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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Polnisches Recht

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Polnische Sprache - Polnisches Recht.

wird. Doch gibt es hiervon viele Ausnahmen. é liegt zwischen i und e, ó zwischen o und u in der Mitte. In ie, ia, io, iu ist das i wie j zu sprechen; dieses i gehört eigentlich zum vorausgehenden Konsonanten, und es ist z. B. bia nur eine andre, übrigens jetzt gewöhnlichere Schreibweise für b'a mit weichem Konsonanten; c ist wie z, ć wie tsch oder dsch zu sprechen. Auch cz klingt wie tsch, dż wie dsch; sz ist unser sch, dz ein weiches z; z ist weiches s im Gegensatz zu s, dem scharfen s; ż ist weiches sch (wie j im französischen jour). Auch rz wird fast wie dieses ż gesprochen, wobei das vorausgehende r leise mittönt. ł ist das gemeinslawische cerebrale l, mit zurückgebogener Zungenspitze zu sprechen. Die Klangwirkung der polnischen Sprache ist keineswegs eine unangenehme; durch das nachklingende j bei den sogen. weichen Konsonanten wird dem Laut seine konsonantische Schärfe genommen und ein Reichtum an tönenden Lauten erzeugt, der zusammen mit der verhältnismäßigen Häufigkeit der Vokale die p. S. sonorer und weicher gestaltet als irgend eine der slawischen Schwestersprachen. Das Vorurteil, sie für rauh und hart zu halten, rührt zum Teil von der polnischen Schrift her, wegen ihrer scheinbaren Häufungen von konsonantischen Doppellauten, die aber nur wie einfache Laute ausgesprochen werden. Ihrem grammatischen Bau nach ist die p. S. im ganzen weniger altertümlich als die tschechische, der sie in vielen Punkten sehr nahe steht. Doch werden am Substantivum die drei Geschlechter noch genau unterschieden, und je nach dem Geschlecht gibt es auch drei Deklinationen; andre nehmen acht Deklinationen an. Es gibt sieben Kasus, nämlich den Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ, Lokativ, Instrumentalis, der auf die Frage womit? steht und auch Sociativ genannt wird, endlich den Vokativ. Viele Eigentümlichkeiten bietet die Deklination der Adjektiva und der Pronomina dar; erstere werden, ähnlich wie in den germanischen Sprachen, verschieden dekliniert, je nachdem sie in attributiver oder in prädikativer Bedeutung gebraucht werden, z. B. jesteś łaskaw, du bist gnädig, łaskawy czlowiek, gnädiger Mensch. Bei der Konjugation der Verba werden sechs Klassen unterschieden; das Präsens, der Imperativ und der Infinitiv sind die einzigen einfachen Tempora und Modi, die übrigen werden durch Zusammensetzung mit dem Hilfsverbum byé (sein) umschrieben. Der Accent ruht stets auf der vorletzten Silbe. Die Syntax ist im ganzen einfach. Die Nachbarschaft der Deutschen, die Türken- und Tatarenkriege sowie die vielfache Berührung mit Walachen und Franzosen haben in die p. S. früh viele fremdartige Wörter und Redeweisen eingeführt. Erst unter der Regierung der Jagellonen im 15. Jahrh. ward sie in ihre ursprünglichen Rechte wieder eingesetzt. Die Verbreiter der Reformation bedienten sich, um desto sicherer auf das Volk einzuwirken, bei ihrer Liturgie ausschließlich der polnischen Sprache, in welcher sie Katechismen, Postillen, Gesangbücher, Übersetzungen der Bibel sowie ihre polemischen und apologetischen Schriften herausgaben und so ihren Gegnern die Notwendigkeit auflegten, sich gegen sie derselben Waffen zu bedienen. So verbreitete sich die p. S. immer mehr und bildete sich infolge davon so schnell aus, daß sie unter dem letzten Regenten aus dem Jagellonischen Stamm (gest. 1572) ihre höchste Stufe erreichte und nächst der italienischen und spanischen für die ausgebildetste in Europa gehalten wurde. Aber mit dem Erlöschen des Jagellonischen Stammes trat eine ungünstige Epoche für sie ein. Die Wahlkönige aus fremden Häusern, welche die Sprache ihres Volkes nicht verstanden und von den Jesuiten, in deren Hände sie die Erziehung und den Unterricht der Jugend überlieferten, überall Schulen errichten ließen, brachten die Landessprache immer mehr in Verfall. Doch stemmten sich edel denkende Gelehrte, von denen wir bloß den Piaristen Konarski (gest. 1773) und den Bischof Zaluski (gest. 1774) erwähnen, dem einreißenden Verderbnis entgegen, und das Zeitalter des Königs Stanislaus August Poniatowski, welches die polnische Litteratur mit den geistigen Schätzen des Auslandes bereicherte, reinigte auch die Sprache von den eingedrungenen lateinischen Floskeln, bedrohte sie aber freilich durch die Vorliebe der vornehmen Gesellschaft für die französische Sprache mit einer neuen Gefahr. Die Vorliebe für französische Wendungen und Wörter ist ein allgemeiner Fehler der Schriftsteller dieser Epoche, und erst in neuerer Zeit werden durch energisches Zurückgreifen auf die Sprache der goldenen Epoche der polnischen Litteratur durch Konarski, Krasicki, Naruszewicz und andre hervorragende Schriftsteller die Nachwirkungen dieser französischen Richtungen überwunden. Die polnischen Dialekte werden von der Schriftsprache streng gesondert gehalten; die wichtigsten sind: der großpolnische in Posen, der masurische in Masovien, der kleinpolnische, der wohlklingendste von allen, in Galizien, der litauische, welcher von neuern Dichtern, z. B. Mickiewicz, auch in der Schriftsprache angewendet wurde, der kassubische in Pommern und der durch Germanismen entstellte preußische und schlesische. Unter den polnischen Grammatiken sind nächst der des Piaristen Kopczynski (gest. 1817) die von Mrongovius (3. Aufl., Danz. 1827) und Vater (Halle 1807), besonders aber die von Bandtke (Bresl. 1808, neue Aufl. 1824), Mrozinski (Warsch. 1822), Muczkowski (Krak. 1845), Jordan (Leipz. 1845), Malecki (Lond. 1863) und Malinowski (Pos. 1869); als kürzere Handbücher die von Pohl (8. Aufl., Berl. 1867), Poplinski (7. Aufl. von Nehring, Thorn 1881), Booch-Arkossy (Leipz. 1884-1885) zu erwähnen. Das umfassendste polnische Wörterbuch ist das von Linde (Warsch. 1807-14, 6 Bde.). Unter den ältern polnisch-deutschen Wörterbüchern ist das von Trotz (Leipz. 1779; neue Aufl., Bresl. 1831), unter den neuern das von Bandtke (das. 1806, 2 Bde.) und das von Mrongovius (neue Aufl., Königsb. 1835) zu nennen. Am brauchbarsten sind die polnisch-deutschen und deutsch-polnischen Wörterbücher von Trojanski (Pos. 1835-46, 4 Bde.); kleinere von Jordan (neue Ausg., Leipz. 1873), Booch-Arkossy (4. Aufl., das. 1883) und Lukaszewski (Berl. 1881). Ein Wörterbuch der polnischen Synomymen ^[richtig: Synonymen] verfaßte Krasinski (Krakau 1886). Vgl. Kaulfuß, Über den Geist der polnischen Sprache (Halle 1804); Schafarik, Geschichte der slawischen Sprache und Litteratur nach allen Mundarten (2. Abdr., Prag 1869).

Polnisches Recht, das im vormaligen Königreich Polen geltende Recht. Als Teil des slawisch-nationalen Rechts beruhte das polnische Recht ursprünglich fast nur auf Rechtsgewohnheiten. Eine Aufzeichnung derselbe in deutscher Sprache ist das Elbinger Rechtsbuch, welches, obwohl Privatarbeit, doch das Ansehen eines Gesetzbuchs erlangte. König Kasimir III. aber publizierte 1347 in dem sogen. Wislitzer Statut ein förmliches Gesetzbuch, welches neben nationalen auch römisches, kanonisches und namentlich deutsches Recht enthielt. Seitdem wurde das national-polnische Recht mehr und mehr durch deutschrechtliche Grundsätze verdrängt. Die Stiftung des Herzogtums Warschau durch Napoleon I. hatte