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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zuständigkeitsgesetz; Zustandsvormundschaft; Zustellung

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Zuständigkeitsgesetz - Zustellung.

In solchen Fällen ist die Entscheidung des betreffenden Obergerichts maßgebend. Schwieriger gestaltet sich die Frage, wenn es streitig ist, ob eine Angelegenheit vor die Verwaltungsbehörden, oder ob sie vor die Gerichte gehöre, ob sie also eine Justiz- oder eine Verwaltungssache sei (s. Verwaltung). Neuerdings wird sogar der Ausdruck »Kompetenzkonflikt« nur zur Bezeichnung dieses Falles gebraucht, während man im Gegensatz hierzu von einem Kompetenzstreit spricht, wenn die Zuständigkeit mehrerer Gerichts- oder mehrerer Verwaltungsbehörden untereinander in Frage steht. Nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (§ 17) haben bei Kompetenzkonflikten der erstern Art prinzipiell die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Die Landesgesetzgebung kann jedoch die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtswegs besondern Behörden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen übertragen:

1) Die Mitglieder eines Kompetenzgerichtshofs werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amtes oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung vom Amt kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden.

2) Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß dem Reichsgericht oder dem obersten Landesgericht oder einem Oberlandesgericht angehören. Bei Entscheidungen dürfen Mitglieder nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. Diese Anzahl muß eine ungerade sein und mindestens fünf betragen.

3) Das Verfahren ist gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung erfolgt in öffentlicher Sitzung nach Ladung der Parteien.

4) Sofern die Zulässigkeit des Rechtswegs durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts feststeht, ohne daß zuvor auf die Entscheidung der besondern Behörde angetragen war, bleibt die Entscheidung des Gerichts maßgebend.

In vielen Staaten sind nämlich für die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten besondere Gerichtshöfe eingerichtet, welche teils aus richterlichen, teils aus administrativen Beamten zusammengesetzt sind; so z. B. in Preußen der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, welcher nach der Verordnung vom 1. Aug. 1879 aus elf vom König auf Vorschlag des Staatsministeriums ernannten Mitgliedern besteht, wovon sechs Mitglieder des Kammergerichts und fünf für den höhern Verwaltungsdienst oder zum Richteramt befähigt sein müssen. Zur »Erhebung des Kompetenzkonflikts« sind nur die Zentral- und Provinzialbehörden befugt. Haben sich sowohl die Gerichte als die Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbehörden für unzuständig erklärt, so entscheidet der Kompetenzgerichtshof auf Antrag einer beteiligten Partei. In Baden werden die Kompetenzkonflikte durch das Staatsministerium unter Ausschluß des beteiligten Fachministers und unter Zuziehung von drei Mitgliedern der Gerichtshöfe entschieden, in Hessen durch den Verwaltungsgerichtshof. In Frankreich steht die Entscheidung dem Staatsrat, in England den Reichsgerichten, in Holland und Belgien dem Kassationshof, in Nordamerika den Justizbehörden, in Italien und Spanien dem Staatsrat und in den meisten schweizerischen Kantonen dem Großen Rat zu. In Österreich entscheidet Kompetenzkonflikte das Reichsgericht und Kompetenzkonflikte zwischen dem letztern und dem Verwaltungsgerichtshof ein aus je vier Mitgliedern beider Gerichtshöfe zusammengesetzter Senat unter dem Vorsitz des Präsidenten des obersten Gerichtshofs oder seines Stellvertreters. Im Deutschen Reich, wo selbst die Angelegenheit fast in allen Staaten durch die Gesetzgebung geordnet ist, kann die Entscheidung der Kompetenzkonflikte auf Antrag eines Bundesstaats und mit Zustimmung des Bundesrats auch dem Reichsgericht durch kaiserliche Verordnung überwiesen werden. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Verwaltungsbehörden u. Verwaltungsgerichten werden in Preußen vom Oberverwaltungsgericht, in Württemberg vom Kompetenzgerichtshof und in Bayern von einem besondern Senat des Verwaltungsgerichtshofs entschieden, der sich aus höhern Verwaltungsbeamten und Mitgliedern des obersten Verwaltungsgerichtshofs zusammensetzt. Endlich ist auch die Kompetenzfrage in Ansehung der richterlichen und der gesetzgebenden Gewalt vielfach erörtert worden, und die Ansicht, daß der Richter zwar nicht über die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, d. h. über die verfassungsmäßige Entstehung desselben, unmittelbar entscheiden, wohl aber in einem gegebenen Fall ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit seiner Entstehung oder Verkündigung für unanwendbar erklären und somit mittelbar über dessen Gültigkeit erkennen könne, ist jetzt als die herrschende zu bezeichnen. Vgl. Pfeiffer, Praktische Ausführungen, Bd. 3, S. 182-632; Bd. 5, S. 201 ff.; Bd. 6, S. 1-124 (Hannov. 1831-41); Baasel und Harnisch, Die Z. der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden (Düsseld. 1889); weitere Litteratur beim Artikel Verwaltung.

Zuständigkeitsgesetz (Kompetenzgesetz), Rechtsnorm, welche die Zuständigkeit von Behörden regelt; namentlich kurze Bezeichnung für das preußische Gesetz vom 1. Aug. 1883 über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden.

Zustandsvormundschaft, s. Vormundschaft.

Zustellung (Behändigung, Insinuation), die Übergabe eines Schriftstücks, namentlich die amtliche Mitteilung einer Verfügung seitens der zuständigen Behörde und die Beurkundung dieses Aktes. Da im bürgerlichen Prozeß Rechtsnachteile damit verbunden sind, wenn ein Termin oder eine Frist nicht eingehalten wird, so kommt es hier auf die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über die Z. besonders an (vgl. Ladung). Derjenige, von welchem eine Z. ausgeht, heißt im Sprachgebrauch der deutschen Zivilprozeßordnung »der betreibende Teil«. Je nachdem nun das Gericht oder eine Partei der betreibende Teil ist, wird zwischen amtlicher und privater Z. unterschieden. Erstere tritt namentlich bei der Vorladung von Zeugen und Sachverständigen ein, während sonst die Zustellungen zumeist auf Betreiben der einen an die andre Partei erfolgen. Die Z. erfolgt entweder durch den Gerichtsvollzieher, oder durch die Post, oder von »Anwalt zu Anwalt«. Im letztern Fall übermittelt einfach der Anwalt der einen dem Anwalt der andern Partei die zu behändigende beglaubigte Abschrift gegen einfachen Empfangschein. Diese Form der Z. setzt aber voraus, daß beide Parteien durch Anwalte vertreten, und daß die letztern über ebendiese Form der Z. einverstanden sind. Die regelmäßigen Zustellungsformen sind die Z. durch den Gerichtsvollzieher und die Z. durch die Post. Im Anwaltsprozeß (vor den Kollegialgerichten) müssen die Zustellungen durch die Post immer durch Vermittelung des Gerichtsvollziehers geschehen. Im Parteiprozeß (vor dem Amtsgericht) kann auch der Gerichtsschreiber die Z. ver-^[folgende Seite]