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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Görlitzer Neisse - Gorod

verlor ihre Landgüter, die freie Ratswahl und die Gerichtsbarkeit über das Weichbild, doch gelang es ihr, ihre Besitzungen und die Ratswahl noch im Laufe des 16. Jahrh. zurückzukaufen. Im Dreißigjährigen, im Nordischen und Siebenjährigen Kriege hatte G. viel zu leiden. Durch den Prager Frieden von 1635 gelangte es an Sachsen. Am 7. Sept. 1757 fand beim nahen Moys ein Treffen zwischen Preußen und Österreichern statt, in dem General von Winterfeld tödlich verwundet wurde. 1815 kam die Stadt mit einem großen Teil der Oberlausitz an Preußen. Seit der Entwicklung des Zollvereins, besonders aber seit Herstellung der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn hat G. eine neue Blütezeit begonnen. In G. lebte und starb der Theosoph Jakob Böhme (s. d.). - Vgl. Neues Lausitzisches Magazin (Görl. 1822-93); Büsching, Altertümer der Stadt G. (ebd. 1825); Görlitzer Ratsannalen des Stadtschreibers Johannes Haß (in den "Scriptores rerum Lusaticarum", Bd. 2-4, 1841-70); Neumann, Geschichte von G. (Görl. 1850); Kämmel, Johannes Haß (Dresd. 1874); G. und seine Umgegend (4. Aufl., Görlitz 1890); Blau, Görlitz (Zür. 1888).

Görlitzer Neisse, s. Neisse.

Görlitzscher Prozeß, s. Selbstverbrennung.

Gorm der Alte, angeblich der erste König des gesamten Dänemark (900-935). Er starb um 940. Sein Name und der seiner Gemahlin, Thyre Danebod, sind mit Dänemarks vorzüglichsten Altertümern, den beiden großen Hügeln bei Jellinge, nordwestlich von Veile, verknüpft, von denen der eine ihre aus grobem Holze gezimmerte Grabkammer enthält.

Görner, Karl Aug., Schauspieler und Bühnendichter, geb. 29. Jan. 1806 in Berlin, Schüler Ludwig Devrients, leitete 1824 das Cöthener Hoftheater und ward 1827 am Strelitzer Hoftheater engagiert, dessen Direktor er später wurde. Seit 1854 war er Regisseur des Friedrich-Wilhelmstädtischen Theaters in Berlin, seit 1857 des Hamburger Stadttheaters. 1867 kam er als Oberregisseur an das Thalia-Theater in Hamburg, wo er 9. April 1884 starb. G. hat 166 Lustspiele, Possen u. s. w. geschrieben, die oft Bühnenerfolge hatten; "Der geadelte Kaufmann" ist noch auf der Bühne. Er führte die dramatisierten Märchen ein ("Aschenbrödel", "Sneewittchen" u. s. w.) und gab fünf Bände "Kindertheater" (Berl. 1855-56 u. ö.) und "Neues Kindertheater" (6 Hefte, Hamb. 1884) heraus, außerdem: "Almanach dramat. Bühnenspiele" (11 Jahrg., Bresl., Hamb. und Altona 1851-68, und 8 Bde., Berl. 1870 fg.), zwei Bände "Lustspiele" (Hamb. 1856-72), "Possenspiele" (Altona 1872) u. a.

Gornergletscher, der zweitmächtigste Eisstrom der Alpen, liegt an der Nordabdachung des Monte-Rosastockes im Hintergrunde des herrlichen Thalkessels von Zermatt im schweiz. Kanton Wallis; er hat (1878) eine Größe von 69 qkm, wovon auf die Eiszunge 20 qkm entfallen; die Länge des Gesamtgletschers beträgt 15 km, die der Eiszunge 8,5 km. Das Nährgebiet erstreckt sich von der Cima di Jazzi (3749 m) über den Monte-Rosa (4638 m) bis zum Theodulhorn (3466 m). Der oberste Teil senkt sich als sanft geneigter Firnhang von dem Kamme zwischen der Cima di Jazzi und dem Jägerhorn (3975 m) nach W.; der mittlere nimmt links den Monte-Rosa- und den Grenzgletscher, den Zwillings- und Schwärzegletscher, weiter westlich den Breithorn-, Klein-Matterhorn- und Unter-Theodulgletscher auf; er ist ein fast ebenes 1½ - 2 km breites Eisfeld, von mächtigen Moränen durchzogen und von Gletscherbächen durchfurcht, die sich in Eisseen und Teichen verlieren. Die unterste Stufe, der Bodengletscher, zwängt sich als schmale Eiszunge von ½ bis kaum 1 km Breite zwischen dem Riffelhorn (2931 m) rechts und den Leichenbrettern (2867 m) links nach NW. durch und endigt in 1840 m Höhe 2½ km südwestlich von Zermatt. Der Abfluß des G. ist die Matter- oder Gornervisp. (S. Visp.) Den besten Überblick über den gewaltigen Eisstrom und seine großartige Gebirgsumwallung bietet der Gornergrat (3136 m), der sich am rechten Gletscherufer über dem Riffelberg erhebt und von Zermatt in etwa 4½, vom Riffel-Hotel (2569 m) in 1½ Stunden auf bequemem Reitwege erreicht wird.

Gornji (Gorny, slaw.), in zusammengesetzten Ortsnamen soviel wie "Ober".

Gornji-Milanowatz, Stadt im serb. Kreis Rudnik, in gebirgiger Gegend, an einem kleinen Nebenflusse der serb. Morava, hat (1890) 2025, mit Brusnitza 3241 E.

Goróchowez. 1) Kreis im östl. Teil des russ. Gouvernements Wladimir, in der Mitte sumpfig und waldig, rechts von der Kljasma fruchtbar, hat 4352,6 qkm, 98545 E., Flachs-, Obst- und Gemüsebau, Strumpfstrickerei, Fabrikation von Bastschuhen und Matten, Handel. - 2) Kreisstadt im Kreis G., 180 km östlich von Wladimir, rechts an der Kljasma und an der Linie Moskau-Nishnij-Nowgorod der Großen Russ. Eisenbahn, hat (1888) 2735 E., Post und Telegraph, 7 Kirchen, Obst- und Gemüsebau (namentlich Kirschen und "Krimschen Kohl"), Herstellung feinen Zwirns zu Spitzen.

Górod bedeutet im Russischen Stadt (z. B. Nowgorod = Neustadt), ursprünglich einen eingehegten umwallten Platz. Eine Anzahl solcher Ortschaften gab es schon vor der Gründung des Russischen Reichs. Man unterschied zwischen der Mutterstadt und den Nebenstädten (prigorod). Die letztern sind Kolonien, welche zum Schutze entfernterer Teile der Landschaft oder zu Handelszwecken gegründet wurden und von der Mutterstadt abhingen. Bei der Zersplitterung Rußlands in Teilfürstentümer erhielten viele Städte dadurch eine besondere Bedeutung, daß sie fürstl. Residenzen, d. h. Verwaltungsmittelpunkte für größere Landschaften wurden. Im moskauischen Zartume haben die Städte nur die Bedeutung administrativer Mittelpunkte der einzelnen Kreise (ujezd), sie sind der Sitz des Woiwoden, d. h. des Kreischefs. Erst mit dem Ende des 16. Jahrh. beginnen die Bemühungen der Regierung, Handel und Industrie zu heben, und zu Ende des 17. Jahrh. ergriff sie Maßregeln, um die Verwaltung der Städte vor den Bedrückungen der Woiwoden zu schützen. Peter d. Gr. errichtete eine Centralbehörde für städtische Angelegenheiten, den Hauptmagistrat, dessen Aufgabe war, den Bürgerstand zu heben und das Aufblühen der Städte zu fördern. Als Vorbild für die Organisation der Städte dienten die deutschen Einrichtungen, vornehmlich Rigas. Unter Katharina II. kam es zu einer Organisation in der Städteordnung von 1785, durch die aber eine wirkliche Selbstverwaltung der Städte nicht erreicht wurde. Die Verwaltung derselben wurde nach wie vor nach dem Ermessen der Polizeimeister (gorodničij) und Gouverneure geführt. Nach verschiedenen Reorganisationsversuchen wurde 1870 eine neue Städteordnung erlassen. Diese übertrug die Verwaltung der städti-^[folgende Seite]