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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Milch

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Milch (Bestandteile, Absonderungsmenge, Perioden).

satz von sauren Molken wird noch ein käsestoffartiger Körper gefällt, der als Zieger bekannt ist. Der Fettgehalt der M. schwankt zwischen 2,5 und 4,5 Proz., und die Butterkügelchen haben einen Durchmesser von 0,01-0,0016 mm, wobei die kleinern stets in weitaus größerer Zahl vorhanden sind. Da die Fettkügelchen spezifisch leichter sind als die Lösung, in welcher sie schweben, so steigen sie, wenn die M. ruhig steht, allmählich in die Höhe und bilden eine fettreiche Schicht (Rahm, Sahne). Niemals aber sondert sich in dieser Weise das Fett vollständig ab, vielmehr bleibt die M. unter dem Rahm immer noch durch Butterkügelchen weißlich, an den Rändern bläulich durchscheinend. Zuletzt setzt die durch Sauerwerden der M. eintretende Gerinnung dem weitern Aufsteigen der Butterkügelchen ein Ziel. An Milchzucker (s. d.) enthält die Kuhmilch 3-5,5 Proz.; derselbe geht leicht in Milchsäure über, besonders wenn die M. bei einer der Blutwärme sich nähernden Temperatur an der Luft steht, und zwar unter Einwirkung eines Ferments, welches wahrscheinlich schon im Euter vorhanden ist. Aufkochen und Abschluß der Luft, Zusatz von saurem kohlensaurem Natron, Borax- oder Salicylsäure hemmen die Milchsäurebildung. Hat dieselbe einen gewissen Grad erreicht, so gerinnt die M. beim Erhitzen und, wenn sie noch weiter fortschreitet, auch schon bei gewöhnlicher Temperatur, indem sich der Käsestoff unlöslich ausscheidet. Da derselbe hierbei auch die Butterkügelchen einschließt, so bleibt eine klare oder nur wenig opalisierende Lösung von Zucker, Salzen und gewissen Proteinkörpern (s. oben), die Molke, zurück. Bleibt sauer gewordene oder geronnene M. bei 30-35° längere Zeit stehen, so tritt Buttersäuregärung unter Entwickelung von Kohlensäure und Wasserstoff ein. Frische M. kann aber auch in alkoholische Gärung versetzt werden, wobei der Zucker in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Das Produkt ist der Kumys oder Kefir (s. d.). Über den allgemein behaupteten Einfluß der Gewitterluft auf die Milchsäurebildung ist nichts Näheres bekannt; derselbe dürfte auf die abnormen Temperaturverhältnisse zurückzuführen sein, da normale M. im kühlen Milchkeller durch die Gewitterluft nicht leidet. Als fernere Milchbestandteile sind noch Harnstoff nebst Spuren von Kreatin, Leucin, Tyrosin und kleinen Mengen von Farb- und Riechstoffen, die aus dem Futter stammen, zu erwähnen. Die mineralischen oder Aschenbestandteile der Kuhmilch betragen 0,7-0,8 Proz. und bestehen in 100 Teilen etwa aus 28,3 Phosphorsäure, 16,34 Chlor, 0,4 Schwefelsäure, 27 Kalk, 17,34 Kali, 10 Natron, 4 Magnesia, 0,62 Eisenoxyd. Endlich enthält die Kuhmilch etwa 6,5-8,5 Volumproz. Gase, welche zu 75-90 Proz. aus Kohlensäure, im übrigen aus weit überwiegendem Stickstoff und wenig Sauerstoff bestehen.

Die M. andrer Tiere und der Frau weicht in ihrer Zusammensetzung wesentlich nur quantitativ von der Kuhmilch ab, wenn auch eigentümliches Verhalten auf qualitative Unterschiede in der Beschaffenheit der Proteinkörper hinzudeuten scheint. Frauenmilch hat ein spezifisches Gewicht von 1,018-1,045, reagiert stets alkalisch oder neutral und säuert weniger leicht als Kuhmilch; ihr Käsestoff scheidet sich durch Säuren schwieriger und weniger vollständig, auch in löslicherer Form aus, und das Fett soll flüssiger sein als das der Kuhmilch. Ziegenmilch hat einen schwachen eigentümlichen Geruch und Geschmack, das spezifische Gewicht schwankt zwischen 1,027 und 1,038. Schafmilch, vom spez. Gew. 1,035-1,041, liefert eine sehr weiche, wenig haltbare Butter. Die M. der Einhufer ist durch hohen Milchzuckergehalt sehr süß und geht leicht in weinige Gärung über. Eselsmilch ist der Frauenmilch am ähnlichsten. Die quantitative Zusammensetzung der M. zeigt folgende Tabelle:

Kuhmilch Frauenmilch Ziegenmilch Schafmilch Stutenmilch Eselsmilch

von bis mittel

Käsestoff 3,30 5,55 3,90 2,81 5,0 6,3 1,9 2,01

Butter 2,80 4,50 3,50 3,56 4,8 5,3 0,6 1,26

Zucker 3,00 5,50 4,60 4,82 4,0 4,6 4,8 5,70

Salze 0,70 0,80 0,75 0,24 0,7 0,8 0,4 /

Wasser 90,00 83,65 87,25 88,57 85,5 83,0 92,3 91,02

Die Milchdrüsen sondern einige Tage vor und in den ersten Tagen nach der Geburt das Colostrum ab, eine schleimig-klebrige, salzige, meist sauer reagierende Flüssigkeit, in welcher rundliche, mit sehr feiner Membran umgebene Körperchen, deren Inhalt (besonders Fetttröpfchen) sie als im Zerfall befindliche Drüsenzellen kennzeichnet, verteilt sind. Das Colostrum der Kuh ist gelblich, riecht eigentümlich und enthält 14-38 Proz. Trockensubstanz und in dieser so viel Eiweiß, daß es beim Erhitzen gerinnt. Es wird von Tag zu Tag der normalen M. ähnlicher, doch ist ratsam, die M. neumelkender Kühe erst vom 8. oder 14. Tag an zu benutzen, weil eine geringe Menge Colostrum, der zu verarbeitenden M. beigemischt, das Verbuttern des Rahms erschwert und bei der Käsebereitung den Gerinnungs- und Reifungsprozeß der Käse nachteilig beeinflußt.

[Menge, Perioden etc.] Die Quantität und Qualität der abgesonderten Kuhmilch hängt in erster Linie ab von der Individualität des Tiers, wird also mittelbar auch zugleich durch die Rasse bedingt. Bei guter Haltung und Pflege geben z. B. Holländer Kühe im Durchschnitt jährlich 3000 Lit., Oldenburger 2800, Schwyzer 2600, Algäuer 2500, Mürzthaler 1900, graue Ungarn 800 L. etc. Dabei ist die M. der Schwyzer, Algäuer, Simmenthaler, Shorthornkühe durchschnittlich reicher an Butter und Käse als die M. der Holländer und Oldenburger. Im allgemeinen ist bei sehr reichlicher Milchabsonderung die M. stets relativ ärmer an Trockensubstanz. An einzelnen Individuen findet sich bisweilen infolge einer Überbildung der Milchdrüsen eine abnorm große Milchabsonderung, die auf mehr als 8400 L. im Jahr steigen kann. Im großen Durchschnitt liefert eine gute Milchkuh während eines Jahrs etwa das Vier- bis Fünffache ihres Lebendgewichts an M., und als mittlern befriedigenden Jahresertrag einer Kuh kann man 2350 L. annehmen. Die Frau liefert pro Tag etwa 1300 g M., und Frauen von schwacher Konstitution sollen gehaltreichere M. als robustere Frauen geben. Mit dem Alter nimmt der Gehalt der Frauenmilch an festen Stoffen ab; aber nur der Käse- und Fettgehalt sinkt, während der Zuckergehalt steigt. Die Milcherträge von Ziegen scheinen in hohem Grad von Individualität, Rasse und Haltung abhängig zu sein; man findet Angaben von 96-800 L. im Jahr, und man kann annehmen, daß die Ziege im Durchschnitt das Zehnfache ihres Lebendgewichts an M. zu liefern vermag. Schafe liefern dagegen nur 25-140, holländische Milchschafe bis 500 L. im Jahr und im Durchschnitt das Anderthalbfache ihres Lebendgewichts.

Die Zeit, während welcher die Milchdrüsen fortdauernd M. liefern, die Laktationsdauer oder Laktationsperiode, währt bei der Kuh etwa 300, bei der Ziege 125, beim Schaf 120 Tage. Die Kuh steht sodann etwa 6 Wochen trocken, doch geben