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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bentheim

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Bentheim (Kreis und Kreisstadt) - Bentheim (Geschlecht)

Schüler, der Genfer Etienne Dumont, auf Grund der zahlreichen Schriften und der vorhandenen Manuskripte B.s, seine Lehre in ein System zu bringen, und gab dieses zu Genf 1801 in franz. Sprache heraus («Traité de la législation civile et pénale précédé des principes généraux de législation» 2. Aufl., 3 Bde., 1820), das später von Beneke u. d. T. «Grundsätze der Civil- und Kriminalgesetzgebung. Aus den Handschriften J. B.s» (2 Bde., Berl. 1830) ins Deutsche übertragen wurde. Ausgehend von den Grundsätzen der franz. und engl. Empiristen (s. Empirismus), bildet sich B. aus deren Systemen für seine Zwecke einen eigentümlichen Sensualismus (s. Utilitarismus). Seine Bemühungen in Bezug auf die Gesetzgebungspolitik sind von bedeutenden praktischen Folgen gewesen, namentlich haben seine Erläuterungen über das Prozeßverfahren, über die Organisation der Gerichte, über die Beweisführung, über die Taktik der gesetzgebenden Versammlungen u. s. w. einen weitreichenden Einfluß ausgeübt. Vielseitige Beachtung fand B. auch durch seine Schrift «Panopticon, or the inspection house») (2 Bde., Lond. 1791), in der er den Plan zu einem Gefängnisse mitteilt, in welchem ein einziger Mann, von einem in der Mitte des runden Gebäudes befindlichen Turme aus, die Aufsicht über alle Gefangenen zugleich führen kann. In England selbst wurde B. von der Torypartei heftig angefeindet, die ihn besonders deshalb fürchtete, weil er als einer der ersten auf eine Parlamentsreform hinwies, die Grundsätze des Freihandels verfocht und die Trennung von Staat und Kirche befürwortete. In dem Freihandelssystem sah er das größte Glück der Völker. Wie er sich gegen alle Zollschranken wendet, so bekämpfte er andererseits in seiner berühmten Schrift «Defence of usury» (1816) die Wuchergesetze und sprach sich für unbedingte Freiheit des Geld- und Kapitalmarktes aus. Allein sein aufrichtiges Streben, das Glück der größten Zahl zu fördern, führte ihn doch wieder zu einer beachtenswerten Abweichung vom reinen Manchestertum, indem er dem Staate die Aufgabe zuschrieb, auf eine möglichste Hebung der Gegensätze zwischen reich und arm bedacht zu sein. Die 1824 zu London gestiftete «Westminster Review» war bestimmt, seine Lehren in England zu verbreiten. In Frankreich gewann B. den ersten und nachhaltigsten Einfluß. Er schickte schon der Konstituierenden Versammlung seine «Principien der Gesetzgebung» ein, die von ihr vielfältig benutzt wurden. Kurz vor der Julirevolution fand unter den Kommunisten die Lehre B.s Anklang; man erklärte das Nützlichkeitsprincip für die «véritable philosophie» und gründete in ihrem Interesse 1829 das Journal «L’Utilitaire». 1821 nahm der Staat Neuyork ein zum Teil nach B.s Schriften ausgearbeitetes Gesetzbuch an, welchem Beispiele 1826 Südcarolina und 1830 Louisiana folgten. Eine Gesamtausgabe seiner Werke mit Biographie veröffentlichte Bowring (11 Bde., Lond. 1843). – Vgl. Birks, Modern utilitarism; or the systems of Paley, Bentham and Mill (Lond. 1874); R. von Mohl, Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften, Ⅲ (Erlangen 1858).

Bentheim. 1) Grafschaft Bentheim, Kreis im preuß. Reg.-Bez. Osnabrück, hat 916,05 qkm, (1890) 32606 (16505 männl., 16101 weibl.) E., 4 Städte, 74 Landgemeinden und 3 Gutsbezirke und bildet die ehemalige, jetzt mediatisierte Grafschaft B., welche (923 qkm) in die Ämter B. und Neuenhaus zerfällt. Ein Teil des Bodens besteht aus Moorland und hat nur Viehweiden und Torfgräbereien; der übrige Teil ist fruchtbar an Getreide, Hülsenfrüchten, Flachs und Holz. Früher war B. in die obere und in die untere Grafschaft geteilt, von der jene nebst der sog. Herrlichkeit Emblichheim ein Reichslehn bildete, diese aber vorzeiten von dem Bischof von Utrecht, später von der Provinz Oberyssel und dann, infolge ihrer Abtretung, von dem Prinzen Nassau-Oranien zu Lehn getragen wurde. Weiteres s. Bentheim, Geschlecht. – 2) Kreisstadt im Kreis Grafschaft B. und Hauptort der standesherrlichen Grafschaft des Fürsten Bentheim-Steinfurt, an der Vechte und Dinkel und der Linie Rheine-Oldenzaal der Niederländ. Staatsbahnen, hat (1890) 2362 E., darunter 648 Katholiken, Post, Telegraph, Amtsgericht (Landgericht Osnabrück), Zoll- und Nebenzollamt, reform. und kath. Kirche, Schloß der Fürsten B., dessen älteste Teile ins 10. Jahrh. zurückreichen sollen; Baumwollweberei, Steinbrüche und eine kalte salinische Schwefelquelle gegen Gicht und Rheumatismus, mit Badeanstalt.

Bentheim, früher gräfliches, jetzt fürstl. Geschlecht. Die alten Grafen von B. aus dem Hause der Grafen von Cleve erloschen schon im 12. Jahrh., ihre Erben, die zweiten Grafen von B., starben 1421 mit Bernhard Ⅰ. aus. Der Erbe der Grafschaft, der Dynast Eberwyn von Güterswyk (1421‒54), Großneffe Bernhards, begründete den dritten Stamm. Er erheiratete durch seine erste Vermählung mit Mathilde von Steinfurt die Grafschaft Steinfurt (72 qkm), durch die spätere mit Agnes von Bronkhorst die Solms-Ottensteinschen Güter. Sein Ururenkel Eberwyn Ⅲ. (gest. 1562) erwarb die Grafschaft Tecklenburg und Rheda nebst Wewelinghofen. Des letztern Sohn Arnold Ⅲ. (gest. 1606) brachte durch seine Gemahlin Magdalene von Neuenahr noch Hohen-Limburg, Alpen und Heppendorf an sein Haus. Er hinterließ fünf Söhne, die 1609 das Erbe teilten und fünf Linien stifteten, von denen drei schon in der Person der Stifter erloschen. Nur die von Adolf und Arnold begründeten Linien bestehen noch.

Die ältere Linie oder Bentheim-Tecklenburg-Rheda, gestiftet von Adolf (gest. 1625), besaß Tecklenburg-Rheda, Hohen-Limburg u. s. w., doch mußte sein Enkel Graf Johann Adolf von B. (gest. 1701) infolge eines vom Hause Solms-Braunfels erhobenen Prozesses drei Viertel von Tecklenburg und ein Viertel von Rheda abtreten. Das Haus Solms-Braunfels überließ hierauf seine Rechte an Preußen, das 1707 ganz Tecklenburg in Besitz nahm, dagegen von dem Anteile an Rheda absah. Die Wiener Kongreßakte unterstellte Rheda der Krone Preußen als Standesherrschaft und überließ auch Preußen die Schutzherrschaft über Hohen-Limburg. Beide Besitzungen werden auf Grund königl. Kabinettsorder vom 19. Dez. 1816 als Standesherrschaften betrachtet. Am 20. Juni 1817 ward das damalige Haupt dieser Linie, Graf Emil Friedrich Karl von B. (geb. 11. Mai 1765, gest. 17. April 1837), in den preuß. Fürstenstand erhoben. Dem Sohne des Fürsten Emil, Fürsten Franz von B. (geb. 11. Okt. 1800, gest. 8. Jan. 1885), ist sein Neffe, Fürst Gustav (geb. 4. Okt. 1849), als jetziges Haupt der Linie gefolgt. Er residiert zu Hohen-Limburg und besitzt außer den Standesherrschaften Hohen-Limburg und Rheda auch die nicht standesherrlichen Herrschaften Gronau und Wewelinghofen.