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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Kunst

Kraus; Königreich Sachsen (Dresd. 1882 fg.) und Provinz Sachsen (Halle 1882 fg.) von Steche; Rheinprovinz von Lehfeldt (Düsseld. 1888) und Clemen (ebd. 1891); Thüringen (Jena 1888 fg.) von Clemen; Großherzogtum Hessen (Darmst. 1885 fg.); Schlesien (Bresl. 1886 fg.) von Lusch; Schleswig-Holstein (Kiel 1886-89) von Haupt; Westpreußen (Danzig 1888); Baden (Freib. i. Br. 1887 fg.) von Durm und Kraus u. a.

II. Bildnerei. Die deutsche Bildnerei entfaltet sich zuerst an Werken der Kleinskulptur sowie im großen an Bronzewerken, der mit einem Bildfries umwundenen Säule zu Hildesheim, den Hauptthüren des Domes daselbst und des Domes zu Augsburg und andern dem 11. Jahrh. angehörenden Werken, obgleich auch hier die Köpfe noch schwer, glotzäugig, mit großen Nasen, die Körper übertrieben bewegt, zugleich plump und schwächlich sind. Erst mit dem Beginn der romanischen Bauthätigkeit tritt die Bildnerei großen Maßstabes in eine lebhaft fortschreitende Bewegung, die sich schon zu Anfang des 12. Jahrh. in der großartigen Kreuzabnahme der Externsteine (s. d.) in Westfalen in monumentaler Weise geltend macht. Im wesentlichen dient sie aber noch der Baukunst und fügt Statuen und Reliefs den einzelnen Gliedern in streng gesonderter Aufstellung und nur cyklischer Beziehung zueinander zusammen. Aber schnell durchdringt die frühere Starrheit ein frischeres Leben, sodaß mit dem Beginn des 13. Jahrh. eine bedeutende Höhe im Schaffen erreicht wird. Namentlich sind es sächs. Werke, so z. B. die Goldene Pforte zu Freiberg, der Altar und die Kanzel zu Wechselburg (s. Tafel: Altäre I, Fig. 5; ferner die Tafel: Crucifix zu Wechselburg), die Skulpturen am Dom zu Naumburg, das Grabmal Heinrichs des Löwen und seiner Gattin in Braunschweig, welche eine völlige Beherrschung des Technischen bei genauer Beobachtung der Figur und empfundener Tiefe im Ausdruck zeigen. Nahe steht diesen das, was am Dom zu Bamberg geleistet wurde, namentlich an dem seit 1250 ausgeschmückten Südportal der Ostseite. Die Erzplastik führte zu so stattlichen und naturwahren Erzeugnissen wie der Löwe auf dem Domplatz zu Braunschweig, die kleine Reiterstatue Kaiser Karls d. Gr. (s. Taf. IV, Fig. 5) und lieferte wahrscheinlich aus niedersächs. Gießereien sowohl reich verzierte Taufbecken (in Lüttich, Osnabrück, Hildesheim) als auch Erzthüren (für Nowgorod und Gnesen). Endlich erschöpfte sich die Kunstfertigkeit in der reichen Ausstattung kirchlicher Geräte, von Leuchtern (s. Taf. I, Fig. 5), Reliquiarien, Kelchen u. dgl. Die Gotik bot neue Veranlassung zu reichem statuarischen Schmuck der Kirchen und zwar wieder in cyklischer Aneinanderreihung sich ähnelnder Gestalten. An den Münstern zu Freiburg i. Br., Straßburg, dem Dom zu Wetzlar und zahlreichen andern findet man solche in sehr schlanken, überstark bewegten Körpern und einem oft süßlichen, meist übertriebenen Ausdruck. Mit der Mitte des 14. Jahrh. kamen neue Impulse in die deutsche Bildnerei. Von besonderm Reichtum ist die Ausschmückung der Nürnberger Kirchen, an denen das große Portal von St. Lorenz noch etwas trockne Bildungen, die Brautpforte von St. Sebald die got. Streckungen und Schwingungen der Figuren stark ausgeprägt, die durch Karl IV. errichtete Frauenkirche dagegen einen kräftigen, statuarischen Stil zeigt, der im Schönen Brunnen (s. Tafel: Brunnen I, Fig. 4) noch eine erhöhte Stufe erreicht. In Schwaben (Ulm, Gmünd, Eßlingen, Stuttgart, Augsburg), in Sachsen (Meißen, Erfurt, Braunschweig [s. Taf. IV, Fig. 2]), Bayern (Regensburg) werden um das J. 1400 Werke geschaffen, welche eine individuelle Befreiung vom Handwerklichen der Gotik darstellen. Dies äußert sich auch in den wieder bildnisartig sich gestaltenden Grabplatten (s. Taf. IV, Fig. 8), welche nun aller Orten in Stein oder meist mit besonderer Feinheit in Bronze hergestellt werden. Gegen Mitte des Jahrhunderts treten zuerst die einzelnen Bildhauer persönlich aus der Menge hervor. In ihrer Hand wird der Stil freier, tritt das Konventionelle hinter einem oft stürmischen Streben nach eigenartigem Ausdruck zurück. Die führende Form der Technik wird die Holzschnitzerei, in der sich deutlich erkennbare Schulen herausbilden. Zunächst die schwäbische, die sich in den beiden Syrlin in Ulm zu reicher Kunstentfaltung erhebt; dann die fränkische, deren Reihe Hans Decker in Nürnberg beginnt, der Maler Michel Wohlgemuth fortführt, die aber in den Holzschnitzern Veit Stoß in Nürnberg, dem unbekannten Schöpfer der Trauernden Maria (s. die Tafel beim Artikel Madonna) ebendaselbst, in Dill Riemenschneider in Würzburg (s. Taf. IV, Fig. 7), in dem Steinbildhauer Adam Krafft und in der Bronzegießerfamilie Vischer zu Nürnberg, deren berühmtestes Mitglied Peter Vischer war (s. Taf. IV, Fig. 1 u. 4), die Plastik aus den engen Grenzen ihrer mittelalterlichen Ausübung zu freiem Künstlertum erhob. In den bayr., obersächs. und österr. Landen zeigt sich die neue Kunstauffassung namentlich in Grabmälern und Altarwerken, in welchen sich mehr und mehr aus statuarischer Aneinanderreihung durchdachte Kompositionen ergeben. Doch leidet die Bildnerei unter dem Einfluß der Steinmetzhütten, welche die geometrisch ausgeklügelten Formen der spätesten Gotik nur ungern durch die neue Kunstart verdrängen ließen. Großartig entfaltet sich daher die Holzschnitzerei im steinarmen nördl. Deutschland (Hans Brüggemanns Altar im Dom zu Schleswig, Marienkirche zu Lübeck), wie ferner am untern Rhein (Calcar, Köln, Xanten). Mit dem Beginn der religiösen Wirren und der Änderung der socialen Lage befreite sich auch die Bildnerei vom zünftigen Zwang und trat als freie Kunst neben die Malerei, indem sie zugleich mit Leidenschaft die Formen der Renaissance aufnahm, die ihr sowohl von Italien, als von den Niederlanden entgegengebracht wurden. Die Hauptaufgabe bildeten die großen Grabmale der Fürsten, wie das des Kurfürsten Moritz in Freiberg, des Kaisers Maximilian in Innsbruck (s. Taf. IV, Fig. 3) u. a. Jedoch traten die deutschen Meister (Loy Hering in Eichstätt, Georg Labenwolf und Benedikt Wurzelbauer in Nürnberg u. a.) zurück vor zahlreichen an die Höfe berufenen Ausländern (Adrian de Vries, Hubert Gerhard, Pieter de Witte in Augsburg, Nosseni in Sachsen, Alex. Colin in Innsbruck und Heidelberg, die Brüder Abel in Köln u. a.), bis der Dreißigjährige Krieg der Bildnerei überhaupt ein Ende machte.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. begann sie bescheiden sich wieder zu regen und zwar im Norden vorwiegend unter niederländischem, im Süden unter ital. Einfluß. Eine höhere Entwicklung erlangte sie zuerst in Österreich, namentlich in Salzburg, dann unter den die süddeutschen Kloster- und Schloßbauten sowie die Kirchen schmückenden Barockmeistern, welche sich in derber Formübertreibung