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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Brechung; Brechungsexponent; Brechungsfehler; Brechungswinkel; Brechveilchen; Brechwein; Brechweinstein

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Brechung (der Vokale) - Brechweinstein

Luft in Wasser verhält sich der Sinus des Einfallswinkels znm Sinus des Brechungswinkels wie 4 zu 3, d. h. der Brechungsexponent des Wassers, bezogen auf die Luft, ist 4/3. In gleichem Sinne ist der Brechungsexponent des gewöhnlichen Glases 3/2, des Flintglases 1,64, des Anisöls 1,81, des Diamants 2,48. Je größer der Brechungsexponent eines Stoffes ist, desto stärker lenkt er die in ihn eintretenden Lichtstrahlen ab. Für die gleiche Substanz ist aber der Brechungsexponent für verschiedenfarbige Strahlen keineswegs der gleiche. (S. Dispersion.)

Zum Nachweise des Brechungsgesetzes kann ein Gefäß (Fig. 2) dienen, dessen halbkreisförmige Wand von ihrer Mitte aus nach beiden Seiten hin in Grade geteilt ist. Die vordere Wand a b besitzt eine lichteinlassende, mit einer Glasplatte geschlossene Spalte. Der Apparat ist bis zur halben Höhe mit Wasser gefüllt. Läßt man nun im Finstern ein Lichtstrahlenbündel in schiefer Richtung durch jene Spalte in das Gefäß treten, so wird der obere durch die Luft dringende Teil der Strahlen in unveränderter Richtung fortschreiten, während dagegen das untere durch das Wasser gehende Lichtbündel gebrochen erscheint. An der Gradeinteilung des kreisförmigen Cylindermantels kann man die Winkel ablesen. Das Brechungsgesetz wurde von Snell entdeckt (um 1621) und von Descartes, ohne Nennung des erstern, bekannt gemacht (1637).

^[Fig. 2.]

Ist der Brechungswinkel kleiner als der Einfallswinkel, so sagt man, die B. erfolgt zum Lot. Beim Gegenteil heißt die B. vom Lot. Das Mittel, in dem die B. zum Lot geschieht, heißt das stärkerbrechende. Bei zwei verschiedenen Stoffen (z. B. Luft und Glas) werden die Lichtstrahlen meist in dem dichtern derselben zum Lot gebrochen. Vermöge des Brechungsgesetzes bilden alle auf einen Punkt o (Fig. 3) der Glasfläche g g auffallenden Strahlen im Glase einen Kegel von kleinerer Öffnung in m o n. Umgekehrt füllt der Strahlenkegel m o n im Glase beim Austritt in die Luft den ganzen Raum über g g aus. Ein Strahl p o, der im Glase auf die Luftgrenze unter einem Einfallswinkel größer als m o s auffällt, tritt nicht wieder aus, sondern erleidet die totale Reflexion nach o q. (S. Reflexion und Doppelbrechung.)

^[Fig. 3.]

Brechung der Vokale, in der Sprachwissenschaft die assimilierende Wirkung, die der Vokal a auf den Vokal einer vorhergehenden Silbe ausübt. Im Deutschen ist die B. sehr häufig; während sie im Althochdeutschen erst teilweise auftritt, hat sie im Mittelhochdeutschen weiten Umfang gewonnen. Durch die B. wird aus i ein e (von der histor. Grammatik, zum Unterschied von dem durch Umlaut aus a entstandenen e, durch ë bezeichnet) und aus u ein o, z. B. althochdeutsch das Präsens des Verbums "helfen" im Singular hilfu, hiltis, hilfit im Plural dagegen hëlfam, hëlfat, hëlfant. Wie u zu o, so wird auch der Diphthong iu zu io gebrochen, für das später ie eintritt, z. B. althochdeutsch: ziuhu, Plur. zioham (ich ziehe, wir ziehen), mittelhochdeutsch ziuhe, Plur. ziehen. Die B. unterbleibt vor doppeltem Nasal (mm, nn) und vor Nasal in Verbindung mit andern Konsonanten (ng, nd u. s. w.), daher binden, gebunden (gotisch bindan, bundans), nicht bënden, gebonden. - Im Gotischen wird unter B. ein weniger weit greifender Vorgang verstanden: die Verwandlung eines i und u vor r und h in aí und aú (d. i. e und o), in grammatischen Werken so geschrieben zum Unterschied von dem wirklichen Diphthong ái, áu, z. B. haírdeis (Hirte), saíhs (sechs), daúthar (Tochter).

Brechung des Schalls, s. Schall.

Brechungsexponent, s. Brechung der Lichtstrahlen.

Brechungsfehler des Auges, s. Refraktions-Anomalien.

Brechungswinkel, s. Brechung der Lichtstrahlen.

Brechveilchen, s. Ipecacuanha.

Brechwein, s. Brechweinstein.

Brechweinstein (Tartarus stibiatus, Tartarus emeticus, Stibio-Kali tartaricum), ein von Mynsicht 1631 zuerst dargestelltes wichtiges Arzneimittel, weinsaures Antimonoxyd-Kalium, C4H4(KSbO)O6, das man dadurch erhält, daß man Antimonoxyd in einer siedenden Lösung von Weinstein löst und die Lösung krystallisieren läßt. Bei der fabrikmäßigen Darstellung bringt man 1 Teil reinsten Weinstein mit 10 Teilen destilliertem Wasser in einem aus Blei angefertigten Kessel zum Sieden und trägt unter beständigem Umrühren mit einem, nur zu diesem Zwecke zu benutzenden, hölzernen Spatel so lange noch feuchtes, aus Antimonchlorür durch Zersetzen mit Wasser und Digestion mit kohlensaurem Natrium dargestelltes und gewaschenes Antimonoxyd (s. d.) ein, bis schließlich ein kleiner Rest ungelöst bleibt. Die heiße Lösung wird durch leinene Spitzbeutel klar filtriert und in glasierten irdenen oder porzellanenen Schalen zur Krystallisation gestellt. Bei Anwendung reiner Materialien erhält man den B. bei der ersten Krystallisation in chemisch reinem Zustande, in Form glasglänzender tetraedrischer Krystalle, die von der Mutterlauge getrennt und getrocknet werden. Die Mutterlauge verwendet man bei der nächsten Operation statt einer entsprechenden Menge von Wasser. Aus dem B. bereitet man durch Auflösen von 1 Teil B. in 250 Teilen Xereswein (nach dem Deutschen Arzneibuch) den Brechwein (Vinum stibiatum, Vinum emeticum, Vinum Stibo-Kali tartarici). Der B. ist bekannt durch seine sichere, brechenerregende und gelind abführende Wirkung; in kleinern Gaben innerlich gereicht, wird er ein wirksames Reizmittel der Schleimhäute, weshalb er bei Luftröhren- und Lungenaffektionen vielfach als expektorierendes Mittel Anwendung findet. Er äußert sich aber nicht so ungefährlich, als man früher glaubte. Nach innerm Gebrauch desselben findet man oft die Magenschleimhaut mit Pusteln und sogar mit Geschwüren besetzt. Ähnliche Pusteln