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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Altchristliche Kunst

Post, Telegraph, Eisengießereien, Maschinen- und Strumpfwarenfabriken, Spinnereien, Dampfmühlen.

Altchristliche Kunst nennt man die Kunst der ersten Jahrhunderte des Christentums. Sie beginnt mit den ersten künstlerischen Regungen der Christen und bringt im gesamten Gebiete des Römischen Reichs naheverwandte Werke hervor. Ihr Ende ist in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrtausends anzusetzen, in welcher Zeit die Kunst im Osten und im Westen ein verschiedenes Gepräge annimmt.

Die Baukunst beschäftigt sich im wesentlichen mit dem Bau der Kirchen. Der Form nach sind zweierlei Kirchenbauten zu unterscheiden, Längsbauten und Centralbauten.

Die eigentlichen Kirchen sind fast stets Längsbauten. Sie bestehen aus einem großen rechteckigen, wesentlich für die Gemeinde bestimmten Raume, der zum Zwecke der Überdachung der Länge nach durch zwei Säulen- oder Pfeilerreihen in drei sog. Schiffe geteilt ist, und einem durch Schranken davon abgesonderten Altarraume, der mit einer Nische, der Apsis, endet; bei großen Anlagen kommen selbst vier Säulenreihen vor. Das Mittelschiff überragt die Seitenschiffe an Höhe, um die Anbringung von Fenstern zu ermöglichen. Die Schiffe sind flach gedeckt. Nach anfänglichem Schwanken bildet sich die Sitte aus, den Altar, mithin auch die Apsis, im Osten zu errichten. An die Westseite der Kirchen, in der sich der Eingang befindet, legt sich eine Vorhalle (Narthex), manchmal auch ein mit Säulenarkaden umgebener Hof (Atrium oder Aula), in dessen Mitte sich ein Brunnen (Kantharus) befindet. Türme kommen vor teils neben der Kirche (Italien), teils auf der Façade (Syrien). Bisweilen sind Emporen über den Seitenschiffen angebracht. In seltenen Fällen hat man auch schon ein Querschiff zwischen Gemeinderaum und Apsis ausgebildet. Die Kirchen werden frühzeitig Basiliken genannt. Ihr Verhältnis zu den antiken Basiliken (s. d.) ist umstritten. Beispiele altchristlicher Basiliken sind in Rom u. a. St. Peter (im 16. Jahrh. durch den jetzt bestehenden prächtigen Neubau ersetzt), St. Paul und Sant' Agnese (s. Tafel: Altchristliche Kunst II, Fig. 5, 6, 8), zahlreiche Kirchen in Ravenna, Syrien u. s. w.; die beiden erstgenannten sollen dem 4. Jahrh. entstammen und waren lange Zeit die größten Kirchen der Welt. Die Bauformen sind fast überall noch von der Antike abhängig (s. Taf. III, Fig. 2); oft werden sogar antike Bauteile ohne weiteres verwendet.

Centralbauten sind gern zu Grabkapellen, Grab- oder Denkmalskirchen und Taufkirchen (Baptisterien, s. d.), selten zu eigentlichen Kirchen verwendet worden. Sie erscheinen als ungegliederte Rundbauten mit kuppelförmiger Überwölbung (s. Taf. II, Fig. I) oder als gegliederte, in letzterm Falle entweder flachgedeckt, wie Santo Stefano rotondo in Rom, oder mit kunstvollem Wölbungssystem, wie San Vitale zu Ravenna (s. Taf. II, Fig. 3 u. 7) und die großartige Sophienkirche (s. d.) zu Konstantinopel (s. Taf. III, Fig. 3, 4, 6). Beide Kirchenformen sind mit der christl. Kultur auch nach Deutschland übertragen worden; der Längsbau ist auf dem Bauplan von St. Gallen (etwa 820), ferner in den Kirchen zu Michelstadt und Seligenstadt im Odenwald und der Ruine auf dem Heiligenberge bei Heidelberg wahrnehmbar; das großartigste Denkmal des Centralbaues bei uns ist das von Karl d. Gr. errichtete Münster zu Aachen.

Schließlich bilden die unterirdischen Grabanlagen, die Katakomben (s. d. und Taf. III, Fig. 5), Gegenstände der altchristl. Baukunst.

Der altchristl. Profanbau, der Hausbau u. s. w., ist an syrischen Denkmälern kennen zu lernen.

Hinsichtlich der Bildnerei zeigt sich die A. K. ebenfalls von der Antike abhängig. Zunächst entwickelt sie sich in der reichen Ausschmückung der Sarkophage mit Reliefs, bei welcher den klassischen Formen mehr und mehr christl. Bedeutung untergelegt, später die Flächen architektonisch abgeteilt und durch strenges, in mehr statuarischer Form gehaltenes Bildwerk geschmückt wird; die Figuren erscheinen allmählich unfreier in ihrer Haltung, konventioneller in der Behandlung des Faltenwurfes, die Komposition wird eine minder lebendige und in sich abgerundete. Auch Elfenbeinarbeiten (s. Taf. III, Fig. 1) sind beliebt; unter ihnen sind die Diptychen (s. d.) besonders bemerkenswert. Statuen sind in der A. K. sehr selten. Die berühmte Bronzestatue des heil. Petrus in der Peterskirche zu Rom (s. Taf. I) galt bisher für ein Werk ungefähr des 5. Jahrh., wenn sie auch möglicherweise weit jüngerer Entstehung ist. Gern hat man Christus als guten Hirten dargestellt (s. Taf. II, Fig. 4).

Größer ist der Wirkungskreis der altchristl. Malerei. Hier erlangte die A. K. die meiste Selbständigkeit, die größte innere Bedeutung und den freiesten Ausdruck. Zunächst zwar begnügte sie sich mit Symbolischem: das Χ Ρ (chi-ro, griech. Anfangsbuchstaben des Namens Christus), das Α Ω (Alpha-Omega, Anfang und Ende des griech. Alphabets), der Fisch (grch. ichtys, die Anfangsbuchstaben von Jesūs Christós thëū hyiós sotēr, Jesus Christus Gottes Sohn, Erlöser), Genien, Pfauen und zahlreiche andere, oft spielerische Symbole genügten vielfach (s. Taf. III, Fig. 5). Später wurden diese weiter gesponnen, indem aus dem rein formalen ein lebendiger Vorgang sich entwickelt. Christus wird auch hier als guter Hirt dargestellt, der das verirrte Lamm zurückbringt, aber auch als Orpheus, der mit süßem Laut selbst die wilden Tiere an sich lockt. Daneben erscheinen wunderartige biblische Vorgänge meist aus dem Alten Testament, die aber in leicht verständlicher Weise auch auf das Neue gedeutet werden können (z. B. die Leiden des Hiob, Himmelfahrt des Elias), sowie rein zuständliche Genrebilder, die die irdische Zufriedenheit versinnbildlichen. Namentlich die Wände und Decken der Katakomben sind der Ort dieser in Fresko-Technik ausgeführten Malereien. In ihrer Anordnung blieben die antiken Vorbilder lange Zeit maßgebend; im einzelnen wurden die Neuschöpfungen mehr und mehr durch einen Zug von Innerlichkeit, seliger Ruhe, friedlicher Gelassenheit bereichert, der ihren Werken einen hohen Reiz giebt. Dieser steigert sich in monumentalen Mosaik-Malereien zu einem stärkern, wenn auch härtern Ausdruck der Empfindung und bei der streng architektonischen Anordnung der Bildercyklen zu feierlicher Würde und Gemessenheit. Namentlich in den großen Darstellungen Christi an der Wölbung der Apsis, in langen Figurenreihen an der Oberwand des Langhauses und andern streng rhythmisch angeordneten Bildern ist das Mosaik in seiner einfachen Größe von mächtiger Wirkung (s. Taf. II, Fig. 2).

Auch Miniaturen (s. d.) schuf die A. K.

Vgl. Holzinger, Die altchristl. Architektur (Stuttg. 1889); Dehio und von Bezold, Die kirchliche Bau-[folgende Seite]