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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Zinsenstamm - Zinsrechnung.

geschäften leicht sehr hohe Z. gegeben werden. Jeweilig wird er gleich der Nutzung des relativ unfruchtbarsten Geschäfts sein, welches noch das letzt angebotene Kapitalteilchen ohne Verlust zu verwenden vermag. Dieser im Gebiet des Produktivkredits bestimmte Zinssatz ist auch im allgemeinen bestimmend für denjenigen des Konsumtivkredits, welcher heute dem erstern gegenüber eine verhältnismäßig weit geringere Rolle spielt als früher. Allerdings wird sich ein mittlerer, überall maßgebender Zinssatz nur unter der Voraussetzung bilden, daß die Konkurrenz auf dem Kapitalmarkt eine voll wirksame ist. Aus diesem Grund werden durch Organisation des Kredits, welche für regelmäßige und rasche Ausgleichung von Angebot und Nachfrage sorgt, sowie durch Ausdehnung und Verbesserung des gesamten Verkehrswesens die Extreme einander genähert, innerhalb deren der Zins zeitlich und örtlich zu schwanken pflegt. Abweichungen von dem allgemeinen Zinssatz können in gegebenen Fällen durch alle diejenigen Ursachen hervorgerufen werden, welche überhaupt bei der Preisbildung wirksam sein können, wie Unkenntnis, Leichtsinn, Notlage, rabulistische Ausbeutung u. dgl. Insbesondere werden etwanige Verschiedenheiten auch durch die Sicherheit bedingt, welche dem Kapitalbesitzer geboten wird. Ist Gefahr vorhanden, daß letzterer Verluste erleide, so wird er sich eine der Höhe dieser Gefahr entsprechende Risikoprämie (oft auch Assekuranzprämie genannt) ausbedingen, welche teils von allgemeinen Umständen, wie Rechtssicherheit, Verkehrsverhältnisse, teils von nur in dem besondern Fall auftretenden Bedingungen, wie Sicherheit der Person und der Unternehmung, Art der besondern rechtlichen Sicherstellung (Real- gegenüber Personalkredit), abhängig ist. So umfaßt dasjenige, was man gewöhnlich schlechthin Zins nennt, jene Risikoprämie neben der eigentlichen Vergütung für überlassene Kapitalnutzung (Zins im engern Sinn). Dem entsprechend kann denn auch der berechnete Zinsfuß bei Darlehen auf länger dauernde Anlagen (Anlagezinsfuß) ein andrer sein wie derjenige für Darlehen auf kurze Fristen, wie der Lombardzinsfuß, der kaufmännische oder Bankzinsfuß und insbesondere der Wechselzinsfuß (Diskontsatz). Die Verlustchancen werden häufig unterschätzt, während die Neigung zur Überschätzung eintritt, sobald einige Verluste wirklich erfolgt sind und eine allgemeine Panik hervorrufen. Insbesondere wird bei dem Konsumtivkredit, für welchen sehr häufig eine reale Sicherheit (Pfand) nicht geboten werden kann, die Überschätzung auf seiten des Kapitalisten leicht einem zu großen Vertrauen des Kapitalbedürftigen auf spätere Zahlungsfähigkeit begegnen, was oft eine schrankenlose Steigerung des Zinsfußes veranlaßt. Aus den angegebenen Gründen wird der Zinsfuß bei rohen Völkern höher sein als bei solchen, die auf höherer Stufe der Wirtschaft und Kultur stehen.

Seine soziale Rechtfertigung findet der Zins in der Rolle, welche die Zeit in der Wirtschaft spielt. Der Besitzer des Kapitals verzichtet auf dessen Verwendung, während der Schuldner aus demselben einen Nutzen zu ziehen vermag, dessen Größe mit der Zeit der Verwendung zunimmt. Ein unverzinsliches Darlehen ist darum auch, wie Knies richtig bemerkt, einer verschenkten Kapitalnutzung gleich zu achten. In richtiger Würdigung dieses Umstandes sind auch die frühern Verbote des sogen. Zinswuchers, d. h. des Zinsnehmens schlechthin, in neuerer Zeit meistens wieder beseitigt worden (s. Wucher). Als Verzugszinsen sind regelmäßig landesübliche Z., d. h. in Deutschland meist 5 Proz., zu beanspruchen; doch ist die Höhe derselben bei Handelsgeschäften nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 287) auf sechs vom Hundert fixiert. Vgl. Kahn, Geschichte des Zinsfußes in Deutschland seit 1815 (Stuttg. 1884). S. auch Zinsrechnung und Anatozismus.

Zinsenstamm, s. v. w. Talon, s. Koupon.

Zinsenversicherung, ein Zweig der Hypothekenversicherung (s. d.), durch welchen dem Gläubiger gegen eine Prämie der richtige Eingang der Zinsen versichert wird.

Zinseszins, s. Anatozismus u. Zinsrechnung.

Zinsfuß, s. Zinsen.

Zinsgarantie, die Gewähr, daß das in einem Unternehmen angelegte Kapital wenigstens zu einem bestimmten Zinsfuß rentiere, mit der Maßgabe, daß der Garantierende bei geringerer Einträglichkeit für den Fehlbetrag aufkomme; wurde besonders in einigen Ländern angewandt, um Private zum Bau von Eisenbahnen anzureizen.

Zinsgetreide, in Getreide entrichteter Grundzins (s. Grundzinsen).

Zinsleiste, s. Koupon.

Zinspolitik, das Verhalten des Staats gegenüber dem Geben und Nehmen von Zinsen; die hierauf bezüglichen Gesetze heißen Zinsgesetze, welche im engern Sinn auch als gleichbedeutend mit Wuchergesetzen genommen werden (vgl. Wucher).

Zinsrechnung (Interessenrechnung), die Berechnung einer der Größen, welche bei Verzinsung eines Kapitals in Betracht kommen, aus den übrigen. Diese Größen sind: das zinsentragende oder reine Kapital c, der Zinsfuß, die Zeit, die Zinsen z und das um die Zinsen vermehrte Kapital C. Der Zinsfuß wird fast immer in Prozenten ausgedrückt, d. h. man gibt die Zinsen p an, welche das Kapital 100 in der Zeiteinheit trägt. Als solche dient bei Angabe des Zinsfußes gewöhnlich das Jahr, seltener der Monat. Übrigens drückt man die Zeit in Jahren, Monaten und Tagen aus, wobei das Jahr zu 12 Monaten und gewöhnlich der Monat zu 30 Tagen, also das Jahr zu 360 Tagen, gerechnet wird. Letzteres geschieht in Deutschland auch meist dann noch, wenn man jeden Monat zu so viel Tagen rechnet, als er hat. In Großbritannien und seinen Kolonien sowie in den Vereinigten Staaten wird aber das Jahr zu 365 Tagen gerechnet. Bei Zählung der Tage wird der Verfalltag der Zinsen gewöhnlich nicht mit gerechnet, vom 1.-12. Aug. sind also 11 Tage; nur an einzelnen Handelsplätzen (Leipzig, Hamburg) wird dieser Tag mit gezählt bei Verzinsung von Wertpapieren, so daß vom 1.-12. Aug. 12 Tage sind. Die Zinsen sind entweder einfache, die nicht selbst wieder verzinst werden, oder zusammengesetzte oder Zinseszinsen, welche nach Ablauf einer bestimmten Zeit, gewöhnlich eines ganzen oder halben Jahrs, zum Kapital geschlagen und dann mit diesem verzinst werden. I. Die einfachen Zinsen des Kapitals c zu p Proz. (jährlich) betragen in n Jahren

z = c p n / 100 (1).

Ist die Zeit n nicht in Jahren, sondern in Monaten oder Tagen gegeben, so hat man noch mit 12, beziehentlich 360 (oder 365) zu dividieren. Es geben also c = 1850 Mk. zu p = 5 Proz. in 2 Jahren 85 Tagen = 805 Tagen die Zinsen z = 1850*5*805/(100*360) = 206,84 Mk. Das vermehrte Kapital ist nach n Jahren

C = c + z = c * (100 + pn) / 100 (2).