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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kunstgewerbliche Ausstellungen des Jahres 1891
und Tert) seit 1889 erscheint und bald zum Abschluß gelangen wird. 4) Von dem Werke: »Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden«, das F. X. Kraus im Verein mit Baudirektor Durin und Geh. tzofrat Wagner herausgibt, sind zwei Bände vollendet, die die Kreise Konstanz und Villingen umfassen. 5) Die Inventarisation der Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen geschieht durch eine von: Großherzog zu diesem Zwecke bestellte Kommission, die bis jetzt die Kreise Offenbach (von G. Schäfer), Worms (von Wörner und Marx) und Büdingen (von H. Wagner) bearbeitet hat. 6) Zu einer Publikation auf gemeinsame Kosten unter dem Titel: > Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens« haben sich die Regierungen von Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß älterer und jüngerer Linie verbunden. Von diesem Werke, das Prof. P.
Lehfeldt in Berlin bearbeitet, sind bis Februar 1892 13 Hefte erschienen, die einzelne Bezirke von Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha, Reuß j. L. und Schwarzburg-Rudolstadt behandeln. Mit Ausnahme des Werkes von Luksch über die Kunstdenkmäler Schlesiens sind alle diese Veröffentlichungen reich mit Abbildungen in Lichtdruck, Holzschnitt, Zinkätzung u. dgl. versehen. Der Publikation von Paulus ist zur Ergänzung noch ein besonderer Atlas beigegeben.
Auch die Abbildungen zu dem Lehfeldtschen Werke über die Rheinprovinz sind in einem Atlas enthalten.
Kunstgewerbliche Ausstellungen des Jahres 1891. Ihre Reihe wurde eröffnet vom k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie, das im I.Quartal d. I. eine Ausstellung historischer und nationaler Kostüme in seinen Räumen veranstaltete. Sie war insofern die erste in ihrer Art, als man früher (bei Gelegenheit der Weltausstellungen) immer nur die nationalen Landestrachten vereinigt hatte, niemals war auch das historische Material herangezogen worden. Bei beiden Abteilungen, der ethnographischen wie der historischen, mußte man von vornherein auf Vollständigkeit Verzicht leisten, bei der erstern wegen der überreichen Menge, bei der zweiten wegen Mangel an Material. Man hat zu keiner Zeit Wert darauf gelegt, die außer Mode gekommenen Trachten zu konservieren, von vereinzelten Stücken mit geschichtlicher Bedeutung abgesehen. Daher ist aus den: Mittelalter an Kleidungsstücken des profanen Gebrauchs fast gar nichts mehr erhalten; tirchliche Gewänder aber und rein militärische Trachtenwaren von der Wiener Ausstellung ausgeschlossen.
Ebenso alle Arten von Nachbildungen und Phantasiekostümen. Trotz der unvermeidlichen Lückenhaftigkeit hatte die historische Abteilung eine Menge interessanter Gegenstände aufzuweisen. Die ältesten Stücke waren Tuniken aus dem6. und 7. Jahrhundert n. Chr., wie solche bei den Gräberfunden von Achmim und El-Fayum in Ägypten in den letzten Jahren mehrfach zu Tage gekommen waren. Während das eigentliche Mittelalter nur durch Stoffreste vertreten war, brachte das 15. Jahrh, eine wohlerhaltene Schaube aus rotem Damast, einst im Vcsitz des Königs Matthias Corvinus von Ungarn. Als große Seltenheiten folgten dann einige der geschlitzten und gepufften Kleidungsstücke der Landsknechtszeit; häufiger schon waren charakteristische Stücke aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., die ersten Beispiele des Filzhutes, Wämser mit ausgestopftem Gänsebauch u. a., was die damals herrschende spanische Mode kennzeichnete. Die Trachten dieses
und der folgenden Jahrhunderte wurden außerdem veranschaulicht durch bekleidete kleine Figuren, die früher von den Zentren der Mode aus versendet wurden. Erst im 18. Jahrh, wurden diese Puppen (die Mehrzahl stammte aus der Sammlung Figdor in Wien) durch die illustrierten Modejournale verdrängt. Vollständige Kostüme sind zuerst aus dem
17. Jahrh, erhalten. Die Ausstellung besaß davon eine stattliche Reihe, und zwar ebensowohl von der freien, malerischen Art, wie sie der Dreißigjährige Krieg ausgebildet, wie von der steifen Form, die Ludwig XIV. zur Herrschaft gebracht hatte. 17 der prächtigsten Kostüme dieser Zeit waren von der Schatzkammer des Fürsten Esterhazy in Forchtenstein bei Eisenstadt eingesendet, darunter das von Kaiser Leopold I. bei seiner Krönung und das von Johann Sobiesky bei seinem Eimug in Wien nach der Türkenbelagerung von 1683 getragene Gewand.
Am zahlreichsten waren die Kostüme aus dem
18. Jahrh. Die reichen Gewandkammern der Wiener Hoftheater stellten Originale in beliebiger Anzahl zur Verfügung; gerade die Fracks, Westen und Damenkleider der Rokokozeit sind aber wegen der wunderbar ausgeführten Seidenstickereien in Plattstich auch sonst noch vielfach konserviert worden.
Für die Zusammenstellung einer reichhaltigen Abteilung von Nationaltrachten war Wien sowohl wegen seiner levantinischen Verbindungen wie als Hauptstadt der Monarchie, in welcher eigenartige Volkstrachten sich am meisten und mannigfaltigsten erhalten haben, besonders günstig situiert. Demgemäß waren auch die Alpenländer, die Slawen, Magyaren, Rumänen und die Völker der europäischen Türkei am besten vertreten. Durch geschmackvolle Anordnung ragte besonders die von dem Minister v.Kallay besorgte Ausstellung von Bosnien und der Herzegowina hervor. 37 Figuren, die verschiedene Typen der türkischen, slawischen und jüdischen Bevölkerung der okkupierten Provinzen darstellen, waren zu lebensvollen Gruppen malerisch zusammengestellt. Daran schlössen sich die Kostüme Ostasiens, Indiens und des gesamten moslemischen Orients von Persien bis nach Marokko und schließlich als eigne Gruppe die mehr ethnographisch als künstlerisch interessanten Trachten aus den Sammlungen des kaiserlichen Hofmuseums.
Unmittelbar auf die Kostümausstellung folgte im k. k. Handelsmuseum in Wien die Ausstellung orientalischer Teppiche, neben der Karlsruher Fächerausstellung jedenfalls das bedeutendste derartige Unternehmen des Jahres. Im ganzen über 600 Nummern umfassend, zerfiel sie in eine moderne und eine antike Abteilung. Ihr Zweck war in erster Linie, der Forschung eine sichere Grundlage zu bieten, welche bis dahin mit wenig Erfolg bemüht war, die noch ganz dunkle Geschichte dieses wichtigen Industriezweiges aufzuklären und die Herkunft und Herstellungszeit der zahlreichen Arten orientalischer Knüpfteppiche zu bestimmen. Dazu war es vor allem notwendig, charakteristische Typen der Erzeugnisse jedes einzelnen Produktionsortes zusammenzustellen. In diesem Punkte l-at die Ausstellung alle Erwartungen vollauf befriedigt. Sie hat zur Erkenntnis der modernen orientalischen Teppichknüpferei mehr beigetragen, als alle bisherigen litterarischen Arbeiten konnten. Fast ausnahmslos wurde jede Art des orientalischen Teppichs in einem oder mehreren nach Musterung, Färbung, Technik und Material durchaus typischen Exemplaren vorgeführt. Aus Persien allein waren etwa 20 Produktionsorte vertreten, ungefähr ebensoviel aus dem Kaukasusgebiet und Kleinasien.