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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutsch-Neuguinea; Deutsch-Ostafrika

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Deutsch-Neuguinea - Deutsch-Ostafrika

barten Zölle. Der Gedanke der deutschen Reichsregierung bei der Anregung dieser Verträge, die von ihr ausging, war, auf diese Weise in Mitteleuropa ein großes Wirtschaftsgebiet zu bilden, das in der Lage sei, gegen Frankreich, Nordamerika und Rußland, welche Reiche sich durch hohe Schutzzölle abgeschlossen hatten oder abzuschließen im Begriff waren, seine Selbständigkeit zu behaupten. Ferner erkannte sie in dem Abschluß der Verträge, welcher einen Zollkrieg, wie er bisweilen mit Österreich bestanden hatte, für die Zukunft ausschloß, ein wirksames Mittel, um den zum Zweck der Aufrechterhaltung des Friedens geschlossenen und eben erst erneuerten Dreibund zu befestigen und seine Bedeutung zu erhöhen sowie die freundschaftlichen Beziehungen zu den neutralen Staaten Belgien und der Schweiz zu erhalten. In diesem Sinne erläuterte und rechtfertigte der Reichskanzler bei der ersten Beratung im Reichstag, 10. Dez., die Handelsverträge und die in ihnen enthaltenen deutschen Zugeständnisse, namentlich die Herabsetzung der Getreidezölle von 5 auf 3 1/2 Mk. und die Verminderung der Zölle auf Wein und Trauben. Die erstere wurde von mehreren Mitgliedern der konservativen und der Reichspartei, die letztere von mehreren Nationalliberalen bekämpft, während die Deutschfreisinnigen und die Sozialdemokraten die Verträge als den Anfang der Rückkehr zum Freihandel begrüßten und billigten. Geschlossen stimmte das Zentrum für die Verträge. Nach dreitägiger Redeschlacht wurde der konservative Antrag, die Verträge zur Vorberatung an eine Kommission zu verweisen, 12. Dez. abgelehnt und dem dringend ausgesprochenen Wunsche der Reichsregierung entsprechend beschlossen, die zweite Beratung sofort 14. Dez. im Plenum zu beginnen. Wie D. den Anstoß zu den Handelsverträgen gegeben hatte, so sollte es auch der erste Staat sein, dessen Vertretung sie genehmigte. Bei der zweiten Beratung, 14.-17. Dez., wurden die deutschen Zugeständnisse als Zu groß und gefährlich für die deutsche Landwirtschaft und Weinkultur von mehreren Seiten entschieden getadelt, die Zollermäßigungen für die deutsche Industrie zu gering befunden, dagegen die Politische Bedeutung der Verträge fast allgemein anerkannt. Schließlich wurden die drei Verträge mit Österreich-Ungarn, Italien und Belgien 18. Dez. in dritter Lesung gegen 48 Stimmen angenommen, woraus sich der Reichstag bis 12. Jan. 1892 vertagte. Der Kaiser gab seine Zufriedenheit über diesen Sieg dadurch sofort Ausdruck, daß er den Reichskanzler in den Grafenstand erhob. Nach der Wiedereröffnung der Sitzungen des Reichstags 12. Jan. 1892 wurde auch der Vertrag mit der Schweiz genehmigt und darauf die Beratung des Staatshaushalts begonnen. Während die letztere ihren regelmäßigen Verlauf nahm, wurde die allgemeine Aufmerksamkeit wiederum, wie im Jahre vorher, durch die Verhandlungen im preußischen Landtag hauptsächlich in Anspruch genommen. Das Zedlitzsche Volksschulgesetz (s. Preußen, Geschichte) drohte die Mittelparteien der Regierung völlig zu entfremden, namentlich als Caprivi im preußischen Landtag in etwas herausfordernder Weise für dasselbe eintrat. Als der Kaiser 16. März im Kronrat sich gegen das Gesetz aussprach, erbat Caprivi seine Entlassung. Indes ein Wechsel im Reichskanzleramt erschien nicht wünschenswert, und so schied Caprivi nur aus seinem Amte als preußischer Ministerpräsident. Er blieb preußischer Minister des Auswärtigen und behielt die Führung der preußischen Stimmen im Bundes rat, womit die Einheit der Leitung gewahrt schien. Die Zentrumspartei rächte sich für die ihr in Preußen widerfahrene Täuschung durch einen Abstrich im Marineetat, Nachdem die Entscheidung gefallen war, erledigte der Reichstag, der infolge mangelhaften Besuchs lange an Beschlußunfähigkeit gelitten hatte, rasch noch seine wichtigsten Aufgaben, Krankenkassengesetz, eine Unfallversicherungsnovelle, ein Weingesetz u. a., sowie den Reichshaushaltsetat in angestrengter Arbeit; manche Vorlagen blieben freilich unerledigt. Darauf ward die Session des Reichstags 31. März 1892 nach fast zweijähriger Dauer geschlossen.

Deutsch-Neuguinea, Forschungsreisen, s. Australien, S. 66.

Deutsch-Ostafrika. Durch Abkommen mit England vom 17. Juni und 1. Juli 1890 wurden die Grenzen zwischen der deutschen und der englischen Interessensphäre dahin bestimmt, daß dieselben geschieden werden im S. durch eine Linie, welche an der Küste von der Nordgrenze der Provinz Mosambik ausgehend, dem Laufe des Flusses Rovuma bis Zu dem Punkte folgt, wo der M’sindjefluß in den Rovuma mündet und von dort nach W. auf dem Breitenparallel bis zum Nyassasee läuft, dann sich nordwärts wendend längs den Ost-, Nord- und Westufern des Sees bis zum nördlichen Ufer der Mündung des Songweflusses fortsetzt, diesen Fluß bis zu seinem Schnittpunkt mit dem 33.° östl. v. Gr. hinaufgeht, von wo sie sich westwärts bis zum 32.° östl. L. wendet, worauf sie in gerader Richtung zum Vereinigungspunkt des Nord- und Südarmes des Kilamboflusses geht, dem sie darauf bis zu seiner Mündung in den Tanganjikasee folgt. Durch diese Abgrenzung fällt die sogen. Stevensonroad ganz innerhalb der englischen Interessensphäre; dieselbe steht jedoch dem deutschen Güterverkehr offen. Im N. geht die Grenze längs des 1.° südl. Br. vom Westufer des Victoria Nyanza bis zum Kongostaat, den Berg Asambiro südlich umgehend. Zwischen dem Nyassasee und dem Kongostaat, zwischen dem Nyassasee und dem Tanganjika, auf dem Tanganjika und zwischen diesem und der Nordgrenze der beiderseitigen Interessensphären haben die Unterthanen und Güter beider Nationen Zoll- und Verkehrsfreiheit, die Missionen beider Staaten Kultus- und Unterrichtsfreiheit. Die Unterthanen des einen Staates haben in der Interessensphäre des andern gleiche Handels- und Niederlassungsrechte wie die Unterthanen des Staates, dem die Interessensphäre angehört. Der dem Sultan von Sansibar gehörige Küstenstreifen wurde von diesem an Deutschland gegen eine 27. Dez. 1890 in London gezahlte Summe von 4 Mill. Mk. abgetreten. Mit 1. Jan. 1891 trat das Deutsche Reich die volle Souveränität über das ganze Gebiet an. Zum Gouverneur wurde der bisherige Gouverneur in Kamerun, Freiherr v. Soden, jedoch mit wesentlich höherm Range, ernannt. Dieser übernahm 1. April 1891 die Verwaltung. Ihm wurden als Kommissare v. Wissmann, Emin Pascha und Peters, jeder in dem ihm zugewiesenen Gebiet, beigegeben. Doch konnte Wissmann krankheitshalber den Dienst nicht antreten, Emin aber kehrte nach sehr verdienstvoller Thätigkeit im deutschen Schutzgebiet in seine frühere Provinz am Nil zurück. Der Gouverneur führt die deutsche Handelsflagge mit dein Reichsadler in der Mitte des weißen Streifens. Eine aus 28 deutschen Offizieren, 32 deutschen Unteroffizieren, 12 farbigen Offizieren, 40 farbigen Unteroffizieren und 1500 farbigen Mannschaften in 10 Kom-^[folgende Seite]