Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ionicus'
der Fuß I. a minore (˘ ˘ ‗ ‗), im letztern I. a maiore
(‗ ‗ ˘ ˘). Bekannt ist die im ionischen Versmaß gedichtete Ode des Horaz (III, 12)
«Miserarum est │ neque amori │ » u. s. w. (˘ ˘ ‗ ‗ │ ˘ ˘ ‗ ‗ │).
Ionĭer, ein ausgedehnter Zweig des griech. Volks, der vor der sog. dor. Wanderung
hauptsächlich über die Nord- und Ostküste des Peloponnes, über Megaris, Attika und Euböa verbreitet war, aber infolge der dor.
Wanderung sich genötigt sah, mit Ausnahme von Attika und Euböa das griech. Festland zu räumen und (nach jetziger Annahme)
bald nach der Mitte des 10. Jahrh. v. Chr. über die Inseln des Ägäischen Meers und über die mittlern Teile der Westküste
Kleinasiens sich als Auswanderer zu verbreiten.
(S. Griechenland, Bd. 8, S. 320b fg.) Nach ihnen ward seitdem
der Küstenstrich Kleinasiens vom Flusse Hermos an bis südlich des Mäander, mit Einschluß der Inseln Chios und Samos,
Ionien (Ionia) genannt. Eine Art religiöser und polit.
Mittelpunkt der großen und blühenden ion. Zwölfstädte bildete das sog. Panionion, ein
Heiligtum des Poseidon am Vorgebirge Mykale bei Priene, wo alljährlich das Fest der Panionien gefeiert und auch Beratungen
über gemeinsame Angelegenheiten gepflogen wurden. Auch fanden Festversammlungen im Tempel des Apollon auf der Insel
Delos statt. Der bedeutende Reichtum, zu welchem die meisten dieser Städte infolge der Fruchtbarkeit des Landes und mehr
noch durch ihren ausgedehnten Seehandel, ihre Kolonisationen und ihre Industrie gelangten, weckte die Eroberungslust ihrer
Nachbarn. So gelang es (um 560 v. Chr.) dem König Krösus von Lydien die sämtlichen ion. Städte des Festlandes sich zu
unterwerfen, und als dann Cyrus diesen König gestürzt und sein Reich erobert hatte (549 v. Chr.), brachte jener mit leichter Mühe
bis 540 auch die sämtlichen griech. Städte Kleinasiens und der benachbarten Inseln (außer Samos) in seine Gewalt. Der
Versuch, welchen die I. unter Führung des Aristagoras (s. d.) von Milet 500 v. Chr. machten, mit
Unterstützung von Athen und Eretria und in Verbindung mit den griech. Städten am Hellespont, in Äolis, in Karien und auf der Insel
Kypros das pers. Joch abzuwerfen, mißlang nach anfänglichem kurzem Erfolge infolge Mangels an Ausdauer von seiten der I.
Die Städte wurden insgesamt durch die Feldherren des Königs Darius I. wieder unterworfen, 495 v. Chr. nach hartem
Widerstande auch Milet, und anfangs hart behandelt und entwaffnet, dann aber gegen Zahlung eines bestimmten Tributs an den
Perserkönig ihnen die Verwaltung ihrer innern Angelegenheiten überlassen. Bei Salamis (480 v. Chr.) mußten die I. gegen ihre
Stammesgenossen in Hellas fechten. Aber die Niederlagen, die die Perser dort, dann bei Platää, Mykale und am Eurymedon
erlitten, brachten den griech. Städten Kleinasiens die Freiheit und veranlaßten sie, sich dem athenischen Seebunde
anzuschließen. Nach dessen Auflösung gegen Ende des Peloponnesischen Krieges kamen sie zunächst in die Gewalt der
Spartaner, und als deren Seeherrschaft durch die Schlacht von Knidos (394 v. Chr.) gebrochen war, nach kurzer Freiheit in dem
sog. Antalcidischen Frieden (386 v. Chr.) wieder an Persien. Nach der Zertrümmerung des Perserreichs durch Alexander d. Gr.
teilten sie unter den sog. Diadochen die Schicksale der übrigen Bruchstücke des macedon. ↔ Weltreichs,
obgleich Alexander ihnen allen die Wiederherstellung ihrer Freiheit versprochen und zum großen Teile auch gewährt hatte. Doch
wurden nach Besiegung des Königs Antiochus d. Gr. von Syrien durch die Römer viele wieder für frei erklärt (189 v. Chr.), und
blieben es auch, als 129 v. Chr. die röm. Provinz Asia eingerichtet wurde, soweit sie nicht durch Unbotmäßigkeit die Gunst der
Römer verscherzt hatten. Die Mißregierung habgieriger Statthalter, wie die äußern und innern Kriege der ausgehenden Republik
brachten für die Städte schwere Prüfungen, aber unter dem Schutz der röm. Kaiser gediehen sie noch einmal zur Blüte.
Gegenwärtig sind jene einst so blühenden Städte, mit Ausnahme von Smyrna, Chios und Samos, zu elenden Dörfern
herabgesunken.
Ionien ist die Wiege der epischen wie der elegischen Poesie, und ihm gehören die Anfänge der Geschichtschreibung
(Logographen) und der Philosophie, sowie der rationellen Medizin (Hippokrates) und anderer Wissenschaften an. Auch auf dem
Gebiete der Kunst hatten die ion. Griechen in der ältern Zeit die führende Rolle (s. Griechische Kunst).
Ionische Inseln, die im Ionischen Meere, an der Westküste von Albanien und Griechenland
gelegenen, seit 1864 dem griech. Königreiche einverleibten sieben Inseln mit einem Gesamtflächenraum von 2296, nach
Strelbitskij 2349 qkm; davon kommen auf Zakynthos (Zante) 427, auf Kephallenia 664, auf Ithaka 97, auf Leukas (Santa Maura)
285, auf Korfu 712, auf Paxos 19 qkm; dazu gerechnet wird auch das vor der Südspitze des Peloponnes gelegene Kythera
(Cerigo) mit 277 qkm. Die Inseln sind mit Gebirgen erfüllt, welche aus Kalken und Schiefern der Kreideformation (auf Korfu auch
Jura) bestehen und meist die Streichrichtung von Nordnordwest nach Südsüdost besitzen; daran lagern sich Hügelländer tertiärer
Schichten und kleine Schwemmlandebenen. Die höchste Erhebung ist der Elatovuni auf Kephallenia (1620 m). Erdbeben sind
besonders auf den mittlern Inseln häufig. Im allgemeinen sind sie fruchtbar, ihr Klima mild, doch leiden sie an Dürre und
Wassermangel. Wälder giebt es außer prächtigen Olivenhainen nur noch auf den Bergen Kephallenias. Die hauptsächlichsten
Produkte sind: Korinthen (außer auf Korfu und Cerigo), Wein, Öl und Südfrüchte. Der Getreidebau genügt dem Bedarf nicht, die
Viehzucht beschränkt sich auf Schafe und Ziegen, Industrie ist kaum vorhanden. Dagegen blühen Handel, Schiffahrt und
Fischerei in hervorragendem Maße. Infolge der langen Ruhe unter der venet. Herrschaft und der fürsorglichen Verwaltung der
Engländer übertreffen die I. I. an Wohlstand, Gesittung und Bevölkerungsdichte alle andern Teile des Königreichs; mit
Fahrstraßen sind sie wohl versehen. Mit dem Festland und dem Ausland sowie unter sich stehen sie durch österr., ital. und griech.
Dampferlinien in Verbindung. Die Inseln bilden die drei Nomen (Kreise): Korfu, Kephallenia und Zante mit zusammen (1889)
238783 E.; Cerigo gehört zum Nomos Argolis und Korinthia. Die griech. Gesetze gelten auch hier, mit Ausnahme der
privatrechtlichen, für welche ein eigener Civilcodex rechtskräftig geblieben ist. – Vgl. Unger, Wissenschaftliche Ergebnisse einer
Reise in Griechenland und in den I. I. (Wien 1862), und Partsch in Petermanns «Ergänzungsheften», Nr. 88, 95 u. 98.
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 671.