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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rankenfüßer

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Ranke - Rankenfüßer.

diesen Übungen ging die Rankesche Schule hervor, welcher die bedeutendsten Historiker der Gegenwart angehörten. Die von ihm begründeten "Jahrbücher des Deutschen Reichs unter dem sächsischen Haus" (Bd. 1-3, Abt. 1, Berl. 1837-40) enthielten Arbeiten seiner Schüler. Am 21. Dez. 1865 ward er in den Adelstand erhoben und nach Böckhs Tod 1867 Kanzler des Ordens pour le mérite. Bei der Feier seines 50- und 60jährigen Doktorjubiläums (20. Febr. 1867 und 1877) ward er von der deutschen Geschichtswissenschaft als ihr Altmeister verehrt und 1882 zum Wirklichen Geheimrat mit dem Prädikat "Exzellenz" ernannt. Nachdem er 21. Dez. 1885 seinen 90. Geburtstag gefeiert, starb er 23. Mai 1886 in Berlin. Als Geschichtschreiber nimmt R. unzweifelhaft die erste Stelle in Deutschland ein. Er besaß einen seltenen Fleiß und Scharfsinn im Auffinden von Quellen und Urkunden sowie im Sichten des von ihnen dargebotenen Materials und methodische Kritik, und sein Sinn für die konkreten Erscheinungen des Lebens, sein zugleich scharfer und tiefer psychologischer Blick, sein fein gebildeter, ästhetischer Sinn geben seinen Darstellungen eine plastische Form von hoher Vollendung. Sein Stil ist mitunter manieriert, selten schwungvoll; aber stets geistvoll und beziehungsreich. Ferner sind seine Werke ausgezeichnet durch ihren weiten Gesichtskreis, der die Geschichte der einzelnen Staaten und Völker immer im Zusammenhang der ganzen Weltgeschichte auffaßt und würdigt. Vgl. Winckler, Leopold v. R. Lichtstrahlen aus seinen Werken (Berl. 1885); v. Giesebrecht, Gedächtnisrede auf Leop. v. R. (Münch. 1887).

2) Friedrich Heinrich, evangel. Theolog, Bruder des vorigen, geb. 30. Nov. 1798 zu Wiehe in Thüringen, war zuerst Prediger in Rückersdorf bei Nürnberg, dann Dekan und gräflich Giechscher Konsistorialrat zu Thurnau, ward 1840 ordentlicher Professor der Dogmatik zu Erlangen, 1841 Konsistorialrat zuerst in Baireuth, 1845 in Ansbach, 1866 Oberkonsistorialrat in München, wo er 2. Sept. 1876 starb. Er gab außer mehreren Predigtsammlungen und andern Erbauungsschriften "Untersuchungen über den Pentateuch" (Erlang. 1834-40, 2 Bde.) heraus. Vgl. Rankes "Jugenderinnerungen mit Blicken auf das spätere Leben" (Stuttg. 1876, 2. Aufl. 1886).

3) Karl Ferdinand, Pädagog und Philolog, Bruder der vorigen, geb. 26. Mai 1802, studierte in Halle, ward Kollaborator, dann Konrektor, später Direktor des Gymnasiums zu Quedlinburg, 1837 als Direktor des pädagogischen Seminars und Professor der alten Litteratur nach Göttingen berufen und ging von hier 1842 als Direktor der vereinigten Anstalten des Friedrich Wilhelms-Gymnasiums, der Friedrich Wilhelms-Realschule und der Elisabethschule nach Berlin, wo er 29. März 1876 starb. Unter seinen philologischen Arbeiten sind zu nennen: "De Hesiodi operibus et diebus" (Götting. 1838); "De lexici Hesychiani vera origine et genuina forma" (Quedlinb. 1831); "Pollux et Lucianus" (das. 1831) und besonders seine Schrift "De Aristophanis vita" (Leipz. 1845). Auch hat er einige Schriftchen über die Geschichte Quedlinburgs, Biographien der Philologen Otfr. Müller (Berl. 1870) und August Meineke (Leipz. 1871) sowie schließlich "Rückerinnerungen an Schulpforte 1814-1821" (Halle 1874) veröffentlicht.

4) Ernst, evangel. Theolog, Bruder der vorigen, geb. 10. Sept. 1814 zu Wiehe in Thüringen, ward 1840 Pfarrer zu Buchau und 1850 Professor, 1851 Doktor der Theologie zu Marburg; starb 30. Juli 1888. Er schrieb: "Das kirchliche Perikopensystem" (Berl. 1847), "Kritische Zusammenstellung der innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands eingeführten neuen Perikopenkreise" (das. 1850) u. a. und hat sich seither durch seine der Itala (s. Bibel, S. 882) zugewandten Studien bekannt gemacht. Als Dichter trat er auf mit einer metrischen Übersetzung des Buches Tobias (Bayr. 1847), "Lieder aus großer Zeit" (Marb. 1871, 2. Aufl. 1875), "Die Schlacht im Teutoburger Walde" (das. 1875), "Rhythmica" (Wien 1881) u. a.

5) Johannes, Physiolog und Anthropolog, Sohn von R. 2), geb. 23. Aug. 1836 zu Thurgau, studierte in München, Berlin und Paris, habilitierte sich 1861 in München für Physiologie und erhielt 1869 die Professur daselbst. 1886 wurde er zum ordentlichen Professor der Anthropologie, als erster Professor dieses Faches in Deutschland, ernannt. Er schrieb: "Tetanus" (Leipz. 1865, 2. Bd. 1871); "Grundzüge der Physiologie" (4. Aufl., das. 1881); "Die Lebensbedingungen der Nerven" (das. 1868); "Die Ernährung des Menschen" (Münch. 1876); "Das Blut" (das. 1878); "Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern" (das. 1883); "Der Mensch", populäre Anthropologie (Leipz. 1886, 2 Bde.). Auch redigiert er das "Archiv für Anthropologie", die "Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns" und als Generalsekretär der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft das "Korrespondenzblatt" der letztern.

Rankenfüßer (Cirripedia), Ordnung der niedern Krebstiere (Entomostraca), erinnern in ihrem Äußern stark an Muscheln und wurden daher auch früher lange Zeit hindurch zu den Weichtieren gerechnet. Ihr eigentlicher Körper ist nämlich von einer besondern schalenartigen Hülle umgeben, von welcher meist der größte Teil verkalkt ist; zudem sind die R. festgewachsen und zeigen sich als echte Krebse nur in ihren Jugendstadien (s. unten) und in ihrem innern Bau. Kopf, Brust und Hinterleib lassen sich nicht deutlich voneinander unterscheiden, namentlich ist letzterer stark rückgebildet. Von den Gliedmaßen sind die Fühler und Mundwerkzeuge ebenfalls wenig entwickelt und die Brustfüße, welche sonst bei den Krebsen für die Fortbewegung zu sorgen haben, zu eigentümlichen rankenartigen Gebilden (daher der Name R.) umgewandelt; mit ihnen wird im Wasser ein Strudel erzeugt und so frisches Atemwasser und Nahrung herbeigeführt. Das Nervensystem (Gehirn und Bauchstrang) ist vorhanden, ebenso ein oder zwei allerdings sehr verkümmerte Augen. Der Darm fehlt nur bei einem Teil der R. (s. unten). Von besonderer Wichtigkeit sind die sogen. Zementdrüsen, welche den für die Anheftung der Tiere an ihre Unterlage nötigen Kitt liefern. Herz und Gefäßsystem sind nicht nachgewiesen worden; Kiemen fehlen, wie es scheint, stets. Sehr interessant sind die Geschlechtsverhältnisse. Die R. sind nämlich allgemein Zwitter, nebenbei aber finden sich in manchen Gattungen auf ihrem Körper als Schmarotzer noch (zwei oder mehrere) besondere Männchen, sogen. Zwergmännchen, vor, welche sich mitunter kaum noch als R. zu erkennen geben und im wesentlichen nur aus der Hode und dem Begattungsorgan bestehen. Über ihre Bedeutung und die Art, wie sie haben entstehen können, ist nichts Näheres bekannt; bei einigen Arten sind übrigens die eigentlichen R. nicht mehr Hermaphroditi, sondern durch den Verlust der männlichen Organe zu Weibchen geworden, mithin auf die Zwergmännchen angewiesen. Die Eier werden innerhalb der Schalen befruchtet und bis zur Entwickelung der Embryonen aufbewahrt; letztere schlüpfen als sogen. Nauplius (s. d.) aus, besitzen als solche (gleich den Jugendstadien