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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Muse verte; Musewi; Musi; Musiert; Musik

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Muse verte - Musik.

Muse verte (franz., spr. mühs' wärt, "grüne Muse"), Pariser Bezeichnung für Absinth (seit Alfred v. Musset). Der Name soll den Ersatz der mangelnden Begeisterung durch Alkohol bezeichnen.

Musewi (arab., "Mosesbekenner"), in der Türkei die offizielle Bezeichnung der Juden.

Musi, Agostino di, ital. Kupferstecher, geboren Ende des 15. Jahrh. zu Venedig, daher meist Agostino Veneziano genannt, kopierte zuerst 1514 und 1515 einige Blätter nach Giulio Campagnola und Dürer und befand sich 1515 und Anfang 1516 zu Florenz, wo er nach Bandinelli und A. del Sarto stach. Ende 1516 in Rom, schloß er sich an Marcanton an, unter dem er bald die frühere Schwäche seiner Zeichnung und die Regellosigkeit seiner Behandlung verlor. Er stach nun zumeist nach Raffael, verschiedenes auch nach Bandinelli, Michelangelo u. a. Die Plünderung Roms 1527 scheint ihn vertrieben zu haben; 1528 stach er in Mantua nach Giulio Romano. 1530 nach Rom zurückgekehrt, führte er eine Folge von 12 antiken Vasen aus, ferner 20 Arabesken nach G. da Udine. 1535 und 1536 befaßte er sich hauptsächlich mit dem Porträtstich. In das Jahr 1536 fallen seine letzten sichern Werke. M. war der beste Schüler Marcantons, hat diesen jedoch nicht erreicht, da seine Technik weniger fein und in der Behandlung der Strichlagen ungleich ist. Er zeichnete mit den Initialen A V. Zwei Verwandte von ihm lebten als Kupferstecher in Venedig und Rom: Lorenzo di M. um 1535, wahrscheinlich sein Bruder, Giulio di M. um 1554, sein Sohn oder Neffe.

Musiert (neulat.), in mosaikartiger Weise gemustert, besonders von Glasfenstern, die aus einzelnen farbigen Stücken so zusammengesetzt sind, daß sie ein Muster bilden (s. Glasmalerei). Musierte Schriften, s. Schriftarten.

Musik (v. griech. musiké [téchnē], lat. [ars] musica), die Kunst der Musen, welche nach der ältern griechischen Mythologie (Homer, Hesiod) Göttinnen des Gesanges und Tanzes, nicht aber, wie später, auch der Dichtkunst, Geschichtschreibung und Astronomie waren. Das Wort bedeutete daher bei den Griechen gleich zuerst wie heute speziell die Tonkunst und wurde erst später in übertragenem Sinn für die harmonische Ausbildung des menschlichen Geistes überhaupt gebraucht; doch blieb auch dann die vulgäre Bedeutung des Wortes die alte. Wie den Namen für die M. selbst, so haben wir auch die Bezeichnungen der Hauptelemente derselben von den Griechen übernommen: Melodie, Harmonie und Rhythmus. In der Lehre von der Harmonie (Harmonik) betrachteten die Griechen die Größenverhältnisse der Intervalle, ihre Konsonanz oder Dissonanz, vor allem die Zusammensetzung der Tonleitern; da sie mehrstimmige M. nicht kannten (s. unten, Geschichte), so fiel das, was wir heute unter Harmonielehre verstehen, nämlich die Lehre von der Konsonanz und Dissonanz der Akkorde und die Entwickelung der Regeln der Akkordverbindung, nicht in den Bereich ihrer Betrachtung. Die Lehre vom Rhythmus (Rhythmik, Rhythmopöie) wurde viel umständlicher abgehandelt als heute; ihr Inhalt war aber im wesentlichen derselbe, nämlich die Betrachtung der Taktarten, ihrer Unterteilungen und ihrer Zusammenordnung zu Taktgruppen. Die Lehre von der Melodie (Melodik, Melopöie) endlich war die eigentliche Kompositionslehre der Griechen, da in Ermangelung der Mehrstimmigkeit in dem Fortspinnen einer Melodie das Ganze der musikalischen Komposition bestand. Auch die Worte Metrum und Metrik (Lehre vom Metrum) sind griechischen Ursprungs. Die Griechen verstanden, wie auch wir heute, unter Metrik die Lehre von den Versfüßen, überhaupt Versmaßen in der Poesie; in der musikalischen Theorie versteht man heute unter Metrum im Gegensatz zu Rhythmus die schlichte Taktteilung, das Schema, innerhalb dessen die spezielle rhythmische Gestaltung der Melodie sich frei bewegt.

Die verschiedenen Gesichtspunkte, von denen aus die M. betrachtet wird, ergeben eine Anzahl getrennter Arbeitsfelder, deren jedes dem menschlichen Geist Gelegenheit zur vollen Entfaltung seiner Kräfte gibt. Vor allen andere muß natürlich die schöpferische Thätigkeit der Komponisten genannt werden, welche wie jede künstlerische Produktivität in erster Linie die Folge besonderer Begabung und erst in zweiter Resultat fachmännischer Ausbildung (Schule) ist. Das Komponieren kann allerdings gelehrt werden; doch sind bedeutende Komponisten allezeit nur diejenigen geworden, bei denen die Schule nur regelnd, klärend einzuwirken brauchte, nicht aber den ersten Anstoß zur Komposition geben mußte. Nächst der Komposition ist die musikalische Exekution zu nennen, die als Reproduktion der Produktion gegenübersteht; auch der reproduzierende Musiker ist Künstler, und die Qualität seiner Leistungen ist nicht minder von speziellem Talent abhängig als die des Komponisten. Das kongeniale Verstehen der Intentionen des Komponisten ist Vorbedingung der wahren reproduktiven Künstlerschaft. Das rein Technische der Exekution kann erlernt werden und setzt nur eine gewisse normale körperliche Entwickelung voraus: eine gesunde Lunge, einen gesunden Kehlkopf, wohlgebildete Finger, leichtes Handgelenk, wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß zu besonders hervorragenden Leistungen auch eine besondere körperliche Begabung erforderlich ist, besonders für den Sänger. Aber auch die eminenteste Technik und die schönste, bestgeschulte Stimme macht noch nicht den rechten Künstler aus: wenn ihm der göttliche Funke, das musikalische Talent, fehlt, d. h. dasselbe, was dem Komponisten nötig ist, so werden seine Leistungen vielleicht als virtuose, aber niemals als wahrhaft große erscheinen. Der wahre ausübende Tonkünstler fühlt dem Komponisten nach, schafft sein Werk neu; darum sind die eminentesten Virtuosen auch zugleich gute Komponisten. Der musikalischen Begabung steht gegenüber als ergänzend und fördernd die musikalische Schule. Sofern dieselbe sich auf die Ausbildung der technischen Fertigkeit bezieht, steht sie kaum höher als die Lehre eines Handwerks, und es sind daher sehr viele Musiker, welche ohne Talent und ohne theoretische Ausbildung ein Instrument haben spielen lernen, in der That als Handwerker zu betrachten. Indessen erstreckt sich der Musikunterricht, gleichviel ob derselbe die Ausbildung für ein Instrument oder für Gesang bezweckt, in der Regel und bei einem guten Lehrer immer zugleich auf die Theorie der M., wenn auch nur auf die einfachsten Dinge (Tonarten, Akkorde). Einen fachmännisch ausgebildeten Musiker kann sich nur der nennen, der, auch wenn er nicht Komponist ist, doch die Schule der Komposition durchgemacht hat, d. h. die Regeln des musikalischen Satzes versteht und den Aufbau der musikalischen Kunstwerke begreift; nur ein solcher ist im stande, ohne Gefahr die Interpretation von Musikwerken zu übernehmen. Diese für die Praxis berechnete Theorie der M. ist die eigentliche musikalische Grammatik, und der Beruf des Lehrers der Musiktheorie ist darum ein ganz ähnlicher wie der des Lehrers überhaupt: er hat das Denkvermögen seines Schülers auszubilden