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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kulturgeschichtliche Litteratur

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Kulturgeschichtliche Litteratur (europäisches Mittelalter).

orientalischen Religionen« (Berl. 1887, Bd. 1, Einleitung), sodann das wichtige Werk von E. H. Meyer, »Indogermanische Mythen«, 2. Teil, Achilleus (das. 1887), welches die der Ilias zu Grunde liegenden Mythenkreise zu sondern und den ältesten Peleus- und Achilleusmythus auf Naturvorstellungen zurückzuführen versucht (Peleus der Donnerherr, Thetis die Wolkenfrau, Achilleus der Blitz, Apollon der Sturmgott, Hektor der Regen zurückhaltende Dämon etc.; eine populäre Zusammenfassung der hier gewonnenen Ergebnisse in desselben Verfassers »Homer und die Ilias«, Berl. 1887), weiter O. Seecks originelle, aber viel bestrittene Schrift »Die Quellen der Odyssee« (das. 1887), welche in ähnlicher Weise den ersten Ausgangspunkt für die Odyssee im Naturmythus sucht: Odysseus ist ihm ein Sonnengott, Penelope die Mondgöttin. Für die sozialen Verhältnisse sind beachtenswert J. ^[Julius] Belochs Untersuchungen über »Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt« (Leipz. 1886), dessen Berechnungen freilich nicht überall auf sicherer Grundlage ruhen (vgl. den besondern Bericht im Art. Bevölkerungsgeschichte); »Die Sklaverei im griechischen Altertum« schildert W. Richter (Bresl. 1886) mit fleißiger Benutzung der vorhandenen Quellen und Hilfsmittel, die »Altgriechische Tracht« J. ^[richtig: F. für Franz] Studniczka (Wien 1886), »Erziehung und Jugendunterricht bei den Griechen und Römern« J. L. ^[Johan Ludvig] Ussing (Berl. 1885), den Wucher in Rom T. Falchi, »L'usura in Roma nel quarto e quinto secolo« (Prato 1890). Ein französischer Admiral, Jurien de la Gravière, behandelt »La marine des Ptolémées et la marine des Romains« (Par. 1884, 2 Bde.), und zwar sowohl Kriegs- als Handelsmarine, ein Engländer, J. ^[John] Mahaffy, »Greek life and thought from the age of Alexander to the Roman conquest« (Lond. 1886), das gesamte griechische Leben und Denken in der Zeit von Alexander d. Gr. bis zur Unterwerfung durch die Römer, ein andrer, W. R. Inge, das gesellschaftliche Leben Roms während der Kaiserzeit (»The society in Rome under the Caesars«, das. 1888). Wir erwähnen noch A. Baranski, »Geschichte der Tierzucht und Tiermedizin im Altertum« (Wien 1886); O. Keller, »Tiere des klassischen Altertums in kulturgeschichtlicher Beziehung« (Innsbr. 1887); A. Seidensticker, »Waldgeschichte des Altertums« (Frankf. a. O. 1886, 2 Bde.); H. Blümner, »Technologie und Terminologie der Gewerbe bei Griechen und Römern« (Leipz. 1875-87, 4 Bde.); A. Dupouy, »La prostitution dans l'antiquité« (Par. 1887).

J. ^[Jean] Révilles interessantes Buch »La religion à Rome sous les Sévères« (Par. 1886), in welchem der Verfasser für das 2. Jahrh. ein eigenartiges religiöses Leben, eine Erweckung des religiösen Bewußtseins nachweist, führt uns hinüber zu dem neuerdings vielfach behandelten Verhältnis Roms zum Christentum. Wir dürfen uns darauf beschränken, die beiden wichtigsten und gründlichsten neuern Werke darüber anzuführen. Dies sind V. Schultze, »Geschichte des Untergangs des griechisch-römischen Heidentums« (Jena 1887), und vor allem K. J. ^[Karl Johannes] Neumann, »Der römische Staat und die allgemeine Kirche bis auf Diokletian«, (Leipz. 1890, Bd. 1), daneben aber darf nicht unterlassen werden, auf die wichtigen Bemerkungen hinzuweisen, welche Th. Mommsen, eben durch Neumanns Werk veranlaßt, über »Den Religionsfrevel nach römischem Recht« in der »Historischen Zeitschrift« (Bd. 64) veröffentlicht hat.

Den Übergang vom Altertum zum Mittelalter vermitteln die Arbeiten, welche sich mit den Zuständen der römischen Provinzen in der Kaiserzeit beschäftigen. Die überwiegende Mehrzahl derselben ist in Zeitschriften zerstreut, von den selbständig erschienenen erwähnen wir zunächst eine gekrönte Preisschrift der Pariser Akademie von P. Guiraud, »Les assemblées provinciales dans l'empire romain« (Par. 1887), welche Organisation und Bedeutung der provinzialen Versammlungen im römischen Reiche allgemein darstellt. L. Bonnemère, »Les jeux publics et les théâtres chez les Gaulois« (Par. 1888), behandelt speziell die Zustände Galliens; für Deutschland insbesondere mögen H. Haupt, »Der römische Grenzwall in Deutschland nach den neuern Forschungen« (Würzb. 1885), eine sorgfältige und anschauliche Zusammenstellung der Ergebnisse aller neuern Untersuchungen über dies merkwürdige System von Befestigungen, und die seit 1883 erscheinenden Untersuchungen von J. ^[Jakob] Schneider, »Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken im Deutschen Reiche« (bisher 9 Hefte) genannt werden. Ein auf gründlicher Forschung beruhendes, aber für ein größeres Publikum bestimmtes Werk, das für England, Deutschland und Spanien in Betracht kommt, hat E. Hübner, »Römische Herrschaft in Westeuropa« (Berl. 1890), geliefert.

Europäisches Mittelalter. Allgemeine Werke.

Den Versuch, ein Gesamtbild der mittelalterlichen Kultur zu entwerfen, unternimmt H. v. Eicken in seinem gedankenreichen und gelehrten Werke: »Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung« (Stuttg. 1887). Der leitende Gesichtspunkt des Buches ist die Darlegung der Beziehungen der Kirche zum Staate und zur Gesellschaft; der Verfasser verfolgt dies Verhältnis durch alle Phasen der mittelalterlichen Geschichte und alle Lebensgebiete der mittelalterlichen Welt, wobei er insbesondere zu zeigen versucht, wie die Kirche durch das Prinzip der Weltverneinung, auf dem sie beruht, mit Notwendigkeit zur Weltbeherrschung gelangen mußte. Von allgemeinern Werken zur Geschichte der mittelalterlichen Kultur sind im übrigen nur wenige zu nennen. Das Verhältnis der Kirche zur Unfreiheit stellt Th. Brecht, »Kirche und Sklaverei« (Barmen 1889), dar, wobei er sich freilich nicht bloß auf das Mittelalter beschränkt; er zeigt in allerdings nicht tendenzloser Behandlung des Stoffes, daß die mittelalterliche Kirche sich durchaus nicht zur Sklaverei in Gegensatz gestellt, sondern an der Knechtung vormals freier Leute sogar eine schwere Mitschuld trägt; erst im Zeitalter des Protestantismus ist die Sklaverei prinzipiell bekämpft worden. Eine ausgezeichnete Geschichte des Verfahrens der Kirche gegen die Ketzer im spätern Mittelalter hat ein Amerikaner geschrieben, H. C. Lea, »A history of the inquisition of middle ages« (New York 1888, 3 Bde.); der erste Band behandelt die päpstliche Inquisition, die von Gregor IX. begründet ist, und das Verfahren derselben, der zweite stellt ihre Thätigkeit in den einzelnen Ländern Europas dar, der dritte besteht aus verschiedenen Untersuchungen, unter andern über einzelne berühmte Inquisitionsprozesse, über Zauberei, Magie u. dgl. Zu den von Lea besonders eingehend behandelten Prozessen gehört auch derjenige des Templerordens, dessen Verlauf und Ausgang für die Geschichte der mittelalterlichen Kultur so wichtig ist, daß wir wenigstens die bedeutendern neuern Arbeiten darüber nennen müssen: es sind dies K. Schottmüller, »Der Untergang des Templerordens« (Berl. 1887, 2 Bde.), H. Prutz, »Entwickelung und Untergang des Tempelherrenordens« (das. 1888), von denen der erstere wie Lea die Unschuld der Tempelherren an den ihnen zur Last