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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Erwin; Erwitte; Erworben; Erworbene Rechte

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Erwin – Erworbene Rechte

Jahresarbeitsverdienstes (Vollrente); teilweise E. bedingt einen Bruchteil der Vollrente, welcher danach berechnet werden muß, welchen Bruchteil des bisherigen Verdienstes der Verletzte noch ferner verdienen kann (Unfallversicherungsgesetz §. 5). Dieser Bruchteil verhält sich zu der vollen Rente wie der verlorene Teil der Erwerbsfähigkeit zu der vollen Erwerbsfähigkeit. Wer also nach dem Unfall noch ein Viertel seines bisherigen Verdienstes verdienen kann, dem sind drei Viertel der vollen Rente, also die Hälfte seines bisherigen Jahresarbeitsverdienstes zu gewähren. Bei voraussichtlich vorübergehender E. (d. i. nach der Praxis eine E., die voraussichtlich binnen 6 Monaten beseitigt sein wird) ist die Sektion oder der Vertrauensmann zur Festsetzung der Rente zuständig, auch ist in diesen Fällen das Schiedsgerichtsurteil endgültig, bei dauernder E. ist immer der Rekurs an das Reichsversicherungsamt (oder Landesversicherungsamt) zulässig; auch wird die Rente für solche Fälle nach der gesetzlichen Regel, welche aber durch das Statut geändert werden darf, von dem Genossenschaftsvorstande selbst festgestellt (Unfallversicherungsgesetz §§. 57, 63, Abs. 1). Bei der Invaliditäts- und Altersversicherung kennt das Gesetz zwei Fälle von E., nämlich erstens eine E., welche die Versicherungspflicht (die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen) nicht eintreten läßt (Invaliditätsversicherungsgesetz §. 4, Abs. 2), und zweitens eine E., deren Eintritt für Versicherte den Anspruch auf Invalidenrente begründet (Invaliditätsversicherungsgesetz §. 9, Abs. 3). Der Versicherungspflicht unterliegen nicht diejenigen Personen, welche nicht mehr ein Drittel des ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagesarbeiter des Beschäftigungsortes verdienen können, oder welche auf Grund des Invaliditätsgesetzes eine Invalidenrente beziehen (a. a. O. §. 4, Abs. 2); E., welche den Anspruch auf Invalidenrente begründet, ist dagegen dann anzunehmen (a. a. O. §. 9, Abs. 3), wenn der Versicherte nicht mehr ein Sechstel des 300 fachen Betrags dieses ortsüblichen Lohns und ein Sechstel des Durchschnitts der Lohnsätze, d. i. des Durchschnitts-(Normal-)lohns derjenigen Lohnklassen erwerben kann, in welchen für ihn während der letzten 5 Jahre Beiträge entrichtet sind. Diese Unterscheidung beruht im wesentlichen darauf, daß die letztere Berechnungsart deswegen in der Regel als maßgebend angesehen werden sollte, weil sie eine Kombination der zuletzt thatsächlich vorliegenden Verhältnisse mit den für eine nicht zu lange Vergangenheit bestandenen Durchschnittsverhältnissen vorsieht, in Anlehnung an die allmähliche Entstehung der aus Kraftabnutzung folgenden E.; diese Kombination ist aber für den Arbeitgeber, der über die Versicherungs- und Beitragspflicht eines ältern und in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkten Arbeiters sich unterrichten muß, überaus erschwert und sollte deshalb durch eine, im täglichen Leben leichter anwendbare Vorschrift ersetzt werden. (Vgl. Bosse und von Woedtke, Kommentar zum Invaliditätsversicherungsgesetz, Anmerkung 4 zu §. 4.) E. während der dem Inkrafttreten des Gesetzes unmittelbar vorangehenden Jahre gestattet nicht die Anwendung der Übergangsbestimmungen (§§. 156 fg.), weil solche E. eben den Eintritt der Versicherungspflicht hindert und die Übergangsbestimmungen absichtlich nur denjenigen zu gute kommen sollen, welche innerhalb der dem Inkrafttreten des Gesetzes zunächst vorangehenden Jahre versicherungspflichtig gewesen sein würden, sofern das die Versicherungspflicht begründende Gesetz damals schon bestanden hätte.

Im übrigen ist E. nicht gleichbedeutend mit Erwerbslosigkeit. Erstere besteht, wenn die Möglichkeit, durch Arbeit zu erwerben, aus körperlichen Gründen fortgefallen ist; letztere besteht, wenn der Mangel des Erwerbs durch objektives Fehlen der Gelegenheit zum Erwerb, auch freiwilliges Aufgeben der Erwerbsarbeit u. a. herbeigeführt ist. Gegen die Nachteile der Erwerbslosigkeit besteht zur Zeit eine socialpolit. Fürsorge nicht. Die Versicherung gegen diese Nachteile ist vielmehr Aufgabe der Gewerkvereine (s. d.). – Vgl. L. Becker, Anleitung zur Bestimmung der Arbeits-und Erwerbsunfähigkeit nach Verletzungen (4. Aufl., Berl. 1892).

Erwin, seit 1277 Baumeister am Münster zu Straßburg (s. Tafel: Deutsche Kunst Ⅱ, Fig. 10), erbaute dort die prachtvolle Schauseite im Stil der franz. Dome, die jedoch erst 1339 (die Plattform erst 1365) vollendet wurde. Nur der nördl. Turm und zwar nur bis zu den Fenstern des Glockenhauses wurde nach altem Plan aufgeführt. Ferner erhöhte E. das Mittelschiff des Münsters. Sein Anteil an andern Bauten ist mit Sicherheit nicht zu erweisen, doch war er zweifellos ein hervorragender Meister in seiner Kunst. Er starb 17. Jan. 1318. Der Zusatz zu seinem Namen E. von Steinbach taucht erst seit dem 17. Jahrh. auf und gründet sich auf eine schwerlich alte, aufgemalte Inschrift am Hauptportal. Erwiesen ist, daß die angebliche Tochter und Schülerin E.s, die Bildhauerin Sabine von Steinbach, nicht gelebt hat. Dagegen treten nach E.s Tode seine Söhne E. oder Erlewin (1335‒38), Johannes Winlin oder Windelin (1332‒34, gest. vor 1342) und Gerlach (bis 1371 vorkommend) auf. Die Genealogie der Familie ist noch nicht völlig geklärt. – Vgl. F. X. Kraus, Meister E. und seine Familie (in der «Kunstchronik» ⅩⅠ, Lpz. 1875); Woltmann (ebd.); F. X. Kraus, Kunst und Altertum in Elsaß-Lothringen (Bd. 1, 2 Abteil., Straßb. 1876‒77).

Erwitte, Flecken im Kreis Lippstadt des preuß. Reg.-Bez. Arnsberg, an der Warstein-Lippstadter Eisenbahn (Nebenbahn), hat (1890) 1584 E., darunter 51 Evangelische und 53 Israeliten, Post, Telegraph, Amtsgericht (Landgericht Paderborn), Rektoratsschule, Krankenhaus; Cigarrenfabriken.

Erworben heißt im Unterschied von Angeboren (s. d.) ein aus der Erfahrung gewonnener Begriff oder eine solche Erkenntnis. Erworben sind eigentlich alle Begriffe, wenngleich die letzte Wurzel aller Begriffsbildung in ursprünglichen Gesetzen unsers Bewußtseins liegt.

Erworbene Rechte (oder wohlerworbene Rechte, Jura quaesita, Jura singulorum), der Gegensatz einerseits zu den angeborenen Rechten (s. Angeboren), andererseits auch zu den gesetzlichen Rechten. Man versteht dann darunter diejenigen Rechte der einzelnen Menschen, Gesellschaften oder jurist. Personen, welche nicht zur beliebigen Verfügung der Gesetzgebung stehen. Wird das Gesetz geändert, unter dessen Herrschaft ein Recht erworben ist, so fällt letzteres nicht um deswillen weg, weil es unter dem neuen Gesetze nicht hätte entstehen können. Man hat das auch so ausgedrückt: die Gesetze sind nicht zurückzubeziehen. E. R. sind z. B. das Eigentum, welches jemand an seinen Sachen hat, und seine übrigen Vermögensrechte, aber auch das durch eingetretene Volljährig- ^[folgende Seite]