Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Musschenbroeks Aräometer; Musselburgh; Musselim; Musselīn; Musselīnglas; Musseron; Musset

941

Musschenbroeks Aräometer - Musset.

"Elementa physices" (das. 1729 u. 1734; deutsch von Gottsched, Leipz. 1747); "Compendium physices experimentalis" (Leiden 1762); "Introductio ad philosophiam naturalem" (das. 1762, 2 Bde.).

Musschenbroeks Aräometer, s. Spezifisches Gewicht.

Musselburgh (spr. músselborro), Stadt in Edinburghshire (Schottland), an der Mündung des Esk in den Firth of Forth, hat Netz- und Segeltuchfabrikation, einen kleinen Hafen und (1881) 7870 Einw. Von den drei Brücken über den Esk soll eine von den Römern herstammen. In der Nähe Pinkie House (Sieg der Engländer über die Schotten 1547) und Carberry Hill, wo Maria Stuart sich 1567 dem aufständischen Adel überlieferte.

Musselim, in der Türkei der Gouverneur einer Stadt.

Musselīn, ostindisches, jetzt in Europa dargestelltes feines, locker gewebtes, halbdurchsichtiges baumwollenes Gewebe, kommt glatt, gestreift, durchbrochen, geblümt und bedruckt vor und zeichnet sich durch einen zarten Flaum aus, welchen der wenig gedrehte Faden erzeugt. Das Garn wird jetzt ausschließlich auf Maschinen gesponnen, aber auf dem Handstuhl verwebt, weil der Stoff für den Maschinenstuhl zu zart ist. Man war auch gezwungen, ihn in feuchten Kellerräumen herzustellen, und erst durch die Vermischung der Schlichte mit Glycerin ist diese ungesunde Arbeit beseitigt worden, weil die glycerinhaltige Schlichte nicht trocknet. In Ostindien verarbeitet man jetzt auch englische Garne, und nur in Dacca hat sich das Handgespinst erhalten, aus welchem wahrhafte Wunder der Weberei hergestellt werden. Besondere Musselinsorten sind: Musselinets mit eingewebten, weiß oder bunt gemusterten Streifen, Mull (s. d.), Vapeur, sehr lockerer und feiner M., und der noch zartere Zephyr. England (Manchester und Glasgow) liefert den wohlfeilsten, Frankreich einen besonders schönen und durch Mannigfaltigkeit der Dessins ausgezeichneten M.; die Schweiz liefert in gewissen Branchen Vorzügliches, und besonders sind ihre gestickten Waren ebenso schön wie wohlfeil. In Deutschland blüht die Musselinweberei und -Stickerei an zahlreichen Orten des Erzgebirges, Württembergs, Bayerns und Badens.

Musselīnglas, Tafelglas mit durchsichtigen Dessins auf mattem Grund oder umgekehrt, meist zur Verglasung von Vorhausthüren etc. dienend, wird durch Auffritten von leicht schmelzbarem Bleiglaspulver, welches also eine rauhe, undurchsichtige Schicht gibt, oder durch Aufschmelzen von Email dargestellt. Das staubfeine Glas- oder Emailpulver wird mit Wasser angerührt und mittels eines Pinsels gleichmäßig aufgetragen. Nach dem Trocknen bedeckt man die Glasplatte mit einer Schablone aus dünnem Messingblech, bürstet das durch die Schablone nicht geschützte Pulver ab und erhitzt nun die Platte bis zum beginnenden Schmelzen des letztern. Durch das Sandblasverfahren, welches ein gefälligeres Matt liefert und billiger ist, ist das M. fast vollständig verdrängt worden.

Musseron, s. Agaricus V.

Musset (spr. müssä), Louis Charles Alfred de, einer der ersten modernen französischen Dichter, geb. 11. Dez. 1810 zu Paris, absolvierte mit Glanz das Collège Henri IV und widmete sich, nachdem er es mit medizinischen und juristischen Studien und mit dem kaufmännischen Beruf versucht hatte, hauptsächlich durch den Verkehr mit V. Hugo und dessen Freunden angeregt, dem schriftstellerischen Beruf. Schon als 19jähriger Jüngling gab er seinen ersten Band Gedichte heraus: "Contes d'Espagne et d'Italie" (1830), welche sofort durch die Grazie der Form und die Tiefe der Empfindung, vielleicht auch durch die Schalkhaftigkeit, stellenweise sogar Schlüpfrigkeit des Inhalts das allgemeinste Aufsehen erregten. Eine zweite Sammlung (1831) machte geringeres Aufsehen, mehr dagegen eine dritte: "Un spectacle dans un fauteuil" (1832-34, 2 Bde.), mit dem Gedicht "La coupe et les lèvres" und dem komischen Heldenepos "Namouna", vielleicht dem Bedeutendsten, was die moderne französische Dichtung überhaupt hervorgebracht hat. Mit seinen ersten dramatischen Versuchen hatte M. kein Glück gehabt; er veröffentlichte sie daher 1833 einstweilen in Buchausgabe ("Andrea del Sarto", "Les caprices de Marianne", "Fantasio"). Im Sommer 1833 erschien in der "Revue des Deux Mondes" das große Gedicht "Rolla", welches zu den bedeutendsten Dichtungen Mussets gezählt werden muß. In demselben Jahr trat er in ein intimes Verhältnis mit G. Sand und unternahm mit ihr eine Reise nach Italien; jedoch die Verschiedenheit ihrer Naturen führte bald zu unerquicklichen Auftritten, und in Venedig kam es zu einem vollständigen Bruch. In der düstersten Stimmung kehrte M. nach Paris zurück und schrieb seine "Confession d'un enfant du siècle" (1836, 2 Bde.), ein Buch voll Leidenschaft und Sinnlichkeit, Unglauben und Menschenhaß. Ruhiger und gemäßigter ist er in den Gedichten, welche von 1835 bis 1840 in der "Revue des Deux Mondes" erschienen, und die zu dem Besten gehören, was seine Muse hervorgebracht hat, besonders: "Une bonne fortune", "L'ode à la Malibran", "Les nuits", "Lettre à Lamartine", "L'espoir en Dieu". Seine Antwort auf Beckers Rheinlied: "Nous l'avons eu, votre Rhin allemand!" wurde von den Franzosen als eine patriotische That gefeiert. Alle seine Gedichte sind gesammelt unter den Titeln: "Premières poésies" (1829-35), "Poésies nouvelles" (1836-1852) und "Poésies complètes" (1851). Seine äußerst feinen und geistreichen Salonstücke, wie: "On ne badine pas avec l'amour", "Il ne faut jurer de rien", "Un caprice", "Il faut qu'une porte soit ouverte ou fermée" u. a. (gesammelt als "Comédies et proverbes", 1856, 2 Bde.), haben den Weg auf die Bühne gefunden und sich zum Teil bis heute auf dem Repertoire behauptet. Persönliche Erlebnisse regten M. dazu an, auch eine Reihe graziöser Novellen und Erzählungen zu schreiben (gesammelt unter dem Titel: "Nouvelles", 1861), von denen die ersten: "Emmeline", "Les deux maîtresses", "Le fils du Titien" u. a., weitaus die besten sind; die spätern verraten die frühzeitige Ermattung des Dichters und trugen zur Erhöhung seines Ruhms nichts mehr bei. Sein Amt als Bibliothekar am Ministerium des Innern, welches ihm die Revolution von 1848 genommen, gab ihm das Kaiserreich zurück; auch wurde er 1852 in die Akademie aufgenommen. Er starb 1. Mai 1857 in Paris. M. nimmt unter den französischen Dichtern seiner Zeit eine der hervorragendsten Stellen ein, als Lyriker unzweifelhaft die erste. Gegenüber der Sentimentalität Lamartines und dem Schwulst Victor Hugos zeichnen sich seine Gedichte durch die tiefe Wahrheit der Empfindung, durch Harmonie und Grazie besonders aus. Anderseits zeigt er sich so wunderlich, blasiert, so schamlos cynisch und jedes Ideals bar, daß eine Erklärung dafür in seinem Ekel über seine eigne Liederlichkeit und die Erbärmlichkeit seiner Zeit kaum gefunden werden kann. Die beste Ausgabe seiner Werke ist die bei Lemerre in Paris 1876