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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Indische Litteratur

1861). Ebenso lebte unter Muñdscha Dhanapāla der Verfasser des Prākritwörterbuches Pāiyalacchī (hg. von Bühler, Gött. 1878) und anderer Werke. Unter Muñdschas Nachfolger und Bruder Sindhurādscha dichtete Padmagupta oder Parimala sein mahākāvya, das Navasāhasānkacarita. Im letzten Viertel des 10. und der ersten Hälfte des 11. Jahrh. lebte der große Çaiva-Philosoph Abhinavagupta, der sich auch als Rhetoriker auszeichnete und einen Kommentar zu dem Dhvanyālōka des Ānandavardhana geschrieben hat (hg. in der "Kāvyamālā").

Besondere Blüte erreichte die Dichtkunst im 11. Jahrh. Sindhurādschas Sohn, Bhōdscha, ist einer der gefeiertsten Fürsten Indiens, der Held zahlreicher Sagen und Märchen. Die spätere Legende, wie sie namentlich in dem Bhōjaprabandha des Ballāla enthalten ist (vielfach herausgegeben in Indien, z. B. Kalkutta 1883 und Bombay 1883), versetzt alle berühmten Dichter Indiens, Kālidāsa, Vararutschi, Bāṇa, Majūra, Bhavabhūti u. s. w., an seinen Hof und erzählt Wunderdinge von seiner Freigebigkeit gegen die Dichter, die aus allen Ländern Indiens nach Dhar strömten. Von den meisten der im Bhōjaprabandha genannten Dichter weiß man noch nichts, kann daher auch nicht sagen, was an der Tradition richtig ist; ebensowenig kennt man bis jetzt einen namhaften Dichter, der mit Sicherheit an den Hof des Bhōdscha versetzt werden kann. Unter ihm soll Dāmōdaramiçra gelebt haben, der die Bruchstücke eines alten Dramas zu dem Mahānaṭaka verarbeitete. Dem Bhōdscha selbst wird das rhetorische Werk Sarasvatīkaṇṭhābharaṇa zugeschrieben (hg. von Borooah, Kalkutta 1883). Bhōdscha lebte noch, als Bilhaṇa bereits ein berühmter Dichter war, der aber angiebt, nicht in Dhar gewesen zu sein. Bilhaṇa ist ein Beispiel für die Wanderlust der Paṇḍits und zeigt, wie es möglich war, daß sich der Ruf eines hervorragenden Mannes damals schnell über ganz Indien verbreiten konnte, von Kaschmir bis ins südlichste Dekan. Die Könige beschäftigten eine große Anzahl Schreiber, und Werke, die ihnen gefielen, wurden in Hunderten von Exemplaren abgeschrieben und durch Boten überall hin verschickt. Außer Bilhaṇa gehören ins 11. Jahrh. vor allem noch der äußerst fruchtbare und vielseitige Dichter Kshēmēndra und Sōmadēva, der Verfasser des Kathāsaritsāgara, des "Oceans der Ströme der Erzählungen". Unter den Werken des Kshēmēndra (vgl. S. Lévi, Journal Asiatique, 1885, Tl. 6, S. 399, Anm. 4; viele der kleinern Arbeiten sind jetzt in der "Kāvyamālā" herausgegeben) befindet sich auch die Bṛhatkathāmañjarī und diese ist ebenso wie Sōmadēvas Kathāsaritsāgara (hg. von Brockhaus, Lpz. 1839-66; neue Ausg., Bombay 1888; übersetzt von Tawney, 2 Bde., Kalkutta 1880-84) eine Bearbeitung in Sanskrit des ältesten, noch nicht gefundenen Märchenwerkes, der Bṛhatkathā des Guṇāḍhja, die in Pāiçācī geschrieben war. Beide Dichter haben denselben Stoff ziemlich gleichzeitig behandelt und auch ziemlich verschieden. Sōmadēva ist ohne Zweifel der klarere und einfachere. In dieses Jahrhundert gehört wahrscheinlich noch das Drama Prabōdhacandrōdaya des Kṛshṇamiçra (hg. von Brockhaus, Lpz. 1835-45, und oft in Indien; übersetzt von Goldstücker, Königsb. 1842), ein theol.-philos. Stück, worin alle Personen allegorisch sind. Es verspottet die verschiedenen Sekten, ihre Scheinheiligkeit und Arroganz, und ist mit Witz und Schärfe geschrieben.

Am Anfang des 12. Jahrh. ist der Sitz der Dichtkunst Bengalen. Am Hofe des Königs Lakshmaṇasēna, der 1119 zur Regierung kam, lebten die "Fünf Perlen": Gōvardhana, Çaraṇa, Dschajadēva, Umāpatidhara und Dhōī mit dem Beinamen Çruti- oder Çrutadhara, der der "König der Dichter" genannt wird. Der älteste unter ihnen, Umāpatidhara, lebte schon unter Vidschajasēna, dem zweiten Vorgänger des Lakshmaṇasēna; er verfaßte auf ihn eine Inschrift, in der er sein Lob singt, außerdem andere Gedichte, die noch nicht herausgegeben sind. Von Gōvardhana besitzen wir die Āryāsaptaçatī, "Die 700 Strophen im Āryāsaptaçatī" (hg. Dacca 1864, und mit dem Kommentar des Ananta in der "Kāvyamālā", Nr. 1), eine nach dem Muster von Hālas in Prākrit geschriebener Sattasaī gedichtete Sammlung kleiner lyrischer Stimmungsbilder in alphabetischer Ordnung, nicht ohne Geschick gemacht. Alle überragt weit Dschajadēva, einer der glänzendsten Dichter Indiens, was Glut der Empfindung und Beherrschung von Sprache und Metrum anlangt. Von den drei übrigen Dichtern ist nur wenig bekannt. (Vgl. Pischel, Die Hofdichter des Lakshmaṇasena, Gött. 1893, in den "Abhandlungen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften", Bd. 39.) Das 12. Jahrh. weist noch andere hervorragende Namen auf. Genannt seien nur Kalhaṇa, der Verfasser der Rājatarangiṇī (hg. von Troyer, mit franz. Übersetzung, 3 Bde., Par. 1840-52; vollständig Kalkutta 1835; neu von Stein, Bd. 1, Bombay 1892), des einzigen größern histor. Werkes, das man bis jetzt kennt. Sie giebt eine Geschichte Kaschmirs von seiner Entstehung an bis auf die Zeit des Verfassers (um 1120), vielfach ganz unhistorisch und märchenhaft. Dann ist zu nennen der große Polyhistor Hēmatschandra, ein Dschain, der auf fast allen Gebieten der Litteratur gearbeitet hat. (Vgl. Bühler, Über das Leben des Dschainmönches Hemachandra, Wien 1889.) Bisher sind von ihm herausgegeben zwei Sanskritwörterbücher, der Abhidhānacintāmaṇi (von Böhtlingk und Rieu, Petersb. 1847) und der Anēkārthasaṃgraha (Kalkutta 1807; neu von Zachariä, Wien und Bombay 1893), ein Prākritwörterbuch, die Dēçīnāmamālā (von Pischel und Bühler, Bd. 1, Bombay 1880), eine Grammatik der Prākritsprachen (von Pischel, 2 Bde., Halle 1877-80), das Sthavirāvalīcarita oder Pariçishṭaparvan (von Jacobi in der "Bibliotheca Indica", Kalkutta 1883-84), eine Sammlung von Heiligengeschichten, ein Anhang zu dem Yōgaçāstram (von Windisch, in der "Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft", Bd. 28, S. 185 fg.), eine poet. Darstellung der Ethik der Dschain.

Auch in den folgenden Jahrhunderten wurde fleißig in Sanskrit gedichtet und wissenschaftlich gearbeitet. Ins 13. Jahrh. wird der Grammatiker Bōpadēva, der Verfasser des Mugdhabōdha (hg. von Böhtlingk, Petersb. 1847), verlegt; im 14. Jahrh. blühte die klassische Litteratur im Dekan am Hofe des Königs Pratāpa Rudradēva Kākatēja in Warangal, wo der ausgezeichnete Kommentator der Epen Kālidāsas u. a., Mallinātha, und sein Sohn Kumārasvāmin, lebten, die vedische und philos. Litteratur in Vidjānagara, wo Sājaṇa die Veden kommentierte. Im 16. Jahrh. unter Kaiser Akbar und seinen Nachfolger lebten eine ganze Anzahl lesenswerter Autoren, von denen am bekanntesten ist Jagannātha, der Verfasser des Bhāminīvilāsa (hg. mit franz. Übersetzung von Bergaigne, Par. 1872),