Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Athen (Athen im Mittelalter und unter türkischer Herrschaft)'
zurück. Ärmlich wieder aufgebaut blieb A. auch nach der Thronbesteigung König Ottos (1833) ein großer Trümmerhaufen, bis es
infolge seiner Erhebung zur Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Griechenland und Verlegung der Regierung dahin (25. Dez.
1834) bald eine überraschende Neugestaltung erhielt. (Hierzu Plan: Das alte Athen.)
Textfigur:
Das neue Athen (neugrch. Athinai),
nördlich und östlich von der Akropolis über die Grenzen des alten Stadtgebietes hinausreichend, ist königl. Residenz und
Hauptstadt (Wappen s. Abbildung) des Königreichs Griechenland, des Nomos Attika und Böotien und der Eparchie Attika, liegt
unter 37° 58’ nördl. Br. und 23" 42’ östl. L. in 80–100 m Höhe und hat eine mittlere Jahrestemperatur von
17,3° C. (Januar 8,2°, Juli 27,0°)
und eine jährliche Regenmenge von 408 mm. Die Umgebung ist steinig, dürr und baumlos, mit Ausnahme des alten Olivenwaldes am
Kephisos im Westen der Stadt, erhält aber durch den Hymettos, Pentelikon und Parnes einen reizvollen Hintergrund. Der Boden der
Ebene besteht aus Thonschiefer, die Hügel aus Kalkstein der Kreideformation.
Größe und Bevölkerung. Die Stadt hatte 1836: 14092, 1870: 44510, 1879: 66834 E. Die
Volkszählung von 1889 ergab 107251 E. (59311 männl., 47940 weibl.), mit Einschluß der zur Stadtgemeinde gehörigen
Nachbardörfer 114355 E.
Äußere Anlage, Gebäude, Denkmäler. Das Wahrzeichen A.s ist noch immer der steile Felsklotz
der Akropolis mit seiner schimmernden Marmorpracht, die, gänzlich von mittelalterlichen Zubauten gereinigt, jetzt zu voller
Wirkung gelangt. An den nördl. und östl. Abhängen des Burgfelsens liegt der noch aus der Türkenzeit stammende ärmliche
Stadtteil Plaka, wo man mitunter noch die albanes. Sprache hört; nördlich davon dehnt sich zunächst die
innere Stadt mit engen, winkligen Gassen und mit dem geräuschvollen Bazar aus. Dieselbe
wird von zwei rechtwinklig sich kreuzenden Hauptgeschäftsstraßen durchschnitten, der Äolosstraße nach N. führend, die sich in
die schöne Patissiastraße fortsetzt, und der Hermesstraße nach O. führend, bis zu dem großen «Verfassungsplatz», an dessen
Ostseite sich das 1834–38 nach Plänen des Münchener Architekten Gärtner aus pentelischem Marmor und Kalkstein errichtete
königl. Palais erhebt. Hinter diesem der einzige schöne Park A.s, dessen Anlage (vom deutschen Hofgärtner Schmidt) und Pflege
der Königin Amalie zu verdanken ist.
An diese innere Stadt schließt sich im Halbkreis die Neapolis an, die vornehme Neustadt,
die sich nach O. an den Abhängen des Felshügels Lykabettos, nach N. in die Ebene gegen den Villenort Patissia hin ausdehnt,
mit breiten, regelmäßigen, ungepflasterten Straßen und stattlichen öffentlichen und Privatgebäuden aus Marmor. Die prächtigste
Straße ist die belebte Stadionstraße, die vom Verfassungsplatz nach dem am Nordende der innern Stadt gelegenen Eintrachtsplatz
führt, mit dem Parlamentsgebäude. Weiter außerhalb umzieht ein breiter, baumbepflanzter Boulevard die ganze Stadt, mit dem
schönen Schliemannschen Hause aus Marmor, der Akademie der Wissenschaften, einem glänzenden, von Hansen entworfenen, auf
Kosten des ↔ Barons Sina aufgeführten Bau, in altgriech. Stil mit ion. Säulenhallen (bisher nur als
Münzkabinett benutzt), und der Universität mit ion. Säulenhalle und Farbenschmuck, 1837 aus freiwilligen Beiträgen vom ältern
Hansen aus Kopenhagen erbaut und mit den Marmorstatuen des von Janitscharen ermordeten Patriarchen Gregorios, des
Freiheitsdichters Rhigas und des Philologen Korais vor dem Eingange.
Andere Gebäude sind: das neue Theater in der innern Stadt (gegründet von Syngros); das Ausstellungsgebäude, dem Zeustempel
gegenüber, auf Kosten der Vettern Zappas erbaut; das Polytechnikum, nach Plänen von Lysandros Kaftanzoglou und auf Kosten von
Sturnara, Tositza und Averos aus Metzovon in Epirus in dor. und ion. Stile errichtet; das Centralmuseum der Altertümer an der
Patissiastraße; die Sternwarte auf dem Nymphenhügel, eine Gründung des Barons Sina; ein im Bau begriffenes Bibliotheksgebäude,
gestiftet von Rhodotanakis. Von den zahlreichen Kirchen der Stadt ist die größte die Metropolitankirche; sehenswert ist auch
die röm.-kath. Dionysiuskirche mit reichem Marmorschmuck im Innern.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem auf 4 Jahre vom Volke in direkter geheimer
Abstimmung gewählten Bürgermeister (Demarchos) und einem Gemeinderat (18 Mitglieder). Die Gemeinde umfaßt auch die umliegenden
Ortschaften (Patissia, Kephissia, Amarusion, Chalandrion, Kolokythu, Nea-Liosia, Sepolia) und 22 Dörfchen sowie 2 Klöster mit
zusammen (1889) 7104 E. Es besteht eine Berufsfeuerwehr, je eine Anstalt für Gas- und elektrische Beleuchtung. Zur Abhilfe des
Wassermangels wurde die alte Wasserleitung des Hadrian gereinigt und in Benutzung genommen, ohne jedoch dem Bedarf völlig
genügen zu können.
Behörden. A. ist Residenz des Königs, Sitz der Ministerien, des Parlaments, des obersten
Gerichtshofs (Areopag) des Königreichs, eines Appell-, eines Rechnungshofs und anderer Centralbehörden, der Heiligen Synode
(der obersten Kirchenbehörde) und eines Metropoliten, eines Armeekommandos, der Gesandten und Konsuln der meisten Staaten.
Schul- und Bildungswesen. A. verdankt seine Bedeutung einzig und allein seiner Eigenschaft
als polit. und geistiger Mittelpunkt Griechenlands. An der Spitze der Bildungsinstitute steht die National-Universität (1837
gegründet) mit (1894 95) 143 Docenten und 3013 Studenten sowie verschiedenen Instituten und Sammlungen. Die Nationalbibliothek
zählt 185000 Bände. Weiter befinden sich hier eine technische Hochschule, 5 Gymnasien mit (1894) 1213 Schülern, 7 hellenische
Schulen mit (1894) 880 Schülern, 56 Volksschulen mit (1894) 6723 Schülern und Schülerinnen, ein Lehrerseminar, ein
Konservatorium, eine Straßenkinderabendschule, eine Bildungsschule für Theologen (Rhizarische Schule), ferner eine höhere
Töchterschule (Arsakion). Auch mehrere Wohlthätigkeitsanstalten (zwei Waisenhäuser, ein Findelhaus, ein Armenasyl, ein Asyl
für arme Frauen, vier Hospitäler u. s. w.) sowie verschiedene wissenschaftliche, litterarische, Turn- und Musikvereine, davon
viele mit eigenen Gebäuden, besitzt die Stadt. Die beweglichen Altertümer sind teils in einem Museum auf der Akropolis und an
andern Orten, teils und zumeist in dem großen Centralmuseum an der Patissiastraße untergebracht. Für die Erforschung der
Altertümer sorgt eine archäol. Gesellschaft. Deutschland (seit 1874), Frank-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 26.