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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ermüdungsstoffe; Ernährung

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Ermüdungsstoffe - Ernährung

Ermüdungsstoffe, s. Schlaf.

Ernährung. Der Organismus bedarf zu seiner E. bestimmter geringster Mengen von Eiweiß (Stickstoffsubstanz), mit denen er sich derart ins Gleichgewicht setzen kann, daß Ein- und Ausfuhr sich decken.

Wird dem Organismus weniger Eiweiß zugeführt, so gibt er von seinem Organeiweiß ab, er scheidet mehr Stickstoff aus, als er einnimmt, und dieser Verlust kann nur zum Teil durch reichlichere Zufuhr von Kohlehydraten und Fett aufgehoben, bez. beschränkt werden. Wird dem Körper mehr Eiweiß zugeführt als dem Minimum des Stickstoffgleichgewichts entspricht, so wird weniger Stickstoff ausgeschieden als eingenommen, der Körper setzt Eiweiß an, aber nur einen Bruchteil des überschüssig zugeführten Eiweißes, denn mit der gesteigerten Zufuhr steigert sich auch der Eiweißumsatz und die Ausscheidung von Stickstoff, und der Körper kann sich sogar bei der erhöhten Eiweißzufuhr in Stickstoffgleichgewicht setzen. Jedenfalls ist der Eiweißansatz immer nur ein bestimmter Bruchteil des über das notwendige Minimum zugeführten Eiweißes, oder ökonomisch ausgedrückt, der Eiweißansatz ist ein luxuriöser. Zur Untersuchung der Frage, wie sich der Eiweißumsatz einer Mutter gestaltet während der Entwickelung der Föten und während sie große Mengen von Eiweiß in der Milch ihren Jungen abgibt, hat Hagemann zwei Hündinnen mit einem an Eiweiß, Kohlehydraten und Fett sehr reichen Futter ernährt und zwar von der Zeit vor der Brunst an bis zur Beendigung des Versuches.

Bei der einen Hündin mißglückte der Versuch durch Absterben der Föten. Die Tiere zeigten zunächst eine Zunahme des Körpergewichts und hatten einen täglichen Stickstoffansatz von 0,570, bez. 0,627 g. Nach der Befruchtung stieg der Stickstoffumsatz so stark, daß das Tier 0,376, bez. 0,519 g Stickstoff mehr ausschied, als es aus der Nahrung resorbierte, und mithin in doppelter Richtung an Stickstoff verarmte. Diese übergroße Eiweißzerstörung wurde stetig geringer, hielt aber bis zur Mitte der Schwangerschaft an, von wo ab wieder Stickstoffansatz erfolgte. Gegen Ende der Schwangerschaft, besonders in den letzten 8 Tagen, als neben der Ausbildung der Föten auch ein starkes Wachsen der Milchdrüsen und Milchbildung erfolgte, wurde täglich 1,617 g Eiweiß und während der Milchabsonderung 1,498 g zurückgehalten. In der Nachperiode setzten beide Tiere erheblichen Stickstoff an, und zwar die Hündin, welche gesäugt hatte, täglich 1,297 g, die andre ziemlich entsprechend dem Umsatz der Vorperiode 0,756 g.

Das Gewicht der neugebornen Jungen (495 und 245 g) beweist, daß während der Entwickelung derselben trotz der sehr reichlichen Nahrung das Muttertier einen Eiweißverlust erlitten hatte; da aber das Gewicht des letztern trotzdem um 810 g zugenommen hatte und kein Stickstoff zur Fleischbildung vorhanden war, so ist diese Körperzunahme auf Fett und Wasser zu beziehen. Während des Säugens berechnet sich aus dem Eiweißansatz der Jungen, daß die Mutter 76 g Stickstoff in der Milch zu liefern hatte.

Sie musste also in den 4 Wochen im ganzen 34,056 g Stickstoff oder 1014 g Fleisch von ihrem Körper hergeben; da ihr Körper während des Säugens um 1220 g abnahm, so hat sie noch 206 g als Fett oder Wasser verloren. Es ergibt sich aus dieser Thatsache, daß ein Tierkörper bei einer Nahrung mit der doppelten Menge des Stickstoffes, mit der er sich unter gewöhnlichen Verhältnissen ins Gleichgewicht gesetzt hatte, durch Brunst, Begattung und Schwangerschaft gezwungen wurde, das mit der Nahrung aufgenommene, bez. in seinem Körper befindliche Eiweiß anders als unter gewöhnlichen Verhältnissen zu verarbeiten. Der Körper verarmte zunächst an Eiweiß und wurde fettreicher. Dies sind aber zwei Momente, welche unter alltäglichen Verhältnissen den Eiweißumsatz im Körper herabsetzen; eine stetige Herabsetzung des Eiweißumsatzes trat auch hier ein.

Als auch die Milchdrüsen anfingen, dem Körper Eiweiß zu entziehen, war der Eiweißumsatz im Körper auf ein Minimum herabgedrückt, er war aber immer noch viel höher als unter gewöhnlichen Verhältnissen, wo das Tier bei der halben Stickstoffzufuhr doch noch Stickstoff ansetzte. Während des Säugens musste das Tier in der Milch täglich 2,7 g Stickstoff abgeben, so daß ihm von den aufgenommenen 9,6 g Stickstoff nur 6,9 g übrigblieben. Mit dieser Menge setzte sich aber das Tier nicht ins Gleichgewicht, wie es dies unter sonstigen Verhältnissen leicht gethan haben würde, sondern es gab vom eignen Körper noch 1,2 g Stickstoff her. Während des Säugens muß daher noch ein besonderes, den Eiweißzerfall steigerndes Moment mitwirken. Dieses Moment dürfte darin begründet sein, daß die tierischen Zellen nicht im stande sind, Eiweiß synthetisch aufzubauen; ja, sie sind nicht einmal im stande, eine Art der Eiweißkörper ohne Verlust an Stickstoff in eine andre Art überzuführen. Könnten sie Synthesen von Eiweiß vornehmen, so würden sie es wohl sicher unter diesen Bedingungen thun. So aber muß man annehmen, daß bei der Umwandlung von Eiweiß des Muttertieres in Organeiweiß des Uterus oder der Föten sowie in die Eiweißkörper der Milch stickstoffhaltige Atomgruppen des Eiweißes ihren spezifischen Charakter verlieren, sich derartig umlagern, daß sie in das neue Eiweißmolekül nicht wieder aufgenommen werden können und mit dem Harn ausgeschieden werden müssen.

(Ernährung der Pflanzen.) Es ist bekannt, daß die Pflanzen organische Substanz unter dem Einfluß des Lichtes aus Kohlensäure und Wasser bilden, aber man weiß bis jetzt nichts Näheres über diesen Prozeß. Nach der Theorie Baeyers wird aus der Kohlensäure durch einen Reduktionsprozeß zunächst der Aldehyd der Ameisensäure, der Formaldehyd CH2O gebildet, und aus diesem geht dann durch Kondensation von 6 Molekülen Glykose C6H12O6 hervor, welche weiter in Stärke verwandelt wird.

Der experimentelle Nachweis, daß dieser Prozeß wirklich in der Pflanze verläuft, konnte bisher nicht gebracht werden. Die Versuche, durch Zufuhr von freiem Formaldehyd Stärkebildung in den Pflanzen zu erzielen, mußten wegen der Giftigkeit dieses Stoffes mißlingen. Vokorny stellte nun Versuche mit Methylal an, welches sich leicht in Methylalkohol und Formaldehyd spalten läßt. Es erwies sich als ein zur Stärkebildung tauglicher Stoff, gab aber doch keine entscheidende Antwort auf die gestellte Frage, da Pflanzen auch aus Methylalkohol reichlich Stärke zu bilden vermögen. Nun hat Löw gezeigt, daß oxymethylsulfosaures Natron, welches schon beim Erwärmen in Wasser in Formaldehyd und saures schwefligsaures Natron zerfällt, gewisse Spaltpilze ausgiebig ernährt und bei Spirogyren den Stärkeverbrauch im Dunkeln in auffallender Weise herabsetzt. Bokorny nahm diese Untersuchungen wieder auf und arbeitete mit Spirogyra majuscala Ktz., welche Lösungen des oxymethylsulfosauren Natrons von 1:1000 und sogar noch stärkere recht gut verträgt und darin ruhig weiter wächst, wenn es nicht an den sonst noch zur E. erforderlichen mineralischen