (nach Plockhorst), die Ehebrecherin (nach demselben). Sein Hauptwerk ist die Sixtinische Madonna, welche er noch kurz vor seinem Tod vollendete. Er starb 20. Okt. 1882. Seit 1856 war M. Vorsteher des Ateliers für Kupferstecherkunst an der Berliner Akademie. Vgl. Pietsch, E. M. und seine Werke (Berl. 1883).

Mandelahorn, s. Caryocar.

Mandelbaum (Amygdalus L.), Untergattung der Gattung Prunus (Familie der Rosaceen), kleine Bäume oder Sträucher mit länglich lanzettförmigen Blättern, seitlich aus besondern Knospen vor den Blättern erscheinenden, meist nur zu 1-2 stehenden Blüten, saftloser, samthaariger, bei der Reife unregelmäßig aufspringender Steinfrucht und fast glattem oder mit punktförmigen Gruben versehenem Stein. Die Zwergmandel (A. nana L.), ein 1 m hoher Strauch mit kurzgestielten, lanzettlichen, drüsenlos gesägten Blättern und hell rosenroten Blüten, welche im ersten Frühjahr die langen, rutenförmigen Äste wahrhaft bedecken und vor oder mit den Blättern hervorbrechen, ist in Nordasien, Rußland, Siebenbürgen, den Kaukasusländern und Armenien heimisch und wird bei uns in zahlreichen Varietäten als Zierstrauch kultiviert. Der echte M. (A. communis L., s. Tafel "Nahrungspflanzen II"), ein hoher Baum mit lanzettförmigen, drüsig gesägten, unbehaarten Blättern, mit einer oder mehreren Drüsen am Blattstiel oder ohne Drüsen (var. amara Dec.), kurzgestielten, rötlichweißen Blüten, eiförmiger, etwas zusammengedrückter Steinfrucht mit lederiger, grüner, grauweiß samthaariger Schale, hartem Stein mit tiefen, punktförmigen Gruben und eiförmig spitzen, abgeplatteten Samen, stammt wahrscheinlich aus Syrien, besonders aus dem Antilibanon, und verbreitete sich von da nach Osten und Westen. Homer erwähnt ihn nicht, aber im 6. Jahrh. v. Chr. waren die Mandeln in Griechenland bekannt, während die Römer sie als Nuces graecae nicht vor der Mitte des 1. Jahrh. v. Chr. erhielten. Gegenwärtig wird der M. vielfach in Asien und den Mittelmeerländern gebaut; in Nord- und Mitteldeutschland hält er nur in sehr günstigen Lagen aus, in Südwestdeutschland, besonders in der bayrischen Pfalz, kultiviert man die Abart mit sehr zerbrechlicher Schale (Krach- oder Knackmandel, A. fragilis Dec.). Bittere und süße Mandeln gehören derselben Art an; die Bäume, welche bittere Mandeln liefern, sind als die ursprünglich wilden zu betrachten; Aussaaten von süßen Mandeln geben in der Regel Pflanzen mit