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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Russisches Reich

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Russisches Reich (Unterrichtswesen, gelehrte Gesellschaften).

im europäischen Rußland bestehenden Gymnasien war 132 mit 46,340 Schülern, der Progymnasien 55 mit 6705 Schülern, der Realschulen 76 mit 14,722, der Kadettenschulen 19 mit 7150 Schülern, der Schulen des heiligen Synods 163 mit 28,236 Schülern, und in Polen 19 Gymnasien mit 8723, 8 Progymnasien mit 1934, 3 Realschulen mit 1137 Schülern und 2 Synodalschulen mit 194 Schülern. Namentlich der Mangel an Schulen für die reale und technische Bildung ist ein allseitig empfundener. Es fehlt in Rußland an tüchtigen Technikern mittlern Ranges, zu deren Heranbildung der sechsjährige Kursus einer Realschule und die Absolvierung einer zwei- bis dreijährigen Fachschule vermutlich ausreichen würden. Eine leidliche Entwickelung haben die Eisenbahnschulen zur Ausbildung von Eisenbahntechnikern genommen, die seit ihrer Begründung (1870) von einer Schule mit 34 Schülern bis 1881 auf 33 mit 2520 Schülern angewachsen sind. Größer ist die Zahl der Navigationsschulen: 40, aber mit einer geringern Zahl von Schülern: 2012. Seit Anfang des Jahrs 1888 schenkt das Ministerium der Volksaufklärung dem Gewerbeschulwesen mehr Aufmerksamkeit und ist bemüht, ihm eine größere Verbreitung zu geben.

Das weibliche Geschlecht erhält die Bildung größtenteils in Mädchengymnasien, 121 mit 39,311 Schülerinnen (in Polen 13 mit 3716 Schülerinnen), Mädchenprogymnasien, 170 mit 21,106 Schülerinnen (in Polen 4 mit 491 Zöglingen), Fräuleininstituten, 27 mit 7426 Schülerinnen (in Polen 1 mit 257 Zöglingen) und Synodalschulen, 47 mit 10,181 Schülerinnen (in Polen keine). Zu den höchsten weiblichen Lehranstalten gehören in St. Petersburg: das Erziehungshaus adliger Fräulein, die Alexanderschule, das Pawlowsche Institut, das Katharinenstift, die Elisabethschule, das Patriotische Institut, das Nikolaische Waiseninstitut und das Marieninstitut; in Moskau: das Katharinenstift, die Alexanderschule, die Elisabethschule und das Nikolaische Waiseninstitut. Außer den vom Staat unterhaltenen Anstalten gibt es eine Anzahl Privatgymnasien und Privatschulen mit dem Lehrkursus der Kreisschulen oder Elementarschulen. Der größte Teil davon befindet sich in den Ostseeprovinzen und in Polen sowie in den Gouvernements Kiew, Moskau, St. Petersburg und Saratow. Vgl. "Rußlands Unterrichtswesen" (von Schmid, Strack u. a., Leipz. 1882). Die beiden "historisch-philologischen Institute" in St. Petersburg und Njeshin (Gouv. Tschernigow) zählen zur Kategorie der höchsten Lehranstalten und haben den Zweck, Lehrer der altklassischen Sprachen, der Geschichte und der russischen Sprache heranzubilden.

Die russischen Universitäten haben 4 Fakultäten: eine juristische, medizinische, historisch-philologische und physiko-mathematische; die Dorpater außerdem eine evangelisch-theologische. Die Universität für Finnland mit schwedischer Unterrichtssprache ist in Helsingfors. Die Zahl der Lehrenden (Professoren, Laboranten, Privatdozenten etc.) und Lernenden belief sich 1. Jan. 1884 in:

Universitäten Lehrende (1882) Lernende

St. Petersburg 99 2340

Moskau 103 3179

Kiew 105 1589

Charkow 89 1372

Kasan 109 969

Warschau 79 1395

Dorpat 65 1485

Odessa 52 610

Einen nicht unerheblichen Prozentsatz der Studierenden nehmen die Frauen ein, von denen 1886: 779 an russischen Universitäten studierten. Davon gehörten 437 dem Adel, Offiziers- und Beamtenstand an; 587 waren griechisch-orthodox, 139 Jüdinnen. Höchste Lehranstalten sind ferner: das Alexander-Lyceum in St. Petersburg; die vier geistlichen Akademien orthodoxer Konfession zu Kiew, Moskau, St. Petersburg und Kasan; das Lasarewsche Institut für morgenländische Sprachen in Moskau; die Rechtsschule in St. Petersburg; die militär-juridische Akademie in St. Petersburg; das Demidowsche juridische Lyceum in Jaroslaw; die mediko-chirurgische Akademie in St. Petersburg; das Nikolai-Lyceum in Moskau; die Veterinärinstitute in Dorpat, Charkow und Kasan; die weiblichen Kurse der mediko-chirurgischen Akademie zur Heranbildung gelehrter Hebammen; die geburtshilfliche Anstalt am St. Petersburger Erziehungshaus und die Hebammeninstitute. Zu den höchsten Militärlehranstalten gehören in St. Petersburg: die Kriegsakademie des Generalstabs, die Michailowsche Artillerieakademie, die Kriegsingenieurakademie, das Pagenkorps, die Gardejunkerschule. Außerdem bestehen mehrere Militärschulen, in welche die Schüler der Militärgymnasien nach beendigtem Kursus eintreten, das finnländische Kadettenkorps in Frederikshamn, die militär-topographische Schule in St. Petersburg und 16 Junkerschulen, die für den Frontdienst vorbereiten. Zur Heranbildung von Seeoffizieren dienen die Seeschule in St. Petersburg und die Schiffbau- und Steuermannsschulen in Kronstadt. Die drei höchsten Lehranstalten für Landwirtschaft sind: das landwirtschaftliche und Forstinstitut in Nowo-Alexandrowsk im Gouvernement Lublin, die Petrowskische landwirtschaftliche und Forstakademie bei Moskau und das landwirtschaftliche Institut in St. Petersburg. Die hervorragendsten technischen Lehranstalten sind in St. Petersburg: das praktische technologische Institut, das Berginstitut, das Institut der Ingenieure der Wegekommunikation, die Bauschule, die technische Schule, in Riga das Polytechnikum. St. Petersburg hat eine Akademie für Handelswissenschaften und eine Kommerzschule; ebensolche sind auch in Moskau und Odessa.

Die Ausgaben des Ministeriums der Volksaufklärung für Volksbildungszwecke stiegen verhältnismäßig langsam; von 1876 bis 1888, also in 12 Jahren, haben sie sich um 6 Mill. Rub. gehoben, von 15,163,443 auf 21,381,405 Rub. Die hauptsächlichsten Ausgaben sind:

1876 1888 (Voranschlag)

Für die Universitäten und Lyceen 2405976 3276601

" Gymnasien, Progymnasien etc. 4916074 \

" Realschulen etc. 1222040 9205611

" Kreis- und städtische Schulen 1158525 /

" Elementarschulen 251418 4797862

" den Unterhalt von Volksschulen 1373238 /

Der Zentralpunkt aller wissenschaftlichen Thätigkeit und der vorzüglichste Gelehrtenverein des Reichs ist die Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, zu der nach Leibniz' Plan Peter d. Gr. den ersten Grund legte, die aber erst nach ihm eröffnet wurde. Mit dieser Akademie stehen in Verbindung eine Sternwarte in St. Petersburg und das physikalische Zentralobservatorium. Zu den bedeutendsten gelehrten Instituten und Gesellschaften Rußlands gehören in St. Petersburg: die Hauptsternwarte zu Pulkowa (s. d.), die Freie Ökonomische Gesellschaft, die Archäologische Kommission, die Russische Gesellschaft für Gartenbau, die Russische