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Getreidekümmel – Getreidepreise
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Getreidehandel'
Deutsches Reich. Dasselbe ist seit mehr als einem Jahrzehnt gleichfalls auf fremde Zufuhren
angewiesen und bei weiterer starker Bevölkerungszunahme wird dies in Zukunft immer mehr der Fall sein. Über die thatsächlichen
Verhältnisse unterrichtet sehr eingehend die vom kaiserl. Statistischen Amt in Anschluß an die Erntestatistik alljährlich aufgestellte
Verbrauchsrechnung, deren Hauptergebnisse für den Durchschnitt der J. 1884/5–1893/4 folgende (in 1000 t) sind:
| Roggen | Weizen | Gerste | Hafer |
Geerntet . . . . . . . . . . . . | 5960 | 2681 | 2240 | 4478 |
Eingeführt . . . . . . . . . . | 498 | 516 | 678 | 188 |
Gesamtmenge | 6458 | 3197 | 2918 | 4666 |
Ausgeführt . . . . . . . . . . | 3 | 21 | 22 | 5 |
Bleiben im Lande | 6455 | 3176 | 2896 | 4661 |
Aussaat . . . . . . . . . . . . . | 986 | 333 | 258 | 622 |
Bleiben zum Verbrauch | 5469 | 2843 | 2638 | 4039 |
Bringt man von letztern Summen den zu industriellen Zwecken verwendeten Betrag in Abzug, so erhält man die zur menschlichen Nahrung
verfügbare Menge. Für das eigentliche Brotgetreide berechnet sich dieselbe auf etwa 180 kg auf den Kopf pro Jahr. Die Deckung des
Fehlbetrags an Getreide geschieht hauptsächlich durch Rußland, Rumänien, die Vereinigten Staaten von Amerika und neuerdings auch
Argentinien.
Niederlande. Dieselben weisen neben der Getreideeinfuhr auch eine nicht unbedeutende Ausfuhr auf;
beide sind im Laufe der Jahre gestiegen. Es betrug nämlich in Millionen holländ. Gulden:
Jahre | Einfuhr | Ausfuhr | Mehreinfuhr | Gesamtumsatz |
1881 | 98,31 | 51,29 | 47,02 | 149,60 |
1885 | 134,70 | 66,64 | 68,06 | 201,34 |
1886 | 149,97 | 79,31 | 70,66 | 229,28 |
1887 | 171,51 | 95,75 | 75,76 | 267,26 |
1888 | 191,23 | 102,94 | 88,34 | 294,22 |
1889 | 176,74 | 95,43 | 81,31 | 272,17 |
1890 | 192,13 | 102,45 | 89,68 | 294,58 |
1891 | 194,57 | 104,73 | 89,84 | 299,30 |
1892 | 176,58 | 92,99 | 83,59 | 269,57 |
An den Umsätzen sind sämtliche Hauptfrüchte in erheblichen Mengen beteiligt. Abgesehen vom Weizen, der besonders aus den Vereinigten
Staaten eingeführt wird, beherrscht Rußland den niederländ. Markt.
Belgien. Hier ist die Einfuhr etwa dreimal so groß als die Ausfuhr. Die Hälfte der erstern entfällt auf
Weizen mit 819 von 1590 Mill. kg im J. 1888. Die Mehreinfuhr betrug damals im ganzen 1000 Mill. kg, gegen 760 Mill. kg in dem Zeitraum
1881–85.
Vgl. Roscher, über Kornhandel und Teuerungspolitik (3. Aufl., Stuttg. und Tüb. 1852); Sonndorfer, Die Technik des Welthandels (Wien 1889);
Kohn, Der Getreideterminhandel (Lpz. 1889); Sering, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas in Gegenwart und Zukunft (ebd. 1887);
die Artikel über G. im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 3 (Jena 1892); Wiedenfeld, Der deutsche G. (in den «Jahrbüchern
für Nationalökonomie und Statistik», 3. Folge, Bd. 7 u. 8, ebd. 1894 u. 1895); bezüglich der statist. Angaben ↔ ist zu
verweisen auf die «Übersichten der Weltwirtschaft», begründet von Neumann-Spallart, Jahrg. 1885–89, hg. von F. von Juraschek (Berl.
1891 fg.).
Getreidekümmel, ein im wesentlichen aus Sprit, Zucker und Kümmelöl bestehender Branntwein, der einen
Alkoholgehalt von 40 bis 41 Proz. und einen Zuckergehalt von 8 bis 10 Proz. besitzt. Als Hauptvertreter der als G. bezeichneten Branntweine
ist der Gilka zu nennen, der von der Fabrik gleichen Namens in Berlin hergestellt wird.
Getreidelaubkäfer (Anisoplia fructicola
Fab.), ein kleiner, höchstens 1 cm langer, erzgrüner, zottig behaarter Käfer, der zu den
Blatthornkäfern (s. d.) gehört und am häufigsten auf Roggenähren gefunden wird, die er
ausfrißt. Die Larve gleicht einem jungen Engerling und nährt sich in der Erde von faulenden, vielleicht auch frischen Wurzeln.
Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus
Fab.), ein zu der Familie der Laufkäfer (s. d.) gehöriger, etwa 15 mm lang
werdender, schwarzer Käser, der sich tags über in die Erde verbirgt, abends aber an den Halmen des Getreides emporklettert und die Ähren
ausfrißt. Die mit dem ersten Frühjahr hervorkommende, graurötliche Larve mit vorn braunen Hornschildern frißt die jungen Triebe des
Getreides und verbirgt sich ebenfalls tags über in der Erde.
Getreidepreise. Während ehedem die Staatsgewalt eine unmittelbare Einwirkung auf die G. im Interesse des
öffentlichen Wohles für geboten erachtete, sind dieselben mit der fortschreitenden Entwicklung des
Getreidehandels (s. d.) fast in allen Kulturländern dem ungehinderten Wirken der innerhalb
des freien Verkehrs maßgebenden wirtschaftlichen Kräfte überlassen. Wie der Getreidehandel im Laufe des 19. Jahrh. allmählich den
Charakter des Welthandels annahm, wurde auch die Preisbildung des Getreides den Einflüssen örtlicher Verhältnisse mehr und mehr
entzogen und von der Gestaltung des Weltmarktes abhängig. Dem allgemeinen (Ricardoschen) Preisgesetze zufolge sind für die Höhe der
G. die Erzeugungskosten derjenigen Gegenden maßgebend, welche am teuersten produzieren, deren Erzeugnisse zur Deckung des
Bedarfes aber noch herangezogen werden müssen. Dieses Gesetz gilt indessen nur unter der Voraussetzung, daß neben den unter
günstigen Verhältnissen produzierenden Gegenden auch solche, welche durch ihre natürliche Beschaffenheit oder ihre Lage nur wenig oder
gar nicht bevorzugt sind, zur Befriedigung der Nachfrage dienen müssen. Gegenwärtig sind nun aber die hauptsächlichen
Getreideerzeugungsländer durch Ausdehnung der Anbauflächen im stande, mit den geringsten Produktionskosten jedem erweiterten Bedarf
auf dem Weltmarkte zu genügen, sodaß thatsächlich diese, nicht aber die höchsten Kosten für die Preisbestimmung ins Gewicht fallen.
Insbesondere ist der Preis des Weizens von den Beschaffungskosten innerhalb Amerikas, Indiens und Rußlands abhängig, während für den
Preis des Roggens, der Hauptbrotfrucht Deutschlands, die Verhältnisse des russ. Produktionsgebietes ausschlaggebend sind. Die
westeurop. Produktion vermag dem gegenüber einen dauernden Einfluß auf den Preis nicht mehr auszuüben. Die Produktionskosten,
einschließlich des Frachtaufwandes bis zum Absatzorte, bilden somit die Grundlage der G. Von der hierdurch bestimmten
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 957.