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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bakterien

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Bakterien (Krankheitserreger beim Menschen).

und es sind mit Hilfe dieser Methoden die einzelnen spezifischen pathogenen Arten aufgefunden worden. Dieselben sind folgende:

Streptococcus erysipelatos, Kettenkokkus des Rotlaufs, der Erzeuger der Wundrose oder des Rotlaufs, von Fehleisen aus rotlaufkranker Haut gezüchtet, kleine, runde Zellen, welche sowohl im Gewebe als in künstlichen Kulturen sich kettenförmig aneinander lagern. Werden sie in Fleischbrühe gezüchtet, so findet man lange Ketten solcher Kokken, welche unter dem Mikroskop sehr zierliche Bilder geben. Die Reinkulturen erzeugen, auf den Menschen übertragen, Rotlauf. Dieser Versuch wurde zu Heilzwecken unternommen, weil man beobachtet hatte, daß zuweilen bösartige Geschwülste zurückgingen, wenn die Patienten sich zufällig einen Rotlauf erworben hatten.

Staphylococcus pyogenes aureus und albus, der gelbe und der weiße eitererregende Traubenkokkus, sind die häufigsten Erreger von Eiterungen und zwar leichtester bis schwerster Art; bei der Blutvergiftung und geschwürigen Herzentzündung (Endocarditis ulcerosa) wie beim Furunkel oder der Entzündung des Nagelgliedes findet man diese Mikrokokken. Die Kulturen sind oft von weißer, oft von schön orangegelber Farbe; ein weiterer Unterschied zwischen beiden besteht nicht. Die Kokken sind noch etwas kleiner als die Erysipelkokken, ordnen sich aber niemals in Ketten, sondern in traubenförmigen Haufen. Der Staphylokokkus widersteht dem Eintrocknen lange Zeit und wird auch durch Kochen erst nach mehreren Minuten getötet.

Streptococcus pyogenes, der eitererregende Kettenkokkus, findet sich gleichfalls häufig in denselben Fällen wie Staphylococcus, oft mit diesem zusammen, oft auch allein; er ist ferner der Erreger der meisten Mit- und Nachkrankheiten, welche bei schweren andern Infektionskrankheiten, z. B. bei Pocken, Scharlach, Diphtherie, Typhus, vorkommen. Von Streptococcus erysipelatos ist er nicht zu unterscheiden, wahrscheinlich sind die beiden identisch und besteht der Unterschied nur in der Wirkung, je nachdem er sich in den Organen ansiedeln kann oder in den oberflächlichen Schichten unsrer Haut. In seiner Widerstandskraft verhält er sich ähnlich wie Staphylococcus. Die genannten Bakterienarten sind überall außerordentlich verbreitet, in der Luft, in unsern Kleidern, in unserm Körper, in unsrer Mundhöhle etc. Überall lauern dieselben, bis eine kleine Hautverletzung u. dgl. ihnen Eingang verschafft. Ihre große Verbreitung hat veranlaßt, daß man fast bis vor 15 Jahren glaubte, die Eiterung sei bei jeder Wunde eine notwendige Reaktion.

Die Tetanusbacillen erzeugen die verderblichste aller Wundinfektionskrankheiten, den Wundstarrkrampf. Diese Bacillen, bez. deren sehr widerstandsfähige Sporen finden sich in jeder Gartenerde. Sie sind streng anaerob; ihre Reinzüchtung macht daher besondere Schwierigkeiten und ist erst vor kurzem gelungen. Sie wachsen auf Gelatine, gut in Wasserstoffgas, aber nicht in Kohlensäure. Meist kommen sie vereinigt mit andern Erdbakterien vor, von welchen sie nur durch wiederholtes stundenlanges Erhitzen auf 80° getrennt werden können. Dies halten die Tetanusbacillen aus, die andern sterben ab. Ihre Form ist eigentümlich stecknadelförmig, da jeder Bacillus an einem Ende eine Spore trägt. Aus diesen Bacillen isolierte Brieger das oben erwähnte giftige Tetanin. Alle genannten B. der Wundinfektionskrankheiten nehmen die Anilinfarben leicht an.

Tuberkelbacillen, von Koch 1881 entdeckt und als Erreger der Tuberkulose nachgewiesen. Schlanke, unbewegliche Stäbchen von 0,0015-0,0035 mm Länge; sie sind von allen andern B. (mit Ausnahme der Leprabacillen) sehr leicht zu unterscheiden dadurch, daß sie sich gegen die zur Untersuchung gebrauchten Anilinfarben anders verhalten: sie nehmen dieselben langsamer auf, halten sie aber fester, und dadurch gelingt es, die Tuberkelbacillen mit einer andern Farbe zu färben als alle sonstigen im Präparat vorhandenen B.; untersucht man also Lungenauswurf, welcher B. aller Art enthält, so kann man etwa darin enthaltene Tuberkelbacillen durch diese Doppelfärbung leicht erkennen. Die Tuberkelbacillen sind streng obligatorische Parasiten; ihre künstliche Züchtung gelingt nur auf erstarrtem Blutserum oder auf Agar-Agar (s. Bakterioskopische Untersuchungen, Bd. 2) mit Glycerinzusatz im Brutschrank bei 37,5°. Sie wachsen äußerst langsam; die Kultur braucht zu ihrer vollen Entwickelung 14 Tage. Der Nachweis, daß sie wirklich die Erreger der Tuberkulose sind, wurde dadurch erbracht, daß es gelang, mittels dieser Reinkulturen bei Tieren Tuberkulose zu erzeugen.

Bacillen der Lepra oder des Aussatzes; dieselben haben, wie schon erwähnt, mit den Tuberkelbacillen das eigentümliche Verhalten gegen die Anilinfarben gemein, auch unterscheiden sie sich sonst in ihrem Aussehen gar nicht von denselben, nur sieht man sie in Gewebsschnitten meist innerhalb der Gewebszellen liegen, während die Tuberkelbacillen vorwiegend außerhalb der Zellen gefunden werden. Durch ein andres Färbeverfahren, die sogen. Gramsche Methode, können sie jedoch von den Tuberkelbacillen unterschieden werden. Eine künstliche Züchtung der Leprabacillen ist noch nicht mit Sicherheit geglückt.

Bacillen der Diphtherie, von Löffler entdeckt und als Erreger dieser Krankheit nachgewiesen. Sie bilden Stäbchen von der Länge der Tuberkelbacillen, sind aber etwa doppelt so dick, mit abgerundeten Enden; sie sind unbeweglich und tragen keine Sporen. Sie nehmen die meisten Anilinfarben nur schwer auf, dagegen färben sie sich rasch und intensiv mit alkalischer Methylenblaulösung. Sie wachsen zwar auf (15proz.) Gelatine bei 24°, entarten aber schnell auf diesem Nährboden; sehr üppig gedeihen sie dagegen auf mit Traubenzucker versetztem Rinderblutserum. Löffler fand die Diphtheriebacillen stets in den diphtherischen Auflagerungen.

Bacillen der Lungenentzündung. Es sind hier zwei verschiedene Bakterienarten beobachtet worden, die eine wurde von Friedländer, die andre von A. Fränkel aus dem Auswurf an Lungenentzündung erkrankter Personen isoliert. Die beiden Organismen sind sich ziemlich ähnlich: Kurzstäbchen (daher wurden beide anfänglich für Mikrokokken gehalten), welche meist zu zweien vereinigt in einer Gallerthülle, der sogen. Kapsel, liegen. Der Friedländersche Bacillus gedeiht auf Gelatine bei Zimmertemperatur, der Fränkelsche nur bei Bruttemperatur auf Agar-Agar. Der Bacillus Fränkel hat mehr Wahrscheinlichkeit für sich, der wahre Erreger der Lungenentzündung zu sein; doch ist auch bezüglich des Friedländerschen Mikroorganismus nicht unwahrscheinlich, daß er bei gewissen Formen der Lungenentzündung eine ursachliche Bedeutung besitzt.

Bacillen der asiatischen Cholera, von der deutschen Kommission zur Erforschung der Cholera unter Kochs Leitung 1883 in Indien entdeckt, bilden gekrümmte Stäbchen; sie sind streng genommen keine Bacillen, sondern Spirillen, was an längern Verbänden derselben deutlich wahrzunehmen ist. Die Anilinfarben nehmen sie nicht besonders leicht an, doch