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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Haydn; Haydon; Haye, La; Hayes

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Haydn (Michael) - Hayes

kritisch-monumentale Ausgabe seiner sämtlichen Werke ist durch Breitkopf & Härtel zu erwarten.

H.s Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiete der Instrumentalmusik. Hier zeigt er sich als eine Natur, die von andern großen Künstlern an Tiefe der Bildung, an Innigkeit und Leidenschaft, an Größe des Geistes wohl übertroffen wird, durch Witz, heitern Frohmut, starke angeborene Intelligenz originell wirkt und von keinem zweiten Musiker in der Beweglichkeit, in der Leichtigkeit und Freiheit der Gedankenbehandlung und des Stils erreicht wird. Der Kunstzweig, der aus der Individualität H.s den größten Nutzen zog, war die Sinfonie. Sie erfuhr durch ihn eine vollständige Umbildung in Wesen und Form. Drei Elemente sind es, die er ihr neu zuführte: volkstümlichen Geist, motivische Arbeit und Mannigfaltigkeit des Kolorits. Die Menuett, durch die H. die bisherige Dreizahl der Sinfonieteile vermehrte, spricht das volkstümliche Wesen der H.schen Sinfonie am deutlichsten, aber nicht allein aus. Es macht sich auch in den übrigen Sätzen erkennbar. Aber die volkstümlichen Elemente würden die Werke nicht vor der Vergänglichkeit geschützt haben, wenn nicht die H.sche Meisterschaft in der motivischen Arbeit hinzugetreten wäre. H. war es zuerst, der, angeregt von Ph. E. Bach, in der Sinfonie die Themen in ihre kleinsten Einheiten, die sog. Motive, zerlegte und aus diesen einzelnen Motiven selbständige Sätze bildete. Der Satzbau verdankt ihm also eine viel ausgiebigere Ausnutzung des thematischen Materials, d. h. der poet. Grundgedanken, eine viel größere Menge und Mannigfaltigkeit von Stimmungen und Bildern, die verwandt und doch verschieden waren. Die sog. Durchführung im Sonatensatz gewann durch H. die Bedeutung, die sie bis aus den heutigen Tag besitzt, er ist der Vater jener Kunst der musikalischen Textauslegung, als deren vorzüglichsten Meister wir Beethoven kennen. Das dritte Element, in dem die H.schen Sinfonien neu waren, das Kolorit, beruht auf der Besetzung des Orchesters. H. schuf ein neues Sinfonieorchester, ein Orchester, in dem das Cembalo fehlt und die Instrumente frei gruppiert erscheinen. Auch dieses H.sche Orchester mit seinen Vorteilen und Nachteilen ist bis heute maßgebend geblieben. - Vgl. Griesinger, Biogr. Notizen über Joseph H. (1810), und das wissenschaftlich gehaltene (noch nicht vollendete) Werk von Pohl, Joseph H. (Bd. 1, Tl. 1, 1875; Tl. 2, 1882); die Fortsetzung bearbeitet von Manduczewski.

Haydn, Michael, Tondichter, Bruder des vorigen, geb. 14. Sept. 1737 zu Rohrau, war Chorknabe an der Stephanskirche in Wien und erhielt hier gründlichen Musik- und Schulunterricht. 1763 wurde er Musikdirektor des Bischofs in Großwardein und fünf Jahre später erzbischöfl. Konzertmeister und Musikdirektor in Salzburg, in welcher Stellung er bis zu seinem am 10. Aug. 1806 erfolgten Tode blieb. Einige Jahre vor seinem Ableben war H. noch einmal in Wien, durfte hier mehrere seiner größern Kirchensachen vor dem Hofe aufführen und erhielt vom Fürsten Esterházy den Titel als Kapellmeister. H. bewies sich als tüchtiger Komponist besonders im Fache der Kirchenmusik, in der ihm sogar sein Bruder Joseph und Mozart mit Rücksicht auf seinen soliden Tonsatz den Vorrang über sich einräumten. Die Zahl seiner Kirchenkompositionen, von denen heute nur die Charfreitags-Motette «Tenebrae factae sunt» noch häufiger verwendet wird, ist sehr beträchtlich; außerdem schrieb er Sinfonien, Kammermusik u. s. w.

Haydon (spr. hehd'n), Benj. Rob., engl. Maler, geb. 25. Jan. 1786 zu Plymouth, begann seine Studien 1804 zu London in der königl. Akademie. Anfänglich beschäftigte er sich mit kirchlichen und klassischen Bildern; ein Aufenthalt im Schuldgefängnis gab ihm 1827 den Stoff zu den Gemälden: The mock election und The chairing of the members, in denen er viel satir. Talent bekundet. Seinen Ruhm erhöhten die beiden Bilder: Napoleon I. den Sonnenuntergang betrachtend, und Der Tod des Eukles (1832). Schwächer sind: Versammlung der Abgeordneten zur Abschaffung der Sklaverei (1840), ein Bild von kolossaler Dimension und mit 130 Bildnissen, und Wellington zu Pferde (1842). Mit der herrschenden Richtung in beständigem Kampfe lebend, entleibte sich H. 22. Juni 1846 aus Nahrungssorgen. Er schrieb: «Lectures on fresco» (Lond. 1842) und «Lectures on painting and design» (2 Bde., ebd. 1844-46). Seine Autobiographie gab Tom Taylor heraus (3 Bde., ebd. 1853).

Haye, La (spr. äh), franz. Name für Haag (s. d.) in den Niederlanden.

Hayes (spr. hehs), Isaak Israel, amerik. Nordpolfahrer, geb. 5. März 1832 zu Chester im Staate Pennsylvanien, studierte an der Pennsylvania-Universität Medizin und beteiligte sich 1853-55 als Schiffsarzt bei der zweiten Grinnellschen Nordpolexpedition unter Dr. Kane. Seine auf dieser Reise gewonnene Überzeugung, daß sich um den Nordpol ein offenes Meer ausdehne, legte er 1857 der amerik. Geographischen und Statistischen Gesellschaft in Neuyork vor und gewann bald so viel Unterstützung, daß er 9. Juli 1860 mit dem kleinen Schoner «United States» mit 14 Personen an Bord von Boston auslaufen konnte. Er erreichte Upernivik in Grönland 12. Aug. und 9. Sept. Port-Foulke an der Westküste von Grönland in 78° 17' nördl. Br. H. fuhr, nachdem er in Port-Foulke überwintert hatte, 4. April 1861 in Boot und Schlitten quer über den Smithsund und längs der Ostküste von Grinnelland nordwärts bis Kap Lieber an der Südseite der Lady-Franklin-Bai unter 81° 35' nördl. Br., von wo aus er das offene Wasser zu sehen glaubte. Am 10. Juli trat H. die Heimreise an und landete 23. Okt. 1861 wieder in Boston. In dem inzwischen ausgebrochenen Bürgerkriege trat er als Arzt in die Vereinigte Staaten-Armee und besuchte 1869 mit dem Maler William Bradford die Südküste von Grönland. Er starb 17. Dez. 1881 zu Neuyork. Er veröffentlichte: «The open Polar Sea» (Boston 1867; deutsch von Martin, Gera 1874), «Physical observations in the arctic seas» (Washingt. 1868), die Erzählung «Cast away in the cold» (Boston 1868) und «The land of desolation» (Neuyork 1872).

Hayes (spr. hehs), Rutherford Birchard, der neunzehnte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, geb. 4. Okt. 1822 zu Delaware (Ohio), ließ sich, nachdem er auf der Harvard-Rechtsschule in Cambridge (Massachusetts) seine jurist. Vorbildung erhalten hatte, als Advokat in Cincinnati nieder und trat 1861 beim Ausbruch des Bürgerkrieges in das Unionsheer ein. Er machte alle Feldzüge als Major und Oberst unter Rosecranz, MacClellan und Sheridan mit und rückte 1865 zum Generalmajor auf. Nach seiner Rückkehr aus dem Kriege wurde H. in den Kongreß gewählt, von 1867 bis 1871 war er Gouverneur von Ohio, worauf er wie-^[nächste Seite]