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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Cölialgie; Cölibāt

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Cölialgie - Cölibat

Bend in Indiana. Er starb 13. Jan. 1885 zu Mautato in Minnesota. - Vgl. O. J.^[Ovando James] Hollester, Life of C. (Neuyork 1886).

Cölialgie (grch.), Leibweh, Kolik.

Cölibāt (lat., von coelebs, unvermählt), Ehelosigkeit, insbesondere die gesetzliche Ehelosigkeit der kath. Geistlichen. Das Judentum enthält nur die Vorschrift, daß Priester und Hohepriester zwar in der Ehe leben, aber keine Geschiedene und Entweihte, der Hohepriester auch keine Witwe, heiraten durften, und daß sie, wie übrigens das ganze Volk, zur Vorbereitung auf heilige Handlungen sich ihrer Frauen enthalten sollten. Das Neue Testament kennt kein Verbot der Ehe; von den Aposteln selbst waren einige, wie namentlich Petrus, verheiratet, und 1 Tim. 3, 4 wird der Ehestand der Bischöfe sogar als Regel vorausgesetzt. Aber schon der Apostel Paulus hielt die Ehelosigkeit überhaupt für vorzüglicher und die Ehe nur für notwendig, um die Unzucht zu verhindern (1 Kor. 7). Namentlich aber war es der Hinblick auf die erwartete baldige Wiederkunft des Herrn, die es ratsamer erscheinen ließ, die Ehe zu meiden, weil diese von der Sorge um göttliche Dinge abziehe, und auch der Ausspruch Matth. 19, 12 konnte in dieser Überzeugung nur bestärken. Unterstützt wurde diese Ansicht durch die den ältesten Christen eigene Weltflucht und die dualistische Entgegensetzung von Geist und Fleisch. Die Gnostiker schwankten zwischen den beiden Extremen unbedingten Eheverbotes für alle und unterschiedsloser Geschlechtsgemeinschaft, weil man das Fleisch zu Grunde richten müsse, hin und her, während die kirchliche Ansicht zwar die einmalige Ehe gestattete, aber den ehelosen Stand für heiliger ansah und die zweite Ehe als Ehebruch brandmarkte. Für die Geistlichen galten anfangs ganz dieselben Grundsätze wie für alle übrigen Christen. Auch den Bischöfen war die erste Ehe gestattet, die zweite verboten, der ehelose Stand der freien Wahl jedes Einzelnen überlassen. Doch wurde es schon im 2. Jahrh. Sitte, durch besondere Gelübde sich zu lebenslänglicher Keuschheit zu verpflichten, und Eheleute bereiteten sich wenigstens auf heilige Handlungen durch Enthaltsamkeit vor. Schon zu Anfang des 3. Jahrh. wurde die Forderung laut, daß kein Bischof, Presbyter oder Diakonus nach erhaltener Weihe sich verheiraten solle, auch keiner, der mit einer Witwe, mit einer Gefallenen oder schon zum zweitenmal verheiratet war, die Weihe erhalten dürfe. In dem Maße, als die hierarchischen Ideen sich entwickelten, breiteten sich auch die neuen Grundsätze aus, und seit dem 4. Jahrh. finden sich an verschiedenen Orten der Kirche schon Gesetze in dieser Richtung. Dennoch wies noch die Synode von Nicäa 325, namentlich infolge der beredten Verteidigung der Heiligkeit des ehelichen Lebens durch Paphnutius, der selber ein strenger Ascet war, das beantragte Verbot der Priesterehe zurück und verfügte nur, daß die unverheiratet in den Klerus eintretenden Geistlichen der drei obern Grade nach Erlangung der Weihe nicht mehr heiraten sollten. Und noch 355 sprach die Synode zu Gangra das Anathema aus über jeden, der sich weigere, am Gottesdienst eines verheirateten Priesters teilzunehmen. Aber die Überhandnahme des Mönchtums zwang auch den Klerus, im Ruhme höherer Heiligkeit und darum auch im C. mit ihm zu wetteifern. Im Morgenland wurde es Sitte, daß wenigstens der Bischof unverheiratet sein, oder wenn er verheiratet war, aus dem Ehestand austreten sollte. Im Abendlande dagegen erklärte schon Bischof Siricius von Rom 385, daß die Ehe die Verwaltung des geistlichen Amtes hindere, und hierbei blieben auch die folgenden röm. Bischöfe, namentlich Innocenz I. (404-405) und Leo I. (446-448). Immer allgemeiner wurde das Verbot der Ehe für Bischöfe, Priester und Diakonen, und für die Subdiakonen wenigstens die Bestimmung, daß sie nach der Ordination keine Ehe mehr eingehen durften. Den Klerikern der niedern Weihen blieb die einmalige Ehe mit einer Jungfrau gestattet. Die weltliche Gesetzgebung bestätigte wiederholt diese kirchlichen Verordnungen und verfügte, daß verheiratete Personen nicht Bischöfe werden dürften, daß Ehen der Kleriker der höhern Weihen nichtig und ihre Kinder als unehelich zu betrachten seien.

Die orientalische Kirche blieb im ganzen bei diesen Satzungen, die zuletzt auf dem Trullanischen Konzil 692 bestätigt worden waren, stehen, nur mit der doppelten Einschränkung, daß die Priester die vorher mit einer Jungfrau geschlossene Ehe fortsetzen, aber nach dem Tode ihrer Frau keine neue eingehen dürfen, während die Bischöfe, die deswegen regelmäßig aus dem Mönchsstande genommen werden, auch die früher eingegangene Ehe nicht fortsetzen dürfen. Diese Bestimmungen gelten bei den nichtunierten wie bei den unierten Griechen.

Die lateinische Kirche ist in ihren Anschauungen über den C. immer strenger geworden. Seit dem 8. Jahrh. wurde derselbe unaufhörlich von Päpsten und kirchlichen Konzilien eingeschärft; trotzdem lebten in Frankreich, Deutschland und Oberitalien bei weitem die meisten Priester und selbst manche Bischöfe in regelmäßiger Ehe. Die sittliche Verwilderung der röm. Kirche im 10. Jahrh. und die berechtigte Scheu vor den entsittlichenden Folgen einer erzwungenen Ehelosigkeit machten die Durchführung der Cölibatsgesetze zu einer Unmöglichkeit; ja in manchen Diöcesen erteilten die Bischöfe selbst ihren Klerikern die förmliche Erlaubnis, Weiber zu nehmen. Allein die Konsequenz der Theorie von der höhern Heiligkeit des priesterlichen Standes und der mittelalterliche Zug nach harter Kasteiung des Leibes, welcher unvermittelt neben den wildesten Ausbrüchen einer ungebändigten Sinnlichkeit steht, mußte namentlich unter den niedern Volksklassen die Meinung bestärken, daß nur die Sakramente unverehelichter Priester Heilskraft besäßen. In dem Maße, als das Selbstgefühl des röm. Papsttums erstarkte, steigerten sich so auch seine Bemühungen, die Bande zu lösen, welche die Diener der Kirche an Staat und Familie knüpfen. Nur ein von allen häuslichen und bürgerlichen Pflichten losgelöster Klerus konnte die Unabhängigkeit der Kirche von der Staatsgewalt sichern und den hierarchischen Tendenzen des Papsttums als Werkzeug dienen. So wurde seit der Regeneration des Papsttums um die Mitte des 11. Jahrh. die Durchführung des C. die Losung der hierarchischen Partei. Die Seele derselben war Papst Gregor VII., dessen Geist schon seine Vorgänger seit Leo IX. (1048-54) beherrschte. Die Verordnung von 1074, nach welcher jeder verheiratete Priester, welcher das Sakrament des Altars verwalte, und jeder Laie, der aus der Hand eines solchen das Sakrament nehme, mit dem Bannfluche belegt wurden, war nur eine Erneuerung der Verordnungen Nikolaus’ II. und Alexanders II. (1059 und 1063).