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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Vogtei - Voigt.

Vogtei (Voigtei, Mundium, Advocatia), Bezeichnung für die deutschrechtliche Schutzgewalt, d. h. die Befugnis, andre so zu schützen und so zu vertreten, daß diese dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis versetzt werden. Vögte finden sich zunächst bei den Kirchen und Klöstern (Schirmvögte). Dann bestellten die Kaiser für ihre unmittelbaren Besitzungen Vögte als deren Verwalter, die den Gegensatz zu den eigentlichen Grafen als Fürsten des Reichs bildeten. Auch die Städte erhielten von ihrem Herrn, dem Landesherrn oder dem Kaiser, einen Vogt (Voigt, advocatus) oder einen Schultheiß (scultetus), bisweilen auch beide Beamte nebeneinander. Übrigens wurden auch andre niedere Beamte Vögte genannt (Kirchenvogt, Schloßvogt, Hausvogt, Feldvogt etc.), sowie umgekehrt selbst der König als Vogt vorkommt. Erstere Bezeichnungen sind hier und da noch jetzt gebräuchlich. Mit V. bezeichnete man auch die Schutzgewalt des Ehemanns und Vormundes.

Vogtland (Terra advocatorum), der Landstrich, welcher den ehemaligen vogtländischen Kreis des Königreichs Sachsen, gegenwärtig den südwestlichen Teil der Kreishauptmannschaft Zwickau, die reußischen Fürstentümer, das weimarische Amt Weida, das altenburgische Amt Ronneburg, den preußischen Kreis Ziegenrück und die ehemalige Landeshauptmannschaft Hof im bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken umfaßt. Der Name V. bezeichnet das durch besondere Vögte verwaltete reichsunmittelbare Land. Solche Vögte finden sich daselbst zu Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrh.; erblich wurde die Vogtei sehr bald in dem Haus Reuß (s. d., Geschichte). Doch ist der ganze V. genannte Landstrich nie ausschließliches Eigentum der reußischen Vögte gewesen, denn es wohnten immer andre reichsunmittelbare Dynasten dazwischen, z. B. die Grafen von Eberstein bei Plauen, die Herren von Lobedaburg, die Grafen von Orlamünde etc. Die Landeshauptmannschaft Hof kam 1373 an die Burggrafen von Nürnberg. Das sächsische V., welches damals in den Vogtländischen und Neustädter Kreis zerfiel, kam 1656 durch Testament des Kurfürsten Johann Georg I. an die Linie Sachsen-Zeitz, fiel aber mit dem Absterben dieser Linie 1718 wieder an das Kurhaus zurück. Durch die Teilung Sachsens von 1815 kam der Neustädter Kreis an Preußen, welches nachher den größten Teil desselben an Weimar überlassen hat. Vgl. Limmer, Geschichte des Vogtlandes (Gera 1825-28, 4 Bde.); Köhler, Volksbrauch im V. (Leipz. 1867); Forbriger, Das V. (2. Aufl., Reichenb. 1887); Bein, Industrie des sächsischen Voigtlandes (Leipz. 1883-84, 2 Tle.); Metzner, Führer durch das gesamte V. (3. Aufl., Plauen 1888).

Vogtländische Schweiz, Name der an landschaftlichen Schönheiten reichen Gegend zwischen Plauen und Elsterberg, an der obern Elster, deren Glanzpunkte das hochromantische, enge, von hohen Felsen eingeschlossene Elsterthal, Steinicht genannt, die Rentschmühle und das seitwärts sich öffnende Triebthal bilden.

Vogüé (spr. woghüe), Charles Jean Melchior, Graf von, franz. Archäolog, geb. 1829 zu Paris, wandte sich frühzeitig dem Studium der Religionsgeschichte und der orientalischen Kunst zu und machte 1853-54, dann 1861 und 1862 (mit Waddington) wissenschaftliche Reisen in Syrien und Palästina. Vom Mai 1871 bis 1875 bekleidete er den Botschafterposten in Konstantinopel, vom Juni d. J. bis Februar 1879 den in Wien. 1868 wurde er Mitglied der Akademie der Inschriften und schönen Wissenschaften. Er veröffentlichte: »Les églises de la Terre-Sainte« (1859); »Le temple de Jérusalem« (1864-65); »L'architecture civile et religieuse du I^{er} au VI^{e} siècle dans la Syrie centrale« (1865-77, 2 Bde.); »Mélanges d'archéologie orientale« (1869); »Inscriptions sémitiques« (mit Übersetzung und Kommentar, 1869-77) und eine Biographie des Marschall Villars (1888, 2 Bde.), dessen Memoiren er auch herausgab (1884-87, 2 Bde.). - Sein Vetter Eugen Melchior, Graf von V., ebenfalls Diplomat, geb. 1850 zu Nizza, seit 1888 Mitglied der Akademie, schrieb: »Syrie, Palestine, mont Athos«. Reiseskizze (2. Aufl. 1887); »Histoires orientales« (1879); »Le fils de Pierre le Grand« (1884); »Le roman russe« (2. Aufl. 1888); »Histoires d'hiver« (1885); »Souvenirs et visions« (1887) u. a.

Vogue la galère! (franz., spr. wogh la galähr, »es schwimme die Galeere!«), sprichwörtlich für: es sei gewagt, komme was da wolle!

Vohburg, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt Pfaffenhofen, an der Donau und der Linie Regensburg-Hochzoll der Bayrischen Staatsbahn, hat ein Hospital, ein Leprosenhaus, Bierbrauerei, ausgedehnten Getreide-, Hopfen- und Schweinehandel und (1885) 1601 Einw. Dabei die schöne St. Peterskirche, ein Schloß, der aus uralter Zeit stammende Zehntstadel und die Ruinen der alten Burg V., welche der Sitz des 1204 ausgestorbenen gleichnamigen Grafengeschlechts war und 1641 von den Schweden zerstört wurde. Auf derselben wohnte Agnes Bernauer in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung mit dem Herzog Albrecht von Bayern.

Vohenstrauß, Flecken und Bezirksamtshauptort im bayr. Regierungsbezirk Oberpfalz, an der Linie Weiden-V. der Bayrischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, ein Forstamt und (1885) 1704 Einw. Das zu V. gehörige Schloß Friedrichsburg war ehemals Residenz der Linie Pfalz-Neuburg-Veldenz des Wittelsbacher Hauses.

Vöhl, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Frankenberg, hat eine evang. Kirche, ein Schloß, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei und (1885) 760 Ew.

Vöhrenbach, Stadt im bad. Kreis Villingen, an der Brege und im Schwarzwald, 799 m ü. M., hat eine kath. Kirche, eine Gewerbe-, eine Musik- und eine Strohflechtschule, Fabrikation von Uhren und Musikwerken (Orchestrions), Sandstein- und Porphyrbrüche und (1885) 1341 Einw.

Vohwinkel, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Düsseldorf, Kreis Mettmann, zur Bürgermeisterei Sonnborn gehörig, Knotenpunkt der Linien Neuß-Schwelm und V.-Steele der Preußischen Staatsbahn, 170 m ü. M., ist Sitz des Landratsamtes für den Kreis Mettmann, hat mechanische Weberei, Kalksteinbrüche, Fabrikation von Tapeten und landwirtschaftlichen Maschinen und (1885) 1936 Einw.

Voigt, 1) Johann Karl Wilhelm, Mineralog und Geognost, geb. 20. Febr. 1752 zu Allstedt, studierte seit 1773 in Jena die Rechte, dann in Freiberg seit 1776 Mineralogie, beschäftigte sich viel mit der Erforschung der Bildung des Basalts und der vulkanischen Produkte, bereiste in mineralogischem Interesse das Herzogtum Weimar und das Hochstift Fulda, begleitete den Herzog von Weimar auf seinen Reisen als Naturforscher, ward 1785 Bergsekretär und 1789 Bergrat in Ilmenau und starb 1. Jan. 1821. Er schrieb: »Mineralogische Reisen« (Weim. 1781-85, 2 Bde.); »Mineralogische Beschreibung des Hochstifts Fulda« (Dessau 1783); »Handbuch der praktischen Gebirgskunde« (Weim. 1792); »Mineralogische Reisen nach den Braunkohlenwerken und Basalten in