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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Englische Litteratur

der Sphäre des Familienlebens heimisch fühlte, zu der er immer zurückkehrte. Talfourd ist der Hauptvertreter der klassischen, Bulwer der eklektischen Schule, der jede Richtung gleich trefflich erscheint, wenn sie nur den Theatererfolg erzielt. Browning und Bailey zeichnen sich durch philos. Erhabenheit, Leigh Hunt durch Zartheit, Westland Marston durch lebhafte Empfindung aus. Bemerkenswert sind auch die Dramen von Swinburne und Wills und die frühern mit allgemeiner Teilnahme begrüßten von Tennyson. Von neu auftretenden Dramatikern gewann die lebhafteste Teilnahme Michael Field, dessen "Brutus", "Callirrhoë" und "Fair Rosamond" von ungewöhnlicher Begabung zeugen. Außerdem sind die Verdienste derjenigen keineswegs zu übersehen, die, im Solde der größern und kleinern Theater, diese mit Neuigkeiten jeder Art versorgen, wie zu Anfang des 19. Jahrh. G. Colman der Jüngere, Dibdin, O'Keefe, Frederick Reynolds und Morton, in neuerer Zeit Hook, Poole, Planché, Buckstone, Peake, D. Jerrold, Mark Lemon, Robertson, Boucicault und Tom Taylor.

Der Roman ist im 19. Jahrh. in ganz hervorragender Weise gepflegt worden; auf dem Gebiete des histor. Romans ist Walter Scott der Hauptvertreter; von seinen zahlreichen Nachahmern zeichnen sich Horace Smith, Thomas Colley Grattan, Mrs. Bray und Louisa Costello aus. Einen Rückschritt zeigen die Räuber- und Geistergeschichten Ainsworths, die ihrerseits den kriminalistischen und Sensationsromanen von Wilkie Collins, Misihraddon, Edmund Yates, Whyte Melville, Charles Reade u. a. weichen mußten. Die praktische Lebensphilosophie fand in Bulwer (s. Lytton) einen trefflichen Vertreter, wenn er auch vielfach mit lyrischer Überschwenglichkeit zu kämpfen hat. Durch seinen Roman "The last days of Pompeii" und "Rienzi" zählt er auch zu den besten Verfassern histor. Romane, in "Pelham", "Eugene Aram", "Devereux" schildert er mit großer Menschenkenntnis Scenen des engl. Volkslebens, durch die "Caxtons" gewann er sich eine geachtete Stellung unter den Humoristen. Ein trefflicher Humorist ist Charles Dickens. In den "Pickwick Papers" entwickelte er eine ursprüngliche Kraft, die in seinen eigenen Erfahrungen und dem reichen Volksleben namentlich der mittlern und niedern Klassen ihre Nahrung schöpft. Von großer Zartheit sind die "Christmas carol" und "The cricket on the hearth". Von seinen zahlreichen Romanen ist namentlich "Davd Copperfield", eine Schilderung der Jugend des Dichters, zu nennen. Die Romane Thackerays sind schon mehr realistisch, oft voll Hohn und bitterer Satire ("Vanity fair" und "History of Pendennis"). Diesen Schriftstellern schlossen sich zahlreiche Nachahmer an, von denen hier nur Currer Bell (Charlotte Bronté), Margaret Oliphant und vor allem George Eliot (M. A. Evans) mit ihren vortrefflichen Schilderungen des engl. Provinziallebens genannt sein mögen. Die besten Romane der Eliot sind "Adam Bede", "The mill on the floss" und "Middlemarch". Auf die moralischen Erzählungen der Miß Edgeworth, Mrs. Opie, Miß Austen und Mrs. Hofland folgten die Schilderungen der socialen Gebrechen durch Harriet Martineau und Frances Trollope; Kingsley, Mrs. Gaskell, Miß Mullock und Miß G. Craik führten die christl.-socialistischen Romane ein. Vor ihnen verschwand der fashionable Roman, der in Lady Blessington, Lord Normanby, Mrs. Gore und Lister seine bessern Repräsentanten gefunden hatte. Religiöse Romane, die Wards "Tremaine" zum Vorbild haben und je nach ihrer Tendenz in hochkirchliche, evangelische, puseyitische und katholische zerfallen, finden nach wie vor ein teilnehmendes Publikum. Eine eigene Kategorie nehmen die Werke Disraelis ein, der als Vertreter des "Jungen England" Politik, Philosophie, Religion und aristokratische Tendenzen mit socialen Bestrebungen verbindet, während Banim, Crofton Croker, Carleton, Lever das irische Volksleben, Borrow die Zigeunerwelt, Ch. Reade und Mayhew das Proletariat Londons schildern. Außer Bulwer und Lockhart suchten besonders Landor und auch W. Collins ihre Stoffe in der alten Geschichte, und Hope, Morier, Frazer, Saint-John führten in gelungenen Schilderungen Leben und Sitten des Orients vor Augen. Auch austral. Erzählungen besitzt man schon von Mrs. Vidal und Will. Howitt. Der Seeroman, den Marryat in die E. L. einführte, wurde durch M. Scott, Howard, Glascock und Chamier, auch von J. Wilson bearbeitet. Neuerdings schreibt Clark Russell vorzugsweise Seeromane ("A sailor's sweetheart", "A sea queen", "The death ship" u. a.). Das Geheimnisvoll-Schauerliche wird durch Rider Haggard vertreten. Sonst ragen unter den heutigen Romanschriftstellern hervor: W. Black, Blackmore und Besant. Auch Rhoda Broughton sowie etwa noch James Payn ("Found dead", "A woman's vengeance", "A prince of the blood" u. a.) und R. L. Stevenson ("A treasure island", "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" u. a.) sind zu nennen. Großes Aufsehen erregte 1888 "Robert Ellesmere" von Mrs. H. Ward und später die Erzählungen von Rudyard Kipling.

In der Geschichtschreibung leisteten die Engländer, nach den Anfängen Raleighs und Clarendons, bereits im 18. Jahrh. durch die große Weltgeschichte von Guthrie und Gray Bedeutendes. Die nächsten, durch Forschung und Stil ausgezeichneten Werke waren die Geschichte Schottlands und Amerikas von Robertson, Englands von Hume, Englands, Roms und Griechenlands von Goldsmith, der röm. Republik von Ferguson, des Verfalls des Römischen Reichs von Gibbon, Griechenlands von Gillies und Mitford. Hallams vortrefflicher "Constitutional history of England" folgte Palgraves den Verlauf der engl. Staatseinrichtungen gründlich darstellendes Werk "The rise and progress of the English commonwealth" und neuerdings Stubbs' "Constitutional history of England". Begreiflicherweise mußte bei einem so kräftig entwickelten polit. Leben die Parteianschauung auch auf die histor. Auffassung einwirken, und in den Darstellungen der Geschichte Englands durch Adolphus, Turner, Lingard, Fox, Godwin, Mackintosh, Stanhope, Massey, Froude, Schottlands durch Pinkerton, Scott, Tytler, Maxwell, Chambers, und Irlands durch O'Driscol und Moore giebt oft die subjektive Meinung des Verfassers der Erzählung ihre Färbung und zum Teil auch ihr Interesse. Dies gilt auch von Hallam, besonders auch von dem bisher als Meister der engl. Geschichtschreibung gefeierten Macaulay, der durch seine stilistische Meisterschaft, sein glänzendes Darstellungstalent, sein geistvolles Urteil stets zu den ersten engl. Prosaschriftstellern gehören wird. Sonst hat die engl. Geschichtschreibung an Tüchtigkeit und Gediegenheit seit Macaulay wesentliche Fortschritte gemacht und wird