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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Preußen

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Preußen (Geschichte: Friedrich III., Wilhelm II.; geschichtliche Litteratur).

tümer aufgehoben und die durch Tod erledigten neu besetzt, die abgesetzten Bischöfe von Limburg und Münster begnadigt. Zwei neue kirchliche Gesetze von 1886 und 1887 beseitigen den übrigen Teil der Maigesetzgebung, welcher von der Kirche nicht gebilligt wurde, wogegen der Papst die Anzeigepflicht und das staatliche Einspruchsrecht anerkannte; auch gab derselbe seine Zustimmung, daß die Erzbischöfe Melchers und Ledochowski, welche P. nicht wieder zuzulassen erklärte, abdankten, worauf in Posen u. Kulm deutsche Bischöfe eingesetzt wurden. Der Friede mit der Kurie war so hergestellt; das Zentrum wurde aber nicht gesprengt, auch nicht geschwächt, sondern nur zu einer maßvollern Haltung veranlaßt.

Die Finanzen Preußens, welche nach den glänzenden Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs 1871-74 wiederholt Defizits im Budget aufzuweisen hatten, besserten sich infolge der Erhöhungen der Reichseinnahmen durch die Zölle und der Verminderung der Matrikularbeiträge und gestatteten 1881 einen Steuererlaß von 14 Mill. Mk. (ein Quartal der Klassensteuer und der untern Stufen der Einkommensteuer); 1883 wurde dies dahin abgeändert, daß die zwei untersten Stufen der Klassensteuer ganz abgeschafft wurden. Der Mehrertrag der 1885 vom Reichstag beschlossenen landwirtschaftlichen Zölle wurde den Kommunalverbänden zugewiesen (lex Huene). Die Staatseisenbahnen lieferten immer steigende Erträge. Die Verwaltungsreform wurde allmählich auf alle Provinzen außer Posen ausgedehnt. Für die teilweise polnischen Provinzen, wo durch den deutschfeindlichen Einfluß der katholischen Geistlichkeit und massenhafte Einwanderung aus Polen das Deutschtum gefährdet war, wurde 1886 der Beschluß gefaßt, deutsche Ansiedelungen auf bisher polnischen Grundbesitz anzulegen, und 100 Mill. dazu vom Landtag bewilligt. Viele Eingewanderte wurden ausgewiesen, der deutsche Unterricht durch besondere Gesetze in Posen, Westpreußen und Oberschlesien gefördert. Für die materielle Entwickelung des Staats war es wichtig, daß der Landtag 1886 den Bau des Rhein-Emskanals genehmigte und den preußischen Präzipualbeitrag zu den Kosten des Nordostseekanals bewilligte. 1888 wurden erhebliche Summen für die Regulierung der östlichen Ströme und für die Unterstützung der durch Überschwemmung geschädigten Landesteile ausgesetzt; auch wurden die Gemeindelasten durch das Volksschullastengesetz vom Juni 1888 gemildert. Die Legislaturperiode wurde 1888 von drei auf fünf Jahre verlängert.

Wilhelm I. starb 9. März 1888, worauf der Kronprinz Friedrich Wilhelm als Friedrich III. den Thron bestieg. Derselbe konnte jedoch seine Regierungsgrundsätze, welche er in einem Erlaß an Bismarck kundgab, nicht durchführen, da er an einem Kehlkopfleiden schwer erkrankt war; nur Puttkamer wurde entlassen. Als Friedrich III. schon 15. Juni seinen Leiden erlag, folgte ihm sein ältester Sohn als Wilhelm II. und leistete, die Fortführung der Regierung im Sinn seiner Vorfahren gelobend, 27. Juni vor dem Landtag den Eid auf die Verfassung.

Litteratur zur Geschichte Preußens.

[Gesamtdarstellungen.] Pauli, Allgemeine preußische Staatsgeschichte (Halle 1760-69, 8 Bde.); Stenzel, Geschichte des preußischen Staats (Hamb. u. Gotha 1830-54, 5 Bde.); v. Ranke, Zwölf Bücher preußischer Geschichte (bis 1745, 2. Aufl., Leipz. 1878, 5 Bde.); Droysen, Geschichte der preußischen Politik (bis 1756, Berl. u. Leipz. 1855-85, 5 Abtlgn. in 14 Bdn.); L. Hahn, Geschichte des preußischen Vaterlandes (21. Aufl., Berl. 1888); F. Voigt, Geschichte des brandenburg-preußischen Staats (3. Aufl., das. 1876, 2 Bde.); F. Eberty, Geschichte des preußischen Staats (Bresl. 1867-73, 7 Bde.); Pierson, Preußische Geschichte (4. Aufl., Berl. 1881, 2 Bde.); v. Cosel, Geschichte des preußischen Staats und Volkes (das. 1869-76, 8 Bde.); Brosien, Preußische Geschichte (Leipz. 1887 ff.); Tuttle, History of Prussia to the accession of Frederick the Great (Boston 1883); Lavisse, Études sur l'histoire de Prusse (2. Aufl., Par. 1885); K. Kletke, Quellenkunde der Geschichte des preußischen Staats (Berl. 1858-61, 2 Bde.); "Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde" (das., seit 1864); "Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte" (das. 1888 ff.); "Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven" (Leipz., seit 1878).

Spezielles: Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Kolonisationen (Leipz. 1874); Lancizolle, Geschichte der Bildung des preuß. Staats (Berl. 1828); Fix, Territorialgeschichte des preuß. Staats (3. Aufl., das. 1884; Beihefte 1887-88); Riedel, Geschichte des preußischen Königshauses (das. 1861, 2 Bde.); Derselbe, Der brandenburgisch-preußische Staatshaushalt in den beiden letzten Jahrhunderten (das. 1866); Stuhr, Brandenburg-preußische Kriegsverfassung zur Zeit des Großen Kurfürsten (das. 1819); v. Crousaz, Die Organisation des brandenburgisch-preußischen Heers (2. Aufl., Wriezen 1873, 2 Bde.); Bräuner, Geschichte der preußischen Landwehr (Berl. 1863); Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur (Leipz. 1880-87, Bd. 1-4); Isaacsohn, Geschichte des preußischen Beamtentums (Berl. 1874-84, Bd. 1-3, bis zu Friedrich d. Gr. reichend); Lehmann, P. und die katholische Kirche seit 1640 (Leipz. 1878-85, 5 Bde.); Stephan, Geschichte der preußischen Post (Berl. 1859).

[Einzelne Perioden.] Manso, Geschichte des preußischen Staats 1763-1815 (3. Aufl., Leipz. 1839, 3 Bde.); Förster, Neuere und neueste preußische Geschichte (3. Aufl., Berl. 1853); Reimann, Neuere und neueste Geschichte des preußischen Staats 1763 bis 1815 (Gotha 1882-88, Bd. 1 u. 2); A. Schmidt, Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen (Berl. 1851); Derselbe, Preußens deutsche Politik (3. Aufl., Leipz. 1867); Mirabeau, De la monarchie prussienne (Lond. 1787, 4 Bde.; deutsch, Leipz. 1794-96); Philippson, Geschichte des preußischen Staatswesens vom Tod Friedrichs d. Gr. bis zu den Freiheitskriegen (Leipz. 1880-82, Bd. 1 u. 2); Höpfner, Der Krieg von 1806 und 1807 (2. Aufl., Berl. 1855, 4 Bde.); A. Stahr, Die preußische Revolution (2. Aufl., das. 1851, 2 Bde.); "Die innere Politik der preußischen Regierung 1862 bis 1866" (das. 1866, anonym); L. Hahn, Zwei Jahre preußisch-deutscher Politik 1866-67 (das. 1868); Derselbe, Geschichte des Kulturkampfs in P. (das. 1881) und die ultramontane Gegenschrift von F. X. Schulte (Essen 1882); Wiermann, Geschichte des Kulturkampfs (2. Aufl., Leipz. 1886); Jolly, Der Kirchenstreit in P. (Berl. 1882) u. a. Von Memoiren und Denkwürdigkeiten sind bemerkenswert: die "Mémoires de Brandebourg" Friedrichs d. Gr., die Memoiren des Grafen Dohna, der Markgräfin Wilhelmine von Baireuth, von Pöllnitz, Dohm, Mitchell (Lond. 1850, 2 Bde.), Görtz, Massenbach, Hardenbergs "Denkwürdigkeiten", die Werke von Varnhagen v. Ense (s. die betreffenden Artikel). Die Hauptwerke über die Geschichte der einzelnen Regenten s. die Namen derselben.