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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Scharlachbeere - Scharnhorst.

andre liegen teilnahmlos und apathisch da. Kinder werden nicht selten von vorübergehenden Zuckungen befallen. Andre Kranke ertragen das Vorläuferstadium viel leichter und scheinen während desselben kaum ernsthaft krank zu sein. Das Stadium des Scharlachausschlags kündigt sich fast immer durch eine Steigerung des Fiebers an. Auch die Kopfschmerzen, das Schwächegefühl, die Aufregung oder Apathie der Kranken steigern sich, und gerade in dieser Zeit werden bei Kindern am häufigsten konvulsivische Anfälle beobachtet. Die dunkelste Röte findet sich am Hals, an den Streckseiten der Arme und Beine, an den Gelenken, Händen und Füßen. Mit dem Ausbruch des Exanthems steigern sich die Halsbeschwerden, die Rötung des Gaumens wird stärker, die Zunge zeigt nicht bloß an den Rändern, sondern auch auf dem Rücken, von dem sich der anfangs vorhandene Belag gewöhnlich abgestoßen hat, eine dunkle Himbeerröte ("Himbeerzunge"). Das Stadium der Blüte des Ausschlags, welches 4-5 Tage anzudauern pflegt, ist dadurch charakterisiert, daß etwa am zweiten Tag desselben das Fieber, der Ausschlag und die Halsbeschwerden ihren Höhepunkt erreichen. Der Harn enthält jetzt reichliche Mengen abgestoßener Nierenepithelzellen und häufig etwas Eiweiß. Auch das Allgemeinbefinden der Kranken ist zu dieser Zeit am schwersten beeinträchtigt. Dann aber pflegen sämtliche Krankheitserscheinungen langsam abzunehmen, die Pulsfrequenz und Temperaturerhöhung herabzugehen; das Exanthem erblaßt, die Schlingbeschwerden werden geringer, und das Allgemeinbefinden bessert sich. Gewöhnlich am fünften Tag nach dem Ausbruch des Exanthems beginnt das Stadium der Abschuppung. Die Haut, welche bisher gerötet war, wird blaß, rauh und spröde, und die Epidermis löst sich in vielen kleinen Fetzen oder in größern Lappen ab; es verlieren sich auch die letzten Spuren des Fiebers und der Halsbeschwerden. Die Krankheit endigt bei normalem und gutartigem Verlauf in der 3.-4. Woche mit vollständiger Genesung. Zu den gutartigen Fällen von S. rechnet man auch noch zwei rudimentäre Formen der Krankheit, nämlich das S. ohne Halsbeschwerden (scarlatina sine angina) und solche Fälle von Angina, welche zur Zeit einer Scharlachepidemie auftreten, bei welchen aber kein Scharlachausschlag auf der äußern Haut vorhanden ist (scarlatina sine exanthemate). Ist der Verlauf ein ungünstiger, so kann in jedem Stadium der Tod eintreten, entweder unter Steigerung der fieberhaften Allgemeinkrankheit oder der Rachendiphtheritis oder der Nierenentzündung. Im letztern Fall entsteht Wassersucht. Die Behandlung erfordert, wie bei allen Seuchen, mehr Vorsichtsmaßregeln als Mixturen. Strenge Absonderung des Kindes ist dringend geboten, daneben achte man auf jede Verdauungsstörung und frage bei etwanigen Mandelschwellungen ungesäumt um ärztlichen Rat. Bei normalen Scharlachfällen sorgt man für eine gleichmäßige, eher kühle (15-20° C.) als zu warme Temperatur des Krankenzimmers, welches sorgfältig und öfters gelüftet werden muß. Als Getränk passen kühles Wasser oder eine säuerliche Limonade, als Nahrung einfache, dabei leicht nährende Suppen, Milch u. dgl. Der Kranke muß bis zur beendigten Abschuppung im Bett bleiben und auch dann noch ängstlich vor Erkältungen geschützt werden, daher mindestens noch 14 Tage das Zimmer hüten. Sonst ist in gutartigen Fällen keine besondere medikamentöse Behandlung erforderlich. Erreicht in bösartigen Fällen die Körpertemperatur eine gefahrdrohende Höhe, so leisten abkühlende Vollbäder und Einwickelungen des ganzen Körpers in nasse, kalte Leintücher vorzügliche Dienste. Diese Einwickelungen müssen drei- bis sechsmal hintereinander in Pausen von 10-15 Minuten wiederholt werden, worauf der Kranke in das Bett geschafft wird, bis sich neue Entwickelungen nötig zeigen.

Scharlachbeere, s. v. w. Kermesbeere, s. Phytolacca.

Scharlachberg, Berg, s. Bingen.

Scharlachberger, s. Rheinhessische Weine.

Scharlachgesicht, s. Kurzschwanzaffe.

Scharlachkomposition, s. Zinnchlorid.

Scharlachkörner, s. v. w. Kermeskörner, s. Kermes.

Scharlachkraut, großes, s. Salvia.

Scharlachläuse, s. v. w. Schildläuse.

Scharlachmoos, s. Cladonia.

Scharlenzen, gefallsüchtig und leicht beweglich sich bald da-, bald dorthin wenden.

Scharley, Galmeigrube bei dem schlesischen Dorf Piekar (s. d.).

Scharlotte (franz. charlotte), eine aus Rahm und Früchten zubereitete Mehlspeise. Charlotte russe, ein eisartig zubereitetes Gericht aus Sahne mit Makronen oder gebrannten Mandeln, bez. eingemachten Früchten. Eine ähnliche Speise heißt Nesselrode (s. d.).

Scharmánt (franz. charmant), reizend, allerliebst, herzgewinnend; Scharmante, früher s. v. w. Geliebte; scharmieren, reizen, bezaubern, entzücken.

Scharmbeck, Flecken mit Stadtrechten im preuß. Regierungsbezirk Stade, Kreis Osterholz, an der Linie Wunstorf-Bremerhaven der Preußischen Staatsbahn (Bahnhof Osterholz-S.), hat eine große Reisstärkefabrik, Tabaks-, Zigarren-, Wattenfabrikation, Tuchmanufaktur, Wollspinnerei, Strumpfstrickerei, Gerberei und (1885) 2384 meist evang. Einwohner.

Scharmützel (v. ital. scaramuccia), bei zufälligem Zusammentreffen entstehendes kurzes Gefecht zwischen kleinen Truppenabteilungen, bei dem von keiner Seite eine ernste Entscheidung gesucht wird.

Scharn (niederd.), öffentliche Fleisch-, Brotbank.

Scharnhorst, Gerhard Johann David von, preuß. General, geb. 12. Nov. 1756 zu Bordenau in Hannover als Sohn eines Pachters, besuchte seit 1772 die vom Grafen Schaumburg-Lippe errichtete Militärschule auf dem Wilhelmsstein und trat 1776 als Fähnrich in das hannöversche Reiterregiment des Generals v. Estorf ein. 1780 ward er Leutnant in der Artillerie, bald darauf Lehrer an der Kriegsschule, 1792 Stabshauptmann. 1793-95 machte er an der Spitze einer reitenden Kompanie die Feldzüge in Flandern und Holland in der alliierten Armee mit und hatte namentlich an der Verteidigung Menins den rühmlichsten Anteil. Nach dem Krieg 1796 zum Oberstleutnant befördert und mit litterarisch-militärischen Arbeiten beschäftigt, trat er 1801 als Oberstleutnant der Artillerie in den preußischen Dienst über und wurde zum Direktor der Lehranstalt für junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere ernannt, auf welche sein Unterricht großen Einfluß ausübte. 1802 stiftete er die "Militärische Gesellschaft" in Berlin. 1804 in den Adelstand erhoben und zum Obersten befördert, ward er 1806 als Chef des Generalstabs dem Herzog von Braunschweig zugeteilt. Obgleich in der Schlacht bei Auerstädt in der linken Seite verwundet, machte er doch den Rückzug Blüchers nach Lübeck mit. Mit Blücher gefangen, aber mit demselben bald wieder ausgewechselt, wohnte er als Generalquartiermeister in Lestocqs Korps der Schlacht bei Eylau bei. 1807 ward er an die Spitze der Militärorganisationskommission gestellt,