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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Verne; Vernehmen; Vernehmlassung; Vernehmung; Vernet

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Verne - Vernet.

21. Mai 1844 der ultramontanen Oberwasser (»Altschweizer«) über die Unterwalliser (»Jungschweizer«).

Verne (spr. wern), Jules, franz. Schriftsteller, geb. 8. Febr. 1828 zu Nantes, studierte in Paris die Rechte, muß sich aber schon früh auch den Naturwissenschaften zugewandt haben; denn gleich sein erster Roman, der die Reihe jener originellen, eine völlig neue Gattung begründenden Produkte Vernes eröffnete: »Cinq semaines en ballon« (1863), zeugt von jenem Studium. Der Erfolg, dessen sich diese Schöpfung erfreute, bestimmte ihn, die dramatische Laufbahn, mit der er sich bereits durch mehrere »Comédies« und Operntexte vertraut gemacht hatte, zu verlassen und sich ausschließlich dem phantastisch-naturwissenschaftlichen Roman zu widmen. In der That ist diese scheinbar sich widersprechende Bezeichnung die richtige. Denn die ganze Masse von Romanen, welche die stupende Fruchtbarkeit des Schriftstellers nacheinander zu Tage förderte, beruht auf der Ausbeutung und Verwertung naturwissenschaftlicher Thatsachen und Probleme zu romantisch-phantastischen Zwecken, die mit ebensolchen Mitteln erreicht werden. V. führt seine Leser auf den abenteuerlichsten, stets aber physikalisch motivierten Fahrten nach dem Mond, um den Mond, nach dem Mittelpunkt der Erde, »20,000 Meilen« unter das Meer, auf das Eis des Nordens und den Schnee des Montblanc, durch die Sonnenwelt etc., und man kann nicht leugnen, daß er es versteht, die ernste Lehre, wenigstens die große Fülle seiner realen Kenntnisse, mit dem Faden der poetischen Fiktion geschickt zu verweben und dem unkundigen Leser eine gewisse Anschauung von naturwissenschaftlichen Dingen und Fragen spielend beizubringen. Wir nennen hier noch seine »Aventures du capitaine Hatteras« (1867), »Les enfants du capitaine Grant«, »L'île mysterieuse«, »La découverte de la terre« (1870), »Voyage autour du monde en 80 jours« (1872), »Le docteur Ox« (1874), »Le chancellor«, »Un hivernage dans les glâces«, »Michel Strogoff (Moscou, Ircoutsk)«, »Un capitaine de 15 ans«, »Les Indes noires« (1875), »La maison à vapeur«, »Mathias Sandorf« (1887) etc., alle bereits in vielen Ausgaben erschienen und von der Lesewelt verschlungen, auch meist ins Deutsche übersetzt und in Form von Ausstattungsstücken mit nicht geringem Erfolg auf die Bühne gebracht (vgl. »Les voyages au théâtre« von V. und A. Dennery). Von einer soliden und ernsten Kunst, von Stilgesetzen, von epischer Entwickelung, von Psychologie und Charakteristik kann natürlich nach der ganzen Tendenz dieser Massenproduktion, welche den Verfasser zu einem reichen Mann gemacht hat, nicht entfernt die Rede sein. Die »Œuvres complètes« Vernes erschienen 1878 in 34 Bänden (illustrierte Ausg. 15 Bde.). Vgl. Honegger, Jules V., eine litterarische Studie (in »Unsere Zeit« 1875, 1. Hälfte).

Vernehmen, in der Jägersprache s. v. w. hören (vom Hochwild).

Vernehmlassung (Einlassung), im bürgerlichen Rechtsstreit die Beantwortung eines Parteivortrags durch die Gegenpartei, insbesondere die Beantwortung der Klage durch den Beklagten, welche früher Litiskontestation (Streitbefestigung) genannt wurde. Durch die V. auf die Klage wird der Kläger nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 243) so an den von ihm begonnenen Rechtsstreit gebunden, daß er ohne Einwilligung des Beklagten seine Klage nicht mehr zurücknehmen kann. Im Anwaltsprozeß muß die V. im mündlichen Verfahren durch die Einreichung eines Schriftsatzes vorbereitet werden, während sich der Beklagte im Parteiprozeß auf die mündliche Beantwortung beschränken darf. Der die V. enthaltende Schriftsatz muß innerhalb der ersten zwei Dritteile der sogen. Einlassungsfrist (s. d.) dem Kläger zugestellt werden.

Vernehmung, s. Verhör.

Vernet (V. les Bains, spr. wernä la bäng), Dorf im franz. Departement Ostpyrenäen, Arrondissement Prades, am Fuß des Canigou, hat berühmte Schwefelthermen (35-58° C.) mit Badeanstalten und etwa 800 Einw.

Vernet (spr. wernä), 1) Claude Joseph, franz. Maler, geb. 14. Aug. 1714 zu Avignon, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater Antoine V. (geb. 1689, gest. 1753) und ging 1734 nach Rom, wo er sich bei A. Manglard bildete. 1753 nach Frankreich zurückgekehrt, ward er Mitglied der Akademie und malte für Ludwig XV. eine Reihe von Ansichten französischer Seehäfen (jetzt im Louvre). 1763 ließ er sich zu Paris nieder, wo er 3. Dez. 1789 starb. Vernets durch reiche Staffage ausgezeichnete Landschaften und Seestücke tragen den Charakter der Schule von Claude Lorrain in ihren letzten Ausläufern; in Komposition und Lichtwirkung edel empfunden, leiden sie an konventioneller Glätte. Vgl. Lagrange, Joseph V. et la peinture au 18^{e} siècle (Par. 1863).

2) Antoine Charles Horace, genannt Carle V., Sohn und Schüler des vorigen, geb. 14. Aug. 1758 zu Bordeaux, studierte in Rom und ward 1788 Mitglied der Pariser Akademie. 1810 wurde er Mitglied des französischen Instituts. V. war hauptsächlich Darsteller Napoleonischer Schlachten, malte aber auch Porträte und Jagden und zeichnete sich namentlich in der Darstellung von Pferden und Hunden aus. Hervorragend ist er auch im komischen Genre, und seine Darstellungen von zeitgenössischen Sittenbildern sind von kulturgeschichtlichem Wert. Er starb 17. Nov. 1836 in Paris.

3) Horace, Maler, Sohn des vorigen, der berühmteste der Familie, geb. 30. Juni 1789 zu Paris, machte seine ersten Zeichenstudien bei seinem Vater und setzte sie bei dem Zeichner Moreau, dem Architekten Chalgrin und dem Maler Vincent fort. Mit einem Bilde: die Einnahme einer Redoute, wagte der 20jährige Künstler, den damals herrschenden Regeln der klassischen Schule Davids entgegenzutreten und durch kräftigen Realismus auf eine neue Bahn einzulenken. Er erwarb sich die Gunst des kaiserlichen Hofs und führte in den letzten Jahren des ersten Kaiserreichs mehrere von Maria Luise und dem König von Westfalen bestellte Gemälde aus, wie den Hund des Regiments, den Soldaten von Waterloo und das Pferd des Trompeters, die seinen Namen rasch populär machten. Nach dem Sturz des Kaiserreichs stellte er sich die Aufgabe, die eben zum Abschluß gekommene große militärische Epoche zu illustrieren, und malte von 1817 bis 1823 unter anderm die Verteidigung der Barriere von Clichy, die Schlachten von Tolosa, Jemappes, Valmy, Hanau, Montmirail, die Niedermetzelung der Mamlucken und Poniatowskis Tod, die jedoch in jener Zeit der Reaktion meist von der Ausstellungsjury zurückgewiesen wurden. Bald aber erteilte ihm Karl X. selbst Aufträge, wie sein Reiterbildnis bei einer Truppenrevue, dann ein zweites mit den Herzögen von Angoulême und Orléans, die Ausmalung eines Plafonds im Louvre-Museum, und gestattete ihm auch 1827, eins seiner Hauptbilder, die Brücke von Arcole, auszustellen. 1828 zum Direktor der französischen Akademie in Rom ernannt, verweilte V. dort bis 1835 und widmete sich dem Studium der italienischen Schule, dessen Resultat