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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Verbum

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Verbum (Ergebnisse der Sprachvergleichung).

lich macht, keiner geheimen Gesellschaft anzugehören. In Ungarn wird derselbe nicht gefordert, weil dort die Freimaurerei staatlich gestattet ist.

Verbum (lat., Zeitwort, Aussagewort), derjenige Redeteil, welcher im Ganzen des Satzes die Bestimmung hat, die von dem Subjekt des Satzes zu machende Aussage auszudrücken. Das Nomen oder Substantiv (s. d.) und das V. sind, wie schon Aristoteles erkannte, die beiden Hauptpfeiler der Rede, und nur ganz unentwickelten Sprachen geht die Unterscheidung zwischen Nominal- und Verbalformen völlig ab. Nach ihrer Form teilt man die Verba ein in Wurzelverba (Verba primitiva), z. B. trinken, binden, und abgeleitete Verba (v. derivata), z. B. tränken, färben; sind letztere von einem Nomen oder Adjektivum abgeleitet, wie z. B. verkleinern, so heißen sie v. denominativa, ferner in einfache (v. simplicia), z. B. trinken, binden, stärken, und zusammengesetzte Verba (v. composita), z. B. betrinken, verbinden, anbinden. Nach der Bedeutung unterscheidet man zwischen transitiven Verba, d. h. solchen, die ein direktes Objekt regieren, z. B. ablegen, kennen, und intransitiven (v. intransitiva oder v. neutra), d. h. solchen, welche nur ein indirektes Objekt oder gar keins bei sich haben, z. B. gereichen, helfen, laufen, leben; unpersönlich (v. impersonale) nennt man ein V., das der Natur der Sache nach nur ein unbestimmtes Subjekt haben kann, z. B. es blitzt, es regnet. Wenn ein für sich transitives V. mit dem Akkusativ eines Reflexivpronomens (mich, dich, sich etc.) verbunden gedacht oder wirklich verbunden wird, um eine intransitive Thätigkeit zu bezeichnen, so nennt man das V. ein reflexives (v. reflexivum), z. B. sich grämen, sich täuschen, sich widersetzen. Wird ein sonst nicht reflexives V. in der reflexiven Form in der ersten, zweiten oder dritten Person des Plurals gebraucht, so bezeichnet es eine reciproke, d. h. eine wechselseitige Thätigkeit (V. reciprocum), z. B. wir lieben uns. Andre Abarten des Verbums sind das Frequentativum oder Iterativum, das öftere Geschehen, das Inchoativum, den Beginn, das Intensivum, die Intensität, das Faktitivum oder Kausativum, die Veranlassung, das Desiderativum, den Wunsch nach einer Handlung ausdrückend. Für alle diese verschiedenen Bedeutungen des Verbums besitzt die eine oder die andre Sprache auch besondere Formen der Wurzel; am reichsten an solchen Formen ist von den indogermanischen Sprachen das Sanskrit, von den semitischen das Arabische, ganz besonders beliebt sind dieselben aber in mehreren andern Sprachstämmen, so im uralaltaischen Sprachstamm, namentlich im Türkischen, und in dem südafrikanischen Sprachstamm. So heißt in der zum letztern Stamm gehörigen Kaffernsprache teta, »sprechen«; tetateta, »fortwährend sprechen, schwätzen« (Frequentativum oder Intensivum); teteka, »sich zum Sprechen anschicken« (Inchoativum); tetisa, »zum Sprechen veranlassen« (Kausativum); neben tanda. »lieben«, findet sich zitanda, »sich lieben« (Reflexivum), tandana, »einander lieben« (Reciprokum) etc.; auch können alle diese Formen miteinander kombiniert werden. Im Latein nennt man Verba mit passiver Bedeutung, aber aktiver Form entweder Neutropassiva oder Neutralia passiva. Ihrer Abwandlung (Konjugation) nach zerfallen die Verba in regelmäßige, d. h. solche, die nach einem bei der überwiegenden Mehrzahl der Verba übereinstimmend zur Anwendung kommenden Schema abgewandelt werden, und unregelmäßige oder V. anomala, bei denen größere oder geringere Abweichungen von diesem Schema stattfinden. Die Konjugation verfällt im Latein in vier, im Deutschen in zwei Unterarten (Konjugationen), die der starken (laufen, lief) und der schwachen Verba (lieben, liebte). Verba defectiva (»mangelhafte Verba«) heißen solche, die nicht alle sonst vorkommenden Verbalformen bilden können. Die Gesamtmasse der von einem regelmäßigen oder unregelmäßigen V. möglichen Formen zerfällt in zwei Hauptgruppen: V. finitum (»bestimmtes V.«) und V. infinitum (»unbestimmtes V.«). Nur die Formen der erstern Gruppe enthalten eine vollständige Aussage, die schon an und für sich einen kleinen Satz bilden kann, z. B. sprich, und sind daher streng genommen allein wirkliche Verbalformen, während die Formen des V. infinitum, z. B. das Partizip »gesprochen« oder der Infinitiv »sprechen«, nur eine unvollständige Aussage geben. In den indogermanischen Sprachen ist die Konjugation des Verbums außerordentlich reich entwickelt und umfaßt ein reichgegliedertes, kunstvoll entwickeltes System von Formen. Bei jeder Form des V. finitum kommen drei Beziehungen zum unmittelbaren Ausdruck: a) die Beziehung der Aussage auf eine bestimmte Person, erste, zweite, dritte, oder, im Dual und Plural, auf eine Zweizahl oder Mehrzahl von Personen; b) die Beziehung auf ein Zeitverhältnis, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, dann Vorvergangenheit etc.; c) die Beziehung zur Wirklichkeit, welche die Modalität der Handlung, als einer wirklichen oder bloß gedachten oder gewollten, zum Gegenstand hat. Jedes dieser Verhältnisse, mit andern Worten, Person nebst Numerus, Tempus und Modus des Verbums, wird durch besondere, an den Verbalstamm antretende Endungen oder besondere Erweiterungen oder Modifikationen desselben zum Ausdruck gebracht. Verbalstamm heißt diejenige Grundform, auf welche sich alle Verbalformen zurückführen lassen; er tritt im Deutschen gewöhnlich am reinsten in der Ausrufeform hervor (z. B. hilf, vgl. helfen, half, hülfe, geholfen). In der indogermanischen Ursprache (s. Indogermanen) wurde außer jenen drei Beziehungen an jedem V, noch eine vierte unmittelbar bezeichnet, nämlich das Thätigkeitsverhältnis. Es gab dafür zwei Reihen von Formen: für das aktive Verhältnis oder Activum und für das Medium, d. h. für dasjenige Verhältnis, wobei das V. in der reflexiven oder einer sonstigen besonders nahen Beziehung zum Träger der Aussage steht. Auch das Passivum könnte mit den letztern Formen bezeichnet werden. Auch diese Verhältnisse, das sogen. Genus des Verbums, gelangten an den Endungen zum Ausdruck. An Tempora wurden folgende sechs unterschieden: das Präsens zur Bezeichnung der Gegenwart, der Aorist zur Bezeichnung einer momentanen u. das Imperfekt zur Bezeichnung einer dauernden vergangenen Handlung, das Perfekt zum Ausdruck eines vollendeten oder abgeschlossenen Ereignisses, das Plusquamperfekt als Tempus der Vorvergangenheit und das Futurum als Tempus der Zukunft. Es gab vier Modi, welche den Inhalt der Aussage entweder als etwas Wirkliches oder Mögliches oder Wünschenswertes, oder als einen Befehl hinstellten, nämlich den Indicativus, Conjunctivus oder Subjunctivus, Optativus oder Potentialis und Imperativus. Dieser Reichtum an Formen des V. finitum hat sich später in den indogermanischen Sprachen immer mehr verringert, jedoch nicht, ohne daß für die verlornen Formen teilweise Ersatz geschaffen wurde, teils durch Neubildungen, wie im lateinischen Passivum (ihm gehören auch die Verba deponentia an, welche passive Form, aber aktive Bedeutung haben), teils durch mit