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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

Benutzung derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Werkgenossenschaften, s. d.); 7) Vereine zur Herstellung von Wohnungen (Baugenossenschaften, s. Baugesellschaften und Baugenossenschaften). Dieselben erwerben die Rechte der eingetragenen Genossenschaft, wenn sie den hierüber im Gesetz aufgestellten Erfordernissen entsprechen und die Eintragung in das bei Gericht zu führende Genossenschaftsregister erlangt haben. Sie können derart errichtet werden, daß die einzelnen Genossen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser sowie unmittelbar den Gläubigern derselben mit ihrem ganzen Vermögen haften (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht), oder daß sie zwar mit ihrem ganzen Vermögen , aber nicht unmittelbar den Gläubigern der Genossenschaft verhaftet, sondern nur verpflichtet sind, der letztern die zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Nachschüsse zu leisten (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht), oder daß die Haftpflicht sowohl der Genossenschaft wie unmittelbar den Gläubigern gegenüber im voraus auf eine bestimmte Summe beschränkt ist (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht). Die Zahl der Genossen muß mindestens sieben sein. Die Firma der eingetragenen Genossenschaft muß vom Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein und eine einer der vorbenannten Arten der Genossenschaften entsprechende zusätzliche Bezeichnung enthalten. Der Name von Genossen oder andern Personen darf in die Firma nicht aufgenommen werden. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unterscheiden. Das Statut der eingetragenen Genossenschaft ist schriftlich zu errichten. Dasselbe muß enthalten die Firma und den Sitz der Genossenschaft, den Gegenstand des Unternehmens, Bestimmungen über die Form für die Berufung der Generalversammlung, für die Beurkundung ihrer Beschlüsse und über den Vorsitz in der Versammlung; Bestimmungen über die Form, in welcher die von der Genossenschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie über die öffentlichen Blätter, in welche sie aufzunehmen sind. Das Statut muß die Art der Haftpflicht der Genossen, die Grenze für die Höhe des Geschäftsanteils nach oben und unten, die Grundsätze über Aufstellung und Prüfung der Bilanz und über den Reservefonds bestimmen. Die Genossenschaft muß einen Vorstand und einen Aufsichtsrat haben. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats müssen Genossen sein. Der zur Vertretung der Genossenschaft berufene Vorstand besteht aus mindestens zwei Mitgliedern, und wird von der Generalversammlung gewählt. Das Statut kann eine höhere Mitgliederzahl und eine andere Art der Bestellung festsetzen. Die Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich. Die von dem Vorstande namens der Genossenschaft abzugebenden Erklärungen sind von wenigstens zwei, und wenn im Statut nichts anderes bestimmt ist, von sämtlichen Vorstandsmitgliedern zu zeichnen. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen. Er hat die Jahresrechnung, die Bilanzen, die Vorschläge über Verteilung von Gewinn und Verlust zu prüfen und der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Er nimmt die Rechte der Genossenschaft gegen die Mitglieder des Vorstandes wahr und kann dieselben verklagen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen keine Vergütung (Tantième) beziehen; der Aufsichtsrat besteht, wenn nicht das Statut eine höhere Zahl bestimmt, aus drei von der Generalversammlung zu wählenden Mitgliedern. Die Anmeldung zur Eintragung liegt dem Vorstande ob. Sie erfolgt unter Beifügung des Statuts, welches von den Genossen unterzeichnet sein muß, und einer Abschrift desselben, einer Liste der Genossen und einer Abschrift der Urkunden über die Bestellung des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Die Mitglieder des Vorstandes haben ihre Unterschrift vor dem Gericht zu unterzeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. Das eingetragene Statut ist von dem Gericht mit der Bekanntmachung zu veröffentlichen, daß die Einsicht der Liste der Genossen während der Dienststunden jedem gestattet ist. Die Veröffentlichung muß enthalten: Datum des Statuts; Firma und Sitz der Gesellschaft; Gegenstand des Unternehmens; Angabe der öffentlichen Blätter, in welchen die Bekanntmachungen der Gesellschaft aufzunehmen sind und die Form, in welcher sie erfolgen; Zeitdauer der auf eine bestimmte Zeit beschränkten Genossenschaft; das Geschäftsjahr; Namen und Wohnort der Mitglieder des Vorstandes.

Vor erfolgter Eintragung in das Genossenschaftsregister hat die Genossenschaft die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht. Die eingetragene Genossenschaft hat als von dem Wechsel der Mitglieder unabhängige Körperschaft selbständig ihre Rechte und Pflichten. Sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte auch an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Dadurch unterscheidet sie sich von den Vereinen und erlaubten Gesellschaften ohne Korporationsrechte, welche zwar nach innen und ihren Mitgliedern gegenüber, aber nicht nach außen und Dritten gegenüber als eine einheitliche Gesamtheit im Rechte gelten. Bei ihnen werden die Mitglieder berechtigt und verpflichtet. Die eingetragene Genossenschaft aber erwirbt Rechte und übernimmt Pflichten als Ganzes, wie eine einzelne Person. Die Verteilung auf die Einzelnen erfolgt erst bei der Auflösung der Genossenschaft und der dann eintretenden Auseinandersetzung. So nimmt die eingetragene Genossenschaft nach außen dieselbe Stellung ein wie die Aktiengesellschaft oder ein Verein, welchem Korporationsrechte verliehen sind; sie ist Juristische Person (s. d.).

Das Gesetz hat im zweiten Abschnitt (§§. 17‒23) Bestimmungen getroffen über das Verhältnis der Genossenschaft zu den Genossen. Dasselbe richtet sich an erster Stelle nach dem Statut; dieses darf von den Bestimmungen des Gesetzes nur insoweit abweichen, als dies ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Nach der Anmeldung des Statuts zum Genossenschaftsregister bedarf es zum Erwerbe der Mitgliedschaft einer von dem Beitretenden zu unterzeichnenden unbedingten Erklärung des Beitritts. Der bei Genehmigung der Bilanz für die Genossen sich ergebende Gewinn und Verlust des Geschäftsjahrs ist auf die Genossen zu verteilen. Den Maßstab, nach welchem sich diese Verteilung vollzieht, bietet das jeweilige Guthaben der einzelnen Genossen, wenn das Statut nicht eine andere Bestimmung getroffen hat. Die Verteilung